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Streit um Mueller-Bericht
USA nehmen Kurs auf Verfassungskrise

Der Mueller-Bericht hat US-Präsident Donald Trump keinesfalls so entlastet, wie er das darstellt. Weiteren Untersuchungen des Kongresses gegen ihn und seine Exekutive verweigert er sich völlig. Trump macht dem Kongress seine Kontrollrechte streitig und bringt sein Land an den Rand einer Verfassungskrise.

Von Thilo Kößler | 10.05.2019
US-Präsident Donald J. Trump an einer Wand mit einem Wandleuchter im Weißen Haus am 18. April 2019.
Trump geht auf Konfrontation mit dem US-Kongress (picture alliance / Ron Sachs)
Kein ungeschwärzter Mueller-Report für den Kongress, keine Einsicht in Donald Trumps Steuererklärung, keine Aussage des Anwalts des Weißen Hauses vor den Parlamentsausschüssen und keine weitere Einvernahme des Justizministers: Donald Trump und die gesamte Exekutive gehen auf Konfrontationskurs mit dem Kongress – der Präsident macht seine Drohung wahr, die Zusammenarbeit mit der Legislative bei deren weiteren Untersuchungen zur Russlandaffäre und seinem Amtsgebaren einzustellen. Per executiv privilege, per exekutivem Privileg, verhängte Trump über den Mueller-Bericht und die einschlägigen Untersuchungsergebnisse ein Geheimhaltungs-Verdikt.
Noch eine ganze Menge mehr zu verbergen?
Das nährt bei den Demokraten nicht nur den Verdacht, dass der Präsident möglicherweise doch noch eine ganze Menge zu verbergen hat, sondern veranlasste den Vorsitzenden des Justizausschusses im Repräsentantenhaus, Jerold Nadler, auch zu der Feststellung, dass sich das Land in einer schweren Verfassungskrise befinde.
Blick von oben auf die beiden Bände, deren Blätter in Ringordnern ablegt sind.
Die beiden Bände des sogenannten Mueller-Berichts zur Russland-Affäre, der am 18.4.2019 in Washington veröffentlicht wurde. (AP / dpa / Jon Elswick)
Die Totalverweigerung des Präsidenten läuft auf einen Machtkampf zwischen Exekutive und Legislative hinaus, die laut Verfassung gleichberechtigte Teile der Regierung sind. Der Präsident versuche, die Gewaltenteilung auszuhebeln, sagen die Demokraten. Denn allein der Kongress habe die umfassenden Kontrollrechte, die Amtsführung des Präsidenten zu überwachen und ihn zur Rechenschaft zu ziehen. Verweigert der Präsident aber die Herausgabe wichtiger Informationen, könnten die Abgeordneten und Senatoren ihre verbrieften Rechte nicht mehr wahrnehmen. Deshalb spricht auch die demokratische Mehrheitsführerin im Abgeordnetenhaus, Nancy Pelosi, von einer Verfassungskrise.
Demokraten wollen Vernehmung von Mueller
Die Demokraten wollen nicht klein bei geben und bestehen zum Beispiel auf der Vernehmung von Sonderermittler Robert Mueller im Kongress. Dort zogen sie bereits das nächste Register und verabschiedeten im Repräsentantenhaus eine sogenannte "contempt-resolution" gegen den Justizminister – eine Rüge wegen Missachtung des Kongresses. Anders die Republikaner - sie haben die Reihen fest hinter ihrem Präsidenten geschlossen. Mitch McConnell, der Mehrheitsführer im Senat, erklärte sogar das gesamte Verfahren kurzerhand für beendet.
Doch ausgerechnet ein Republikaner, Richard Burr, der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses, fiel seinem Fraktionschef in den Rücken: Er lud nun Donald Trump junior zu einer Vernehmung vor – wegen offensichtlicher Unstimmigkeiten bei der Schilderung eines ominösen Treffens mit einer russischen Anwältin im Juni 2016. Das trieb dem Präsidenten jetzt die Zornesröte ins Gericht: Das habe ihn doch im höchsten Maße überrascht, polterte er am Donnerstag vor Reportern im Weißen Haus.
Stadium eines Krieges der Worte erreicht
Vermutlich wird Donald Trump junior die Aussage verweigern – weil er nicht gezwungen werden könne, sich selbst zu belasten. Aber das alles rückt die Darstellung Donald Trumps, in vollem Umfang von Sonderermittler Robert Mueller entlastet worden zu sein, immer mehr ins Zwielicht. Zum ersten Mal teilte Trump gegen den Sonderermittler persönlich aus: Mueller sei kein Freund von ihm, sagte er, aber von James Comey, dem FBI-Chef, den Trump feuerte.
Der Konflikt zwischen Präsident und Kongress, zwischen Exekutive und Legislative, zwischen Demokraten und Republikanern hat längst das Stadium eines Krieges der Worte erreicht. Umso mehr ist zu erwarten, dass die verfassungsrechtliche Frage der Kompetenzen von Präsident und Kongress vor den Gerichten landen wird. Bisher galten die Kontrollrechte der Abgeordneten und Senatoren als unantastbare Grundsätze der Gewaltenteilung. Es ist Präsident Trump, der zum ersten Mal in der 232-jährigen Verfassungsgeschichte der Vereinigten Staaten diese fundamentalen Gewissheiten in Frage stellt.