Freitag, 19. April 2024

Archiv

Mehr als nur ein Name
Streit um Umbenennung des Zivilrechtskommentars Palandt

Otto Palandt war als Präsident des Reichsjustizprüfungsamtes und Mitglied der NSDAP maßgeblich an der sogenannten „Arisierung“ des Rechtswesens beteiligt. Eine Initiative aus Studierenden und Lehrenden will den Zivilrechtskommentar "Palandt" umbenennen lassen. Der Verlag C.H. Beck wehrt sich.

Von Peggy Fiebig | 21.06.2019
An der Richterbank eines Sitzungssaals sitzt ein Richter mit Richterrobe, davor stehen Gesetzesbücher.
Einer der wichtigsten Kommentare zum deutschen Zivilrecht ist der Palandt. Er wurde zu einem durchschlagenden Erfolg für den Verlag C.H. Beck (picture alliance / dpa / Uli Deck)
Generationen von Jurastudenten kennen ihn vom ersten Semester an – den Palandt: DER Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch. Über 3000 Seiten dick, knapp zweieinhalb Kilogramm schwer und gespickt mit unzähligen Abkürzungen, die das Lesen nicht gerade einfach machen. Wer aber Otto Palandt – der Mann, der dem Mammutwerk seinen Namen gab, war, darüber machten sich die meisten angehenden Juristen bisher keinen Kopf. So war es auch bei dem SPD-Bundestagsabgeordnete Metin Hakverdi, der einstmals auch Jura studiert hatte.
"Ich wusste selber nicht, während ich studiert habe und zum ersten Mal den Kommentar Palandt in der Hand hatte, wer das war. Ich habe das erst viel, viel später kennengelernt. Und ich glaube, ich war in guter Begleitung damals von den Ahnungslosen, die diesen Namen nicht kannten."
Rolle Palandts in der NS-Zeit war lange vergessen
Viel später erst, nicht zuletzt durch die Initiative "Palandt umbenennen" wurde ihm, wie auch breiten Teilen der juristischen Öffentlichkeit bekannt, welch unrühmliche Rolle Otto Palandt während der Nazizeit gespielt hatte. Er war Präsident des Reichsprüfungsamtes und sorgte dafür, dass die künftigen Richter, Staatsanwälte und Rechtsanwälte die Rechtswissenschaften streng nach der nationalsozialistischen Doktrin lernten.
"Er war aus meiner Bewertung kein glühender Nazi, kein ideologisch überzeugter, aber doch ein willfähriger Opportunist, der seine Arbeitskraft eifrig darauf verwandt hat, die völkische und autoritative Ideologie der Nazis im juristischen Ausbildungsalltag zu verankern.
Das sagt Kilian Wegener. Er ist einer der Mitbegründer der Initiative "Palandt umbenennen", die sich für einen Namenswechsel des im Verlag C.H. Beck erschienen Werkes stark macht. Junge Juristinnen und Juristen haben sich hier zusammengeschlossen, weil sie meinen, dass die Benennung des wichtigsten deutschen Zivilrechtskommentars nach Otto Palandt diesem eine unverdiente Ehre erweist.
Der Verlag wehrt sich gegen Umbenennung
Der Verlag C.H. Beck dagegen will den bisherigen Namen beibehalten. In München, dem Sitz des Verlages, verweist man darauf, dass der "Palandt" mittlerweile weniger mit seinem Namensgeber verbunden wird, sondern vielmehr eine eigene "Marke" geworden ist. Klaus Weber, Mitglied der Geschäftsleitung von Beck sagt:
"Womit wird der Begriff "Palandt" assoziiert? Palandt war der BGB-Kommentar, in dem sich komprimiert das Wissen zum Bürgerlichen Gesetzbuch in kondensierter Form, auf hohem qualitativem Niveau befand und damit wird auch heute noch Palandt identifiziert."
Und schon gar nicht sei seinerzeit mit der Namensgebung eine Ehrung Otto Palandts verbunden gewesen. Er sei nun mal der Herausgeber der ersten Auflage gewesen.
"Es ist die ganz normale Werkbezeichnung, die also im Verlagswesen immer schon üblich war und auch üblich bleiben wird."
Nein, sagt Kilian Wegener. Otto Palandt, der im Übrigen inhaltlich außer einem Vorwort nichts zu dem Kommentar beigesteuert hatte, sei damals sehr bewusst die Herausgeberschaft angetragen worden.
"Und nach meiner Bewertung ist es allein dieser Hintergrund und diese Stellung Palandts als hochrangiger NS-Justizpolitiker, Grandseigneur der NS-Juristenausbildung und einer der bekanntesten Juristen im Dritten Reich, wegen der man an ihn herangetreten ist.
Die Initiative "Palandt umbenennen" hat mittlerweile eine Vielzahl von Unterstützern bekommen. Mehr als 2.000 Einzelpersonen und 30 Organisationen haben die Petition unterzeichnet. Und auch Politiker verschiedener Parteien setzen sich mittlerweile dafür ein, hier einen deutlichen Punkt zu setzen.
"Wir sind keine Geschichtsexorzisten"
Ersatzlos gestrichen werden soll der Name "Palandt" dabei nicht, sagt Kilian Wegener.
"Wir sind keine Geschichtsexorzisten, weil wir nicht glauben, dass man Geschichte auslöschen kann oder sollte. Es geht nicht um Vergessen für uns, sondern um Erinnern. Aber erinnern an jene, deren Schicksal wie das Otto-Palandts mit der Geschichte des Beckschen Kurzkommentars zum BGB zusammenhängt, nur dass sie eben nicht Täter waren."
Beispielsweise Otto Liebmann. Der Berliner Verleger hatte die Tradition der "Kurzkommentare" überhaupt erst begründet, bevor er sich gezwungen sah, wegen der immer stärker werdenden antisemitischen Diskriminierungen seinen Verlag 1933 an Beck zu verkaufen. Oder man könnte auch der ursprünglichen Autoren des Liebmannschen Taschenkommentars gedenken: Otto Loening, James Basch und Ernst Straßmann. Nochmal Kilian Wegener:
"Loening, Basch und Straßmann wurden aus ihrer Tätigkeit verdrängt, und bis auf Straßmann auch ermordet. Zum Teil, weil sie als Juden verfolgt wurden, zum Teil, weil sie Demokraten waren."
Vergessen werden sollte der Name Otto Palandts aber auf keinen Fall, mahnt der Journalist und Buchautor Christian Bommarius, der auch selbst studierter Jurist ist.
"Gemeint ist, wenn wir über die Umbenennung dieses Kommentars sprechen, nicht: wir streichen Palandt und setzen Liebmann oder wen auch immer. Sondern wir merken uns Palandt im aller nur schrecklichsten Sinne. Ja, so sollten wir ihn uns merken. Das kann man durch ein Vorwort machen, durch ein Nachwort machen. Merken sollte man sich den Namen. Aber doch nicht als Namen für diesen Kommentar."