Donnerstag, 28. März 2024

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Streit um Sturmgewehr
"Man hat der Rüstungsindustrie Geschenke gemacht"

Für Linken-Politiker Stefan Liebich trägt die Bundesregierung die Verantwortung für die Probleme beim Sturmgewehr G36. Auflagen zu dessen Präzision seien "explizit aus dem Auftragsheft gestrichen" worden, sagte das Mitglied des Auswärtigen Ausschusses im DLF.

Stefan Liebich im Gespräch mit Dirk Müller | 01.04.2015
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    Man habe der Rüstungsindustrie Geschenke gemacht, so Liebich. Und "das Risiko dafür tragen jetzt die Soldaten, die von der Mehrheit des Bundestages gegen den Willen der Bevölkerung ins Ausland geschickt werden."
    Deutschland habe eine Reihe von Problemen im Verteidigungsressort, so würden Steuergelder verschwendet. Nach der aktuellen Affäre forderte der Außenpolitiker "endlich" Konsequenzen: "Wir dürfen uns nicht von der Rüstungsindustrie mit dem Nasenring durchs Land führen lassen."
    Liebich kritisierte zudem, "dass die Bundesregierung sehr sperrig ist gegenüber dem Auswärtigen Ausschuss". So sei Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen erst ein Mal dort erschienen.
    Die Anschaffung bewaffneter Drohnen, wie von der Regierung geplant, lehne die Linkspartei ab, so Liebich. Aber wenn es doch dazu komme, müsse man darauf achten, dass die vereinbarten Verträge eingehalten werden.

    Das Interview in voller Länge
    Dirk Müller: Mitgehört hat Stefan Liebich, außenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag. Guten Morgen!
    Stefan Liebich: Guten Morgen, Herr Müller.
    Müller: Herr Liebich, geht Ihnen da ein bisschen die Hutschnur hoch?
    Liebich: Ich kenne ja den Herrn Arnold seit einigen Jahren und er hat ja eben seine Aufgabe ehrlich beschrieben, nämlich er hat die alte Regierung angegriffen und er verteidigt die neue Regierung, weil er die Koalition gewechselt hat.
    Ich denke aber, in der Sache ist seine Kritik in großen Teilen berechtigt und gilt heute noch immer. Wir haben eine Reihe von Problemen im Verteidigungsressort und ein Punkt, der hier noch nicht erwähnt wurde, den möchte ich gerne ergänzen. Die Bundesregierung ist selber schuld, dass das G36 nicht ordentlich schießt, weil Auflagen zur Präzision explizit aus dem Auftragsheft gestrichen worden sind. Man hat der Rüstungsindustrie Geschenke gemacht, und das Risiko dafür tragen jetzt die Soldaten, die von der Mehrheit des Bundestages, gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung ins Ausland geschickt werden.
    Müller: Wie weit würden Sie gehen bei der Etikettierung dieser Geschäfte? Ist das fast mafiaähnlich?
    Liebich: Ich fürchte, dass die Mafia andere Methoden einsetzt. Deswegen schrecke ich vor diesem Vergleich zurück. Auf jeden Fall ist das, was dort läuft, nicht richtig und unehrlich und hier werden Steuergelder zum Fenster rausgeworfen.
    Müller: Und das war immer bekannt, dass Thomas de Maizière nach innen hin auch so gehandelt hat, auch während seiner Amtszeit?
    Liebich: Ich war damals nicht im Verteidigungsausschuss. Aber was ich im Bundestag verfolgt habe, ist, dass die Kritik damals schon auf dem Tisch lag und auch in der Öffentlichkeit diskutiert wurde, und jetzt müssen endlich Konsequenzen gezogen werden. Wir dürfen uns nicht am Nasenring von der Rüstungsindustrie durchs Land führen lassen.
    Linke lehnt bewaffnete Drohnen ab
    Müller: Sie finden das auch richtig, wenn es jetzt zu neuen Projekten kommen sollte - es wird ja gerade wieder groß getrommelt für ein großes Satellitensystem mit internationaler beziehungsweise mit europäischer Kooperation, sowie auch für bewaffnete Drohnen -, dass dann, wenn etwas schiefgeht, Entschädigungen dazukommen. Aber die Frage jetzt an Sie: Kann das sein, dass Sie in einer solchen Situation, um diese europäische Autonomie und Unabhängigkeit zu unterstützen - das ist das Argument jedenfalls der Koalition -, auch einmal Rüstungsprojekten zustimmen?
    Liebich: Nein. Wir sind da der Auffassung, dass die politische Linie, der die Bundesregierung folgt, falsch ist. Wir sind zum Beispiel nicht der Auffassung, dass unser Land bewaffnete Drohnen braucht. Und wenn die jetzt eingeführt werden, mit welchem Argument auch immer, dann sind wir dagegen.
    Aber die Debatte, die wir hier führen, ist: Wenn die Mehrheit sich schon dafür entscheidet, dann muss darauf geachtet werden, dass die Verträge, die man unterschreibt, auch erfüllt werden, und das ist in der Vergangenheit nicht passiert. So haben wir Hubschrauber und Flugzeuge, die nicht fliegen, und Gewehre, die nicht richtig schießen, und wir bezahlen trotzdem dafür. Das ist aus diesem zweiten Grund nicht richtig.
    Müller: Sie haben eben gesagt, die verteidigungspolitischen Sprecher und die Experten, die sind da ja zunächst mal für sich. Wie funktioniert der Austausch? Ich meine, Sie sind Außenpolitiker. Sie müssen sich auch mit Militärpolitik und Verteidigungspolitik zwangsläufig auseinandersetzen. Wissen Sie oft nicht so genau, was die anderen Kollegen da tun?
    Liebich: Das Problem ist nicht eines, was ich mit meinen Kollegen habe. Wir haben einen sehr regen Austausch. Wir haben einen Arbeitskreis internationale Politik, in dem unter anderem auch Verteidigungs- und Außenpolitiker unserer Fraktion zusammensitzen, und wir beraten da sehr eng und sehr intensiv.
    Die Schwierigkeit ist eher, dass die Regierung gegenüber dem Auswärtigen Ausschuss sehr sperrig ist. Wenn ich Ihnen erzähle, dass wir in dieser Wahlperiode in der letzten Woche Frau von der Leyen das allerallererste Mal als Verteidigungsministerin im Auswärtigen Ausschuss zu Gast hatten, dann wundern Sie sich wahrscheinlich, und zwar zu Recht. Es war nicht einfach, sie dorthin einzuladen. Wir fanden das dringend notwendig und überfällig, weil ja Verteidigungspolitik sich in eine außenpolitische Strategie einpassen muss und nicht umgekehrt.
    "Das Letzte, was wir brauchen, ist ein neuer Krieg im Nahen Osten"
    Müller: Herr Liebich, wir müssen einen Schnitt machen. Atomverhandlungen, darüber wollten wir ursprünglich sprechen. Jetzt hat sich nicht so viel getan in der Schweiz, in Lausanne. Aber immerhin: Die Frist ist abgelaufen und es wird weiter verhandelt. Gibt es noch Anlass zu Optimismus?
    Liebich: Erst einmal möchte ich sagen, dass jeder Tag, an dem die Verhandlungen nicht für gescheitert erklärt werden, ein guter Tag ist. Denn wenn die Verhandlungen scheitern, dann wird Iran weiter daran arbeiten, eine Atombombe zu haben, und für diesen Fall ist vonseiten Israels und der USA angekündigt worden, dass alle Optionen, das zu verhindern, auf dem Tisch liegen, auch militärische. Und das Letzte, was wir brauchen, ist ein neuer Krieg im Nahen Osten. Insofern: Ich finde es gut, dass weiter verhandelt wird, und die Sanktionen gelten ja auch erst einmal weiter, sodass da jetzt erst einmal nichts Schlimmes passiert.
    Müller: Und der deutsche Außenminister spielt da eine gute konstruktive Rolle?
    Liebich: Wir sind kontinuierlich über den Stand der Verhandlungen auch auf der Ebene unterhalb des Außenministers informiert worden. Ich finde diese Zusammensetzung dort, die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats und Deutschland, eine gute und sinnvolle Zusammensetzung. Deutschland spielt hier eine konstruktive Rolle.
    Aber was ich auch sagen will, weil das nicht selbstverständlich ist, ist, dass auch Russland und China hier gemeinsam mit den anderen an einem Strang ziehen und dass all die anderen Konflikte, die wir miteinander haben, dort nicht zum Problem geworden sind, und das ist gut und wichtig und auch notwendig gegenüber dem Iran.
    Müller: Vielen Dank! - Stefan Liebich, außenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag. Ihnen noch einen schönen Tag.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.