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Studentische Hilfskräfte
Streik mit Strahlkraft

Seit gestern gehen die studentischen Mitarbeiter der Berliner Hochschulen für mehr Geld auf die Straße. Seit fast 17 Jahren ist ihre Vergütung nicht erhöht worden. Der Streik könnte ein bundesweites Signal für Hochschulen in anderen Bundesländern sein.

Von Anja Nehls | 15.05.2018
    Technische Universität Berlin von oben betrachtet
    Der Betrieb an der Technischen Universität Berlin ist momentan gestört (picture alliance / dpa / Britta Pedersen)
    Vor der Technischen Universität Berlin steht ein kleines Zelt mit einem großen Transparent und der Aufschrift wir streiken. Viele Studierende haben sich rund um das Zelt versammelt, denn für sie fällt heute die eigentlich angepeilte Veranstaltung in der Hochschule aus - und das kann gravierende Folgen haben erklärt der Wirtschaftsinformatikstudent Dominik Bressler.
    "Die meisten Tutorien werden ja von studentischen Mitarbeitern gehalten, und da fällt also ein Großteil aus diese Woche. Und Prüfungsleistungen, die also innerhalb dieser Woche fällig werden in diesen Tutorien müssen dann also um eine Woche verschoben werden, Fristen müssen nach hinten geschoben werden. Der ganze Unibetrieb ist für die Studenten vor allem gestört. Zusätzlich haben wir die Bibliotheken, die wesentlich früher schließen jeden Tag. Zum Beispiel die große Hauptbibliothek schließt jeden Tag drei Stunden früher, schon um 19 Uhr, weil kein studentisches Personal mehr da ist, was sie offen halten kann."
    Unterhaltskosten in Berlin sind gestiegen
    Denn bis Sonnabend streiken die studentischen Mitarbeiter der TU und der meisten anderen Berliner Hochschulen für einen neuen Tarifvertrag und einen Stundenlohn von 14 Euro. Bisher verdienen die rund 8000 studentischen Hilfskräfte an den Berliner Hochschulen in der Stunde 10,98 Euro. Seit 2001 ist dieser Lohn nicht mehr erhöht worden. Einzig die TU in Berlin zahlt freiwillig 12,50 Euro. Der Student Leo Herrmann verdient sich so einen großen Teil seines Lebensunterhalts:
    "Ich studiere hier im sechsten Semester Physik und arbeite als Tutor, also als studentische Hilfskraft im Projektlabor, das ist ein Praktikum bei uns für die Studierenden aus den ersten drei Semestern, wo sie jede Woche kommen und Experimente durchführen und ich betreue sie bei den Experimente und bereite sie vorher darauf vor, wo wir gemeinsam darüber diskutieren, was wir vorhaben. Das mache ich jetzt 15 Stunden in der Woche, also 60 Stunden im Monat."
    Und dafür gibt es dann rund 750 Euro. Zum Leben reiche das vorne und hinten nicht und mehr arbeiten sei auch nicht drin, weil er dann das eigene Studium vernachlässigen müsse. Deshalb streikt Leo Hermann für 14 Euro pro Stunde und die Anbindung des studentischen Tarifvertrags an die Lohnentwicklung der übrigen Hochschulbeschäftigten, die in Berlin nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder, kurz TV-L bezahlt werden:
    "Es ist schon ein Stück weit nötig, dass ich sage, ich möchte gerne auch das Geld haben, was ich zum Leben brauche. Die Mieten sind sehr hoch in Berlin und der Tarifvertrag ist der gleiche seit 16 Jahren, damals hat man vielleicht noch die Hälfte gezahlt für eine Wohnung und andere Ausgaben habe ich auch noch, da muss ich schon irgendwie schauen, dass ich das hinbekomme."
    Die Gewerkschaften machen mit
    Unterstützung bekommen die studentischen Hilfskräfte von Verdi und der GEW. Seit zu Beginn des Jahres schon einmal für bessere Bezahlung gestreikt wurde, sind viele der studentischen Mitarbeiter in die Gewerkschaften eingetreten. Dass es seit 2001 keine Lohnerhöhung gab, findet Tom Erdmann von der GEW nicht akzeptabel:
    " Es ist ein Reallohnverlust von bis heute 30 Prozent. Und inzwischen haben einige Hochschulen sogar schon Probleme, geeignete Bewerberinnen und Bewerber zu finden. Die Technische Universität hat reagiert und zahlt seit Beginn des Jahres 12,50 Euro. Und das letzte Angebot der Arbeitgeber, also der gesamten Hochschulen, sah vor, dass erst ab 2020 die anderen Hochschulen auch 12,50 Euro zahlen. Das ist viel zu spät."
    Dabei geht es den studentischen Hilfskräften in Berlin zum großen Teil sogar noch besser, als in anderen Bundesländern. Denn allein in Berlin gibt es für sie einen Tarifvertrag. Die Löhne legen die Arbeitgeber woanders ohne Rücksprache mit den Gewerkschaften fest. Studierende ohne Abschluss bekommen zum Teil nur zehn Euro pro Stunde. Auch deshalb werden die Aktionen in Berlin bundesweit genau beobachtet. Am Donnerstag soll es hier eine große Kundgebung geben, bis Sonnabend soll der Streik auf jeden Fall fortgesetzt werden. Die nächste Verhandlungsrunde mit den Arbeitgebern ist für den 24. Mai geplant.