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Strengere CO2-Grenzwerte
Was auf die Autobauer zukommt

Wenn die EU über Grenzwerte für den CO2-Ausstoß bei Neuwagen berät, sitzt die Auto-Lobby mit am Tisch. Die Autohersteller stehen vor der Wahl: Um künftig geltende Werte einzuhalten, müssen sie entweder den Verkauf von emissionsfreien Autos ankurbeln - oder hohe Strafen riskieren. Beides kostet Geld.

Von Silke Hahne | 10.10.2018
    Neuwagen stehen auf einem Verladeplatz nahe Michendorf (Brandenburg).
    Die Autoindustrie wehrt sich gegen zu ambitionierte Ziele bei der Reduzierung von Emissionen (dpa / picture alliance / Ralf Hirschberger)
    Die Umweltminister der EU-Staaten haben sich auf eine gemeinsame Linie in Sachen CO2-Grenzwerte für Autos ab 2030 geeinigt. Relativ zum Grenzwert ab 2021 - 95 Gramm pro Kilometer - soll der durchschnittliche Kohlendioxid-Ausstoß aller neu zugelassenen Autos eines Herstellers um 35 Prozent sinken. Es ist ein Mittelweg zwischen den unterschiedlichen Positionen der Mitgliedsstaaten.
    Autoindustrie mischt mit
    Der Wert ist nicht final: Es ist jetzt lediglich die Zahl, mit der die Umweltminister in die Verhandlungen mit der EU-Kommission auf der einen und dem EU-Parlament auf der anderen Seite gehen. Die Kommission ist für laschere Grenzwerte - eine Absenkung von 30 Prozent gegenüber 2021. Das Parlament ist für strengere 40 Prozent.
    Außerdem wurde beschlossen, die neuen Regeln in einigen Jahren auf ihre Wirkung hin zu prüfen. Ob das heißt, dass die Werte auch wieder zurückgeschraubt werden könnten, ist unklar. Die Autoindustrie hält 25 bis 30 Prozent Reduktion zwischen 2020 und 2030 für machbar. Dass sie im Hintergrund des Trilogs von Mitgliedsstaaten, Kommission und Parlament weiter mitmischen wird, ist wahrscheinlich.
    Denn es ist nicht einmal absehbar, ob sie schon die nächste Grenzwert-Stufe schafft. 2017 stieß ein Neuwagen in der EU im Schnitt 118,5 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer aus, wobei laut Umweltbundesamt die Bundesrepublik mit höheren Werten negativer Spitzenreiter war.
    Neuwagen mit immer höherem CO2-Ausstoß
    Momentan stößt ein neu zugelassener Pkw in Deutschland im Schnitt etwas über 132 Gramm pro Kilometer aus, das zeigt die aktuelle Statistik des Kraftfahrtbundesamtes. Und es geht mitnichten in Richtung Grenzwert: Im Vergleich zum Jahresanfang stößt ein neues Auto inzwischen vier bis fünf Gramm CO2 pro Kilometer mehr aus.
    Das ist zum einen durch den Trend zu größeren, schwereren Autos bedingt, etwa SUVs oder Geländewagen. Die Zulassungszahlen steigen in der Tendenz. Die Motorisierung legt zu - gleichzeitig sinken in der Folge des Abgasskandals die Zulassungszahlen für Diesel. Im direkten Vergleich stoßen diese aber weniger CO2 aus als Benziner. Der Diesel kann den Trend zu mehr Motorleistung also nicht abfedern.
    Zwei Möglichkeiten - beide kosten Geld
    Wenn der CO2-Ausstoß nicht auf die Vorgaben ab 2021 und 2030 sinkt, dann drohen den Autobauern Strafen. Experten gehen davon aus, dass je nach Verkaufszahlen Millionen oder gar Milliarden anfallen könnten. Vermeiden kann die Industrie das nur, wenn sie neben den hoch motorisierten Verbrennern möglichst viele emissionsfreie Autos verkauft.
    Auch das kostet Geld. Ein Beispiel: Müsste der CO2-Ausstoß 2030 um 40 statt 30 Prozent sinken, "würde ich auf mindestens drei Milliarden Euro tippen", schätzt der Autoexperte Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler. "Wenn man es von der Seite betrachtet, was würden die Anstrengungen die Industrie kosten."
    Die Autobranche hat also im Wesentlichen die Wahl: Massiv selbst den Verkauf von emissionsfreien Autos ankurbeln oder Strafen riskieren. Beides kostet Geld. Die Branche droht: Wenn man es jetzt mit der Regulierung übertreibe, könnte den Autobauern auf dem Weg zu mehr Klimaschutz das Geld dafür ausgehen. Auch seien Arbeitsplätze bedroht. In der deutschen Autoindustrie arbeiten rund 800.000 Menschen.