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Studie des Studentenwerks
Warum das Bafög vielen nicht ausreicht

Sechs Jahre hat es gedauert, bis die Bundesregierung die Bafög-Sätze angehoben hat. Der höchste beträgt jetzt 735 Euro – für Studierende mit eigener Wohnung. Das Deutsche Studentenwerk hat jetzt eine Studie vorgelegt, die belegen soll, dass diese Summe nicht ausreicht. Die Politik müsse dringend handeln, so das Studentenwerk.

Von Claudia van Laak | 31.05.2017
    Studierende der Georg-August-Universität in Göttingen sitzen in einem Hörsaal.
    Das Bafög muss dringend erhöht werden – das ist der Schluss, den das Deutsche Studentenwerk aus der aktuellen Studie zieht. (dpa / picture alliance / Swen Pförtner)
    Wieviel Geld gibt ein Student oder eine Studentin durchschnittlich im Monat aus? Das hat das Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie errechnet. Direktor Dieter Dohmen: "Diejenigen, die alleine wohnen oder mit dem Partner zusammen, geben so zwischen 900 und 950 Euro aus, und wenn man noch Zusatzkosten wie Körperpflege oder Innenausstattung hinzunimmt, ist man schnell bei 1.000 Euro."
    Grundlage der Studie sind Zahlen aus dem Jahr 2013 – Dieter Dohmen geht deshalb davon aus, dass die monatlichen Ausgaben der Studierenden in der Zwischenzeit noch weiter gestiegen sind.
    "Ich persönlich gehe davon aus, dass insbesondere die Ausgaben für die Mieten deutlich gestiegen sind. Da hat es in den letzten Jahren nicht nur bezogen auf den studentischen Wohnungsmarkt deutliche Erhöhungen gegeben. Also insofern glaube ich, dass wir mit den Zahlen, die wir haben, eher am unteren Rand des Aktuellen liegen denn am oberen."
    Reicht der Höchstsatz?
    Dabei dürfte ein Studierender in Neubrandenburg weniger ausgeben als jemand in München. Und in Berlin? Reicht der Bafög-Höchstsatz von 735 Euro aus? Carlo Schmidt hat gerade seinen Antrag abgegeben, er hält den im Höchstsatz enthaltenen Mietzuschlag von 250 Euro für definitiv zu gering.
    "Also wenn man jetzt frisch nach Berlin gezogen ist, dürfte es auf keinen Fall ausreichen, weil da kommt das Wohnungsgeld nicht mehr hin. In Berlin ist absolute Wohnungsknappheit und dementsprechend sind auch die Mieten hoch. Da ich jetzt aber schon zehn Jahre in Berlin wohne, habe ich damals eine günstige Wohnung bekommen. Mit Augenzudrücken kommt es gerade so hin."
    Empirische Grundlage für Bafög
    Das Bafög muss dringend erhöht werden – das ist der Schluss, den das Deutsche Studentenwerk aus der aktuellen Studie zieht. Dabei will sich Präsident Dieter Timmermann nicht auf eine konkrete Zahl oder einen Prozentsatz festlegen. Dem Studentenwerk kommt es darauf an, das Bafög auf eine empirische Grundlage zu stellen und regelmäßig anzuheben.
    "Wir hoffen natürlich, dass wir die Bundesregierung mit diesen Zahlen beeindrucken können, vielleicht auch die Unterstützung von anderen gesellschaftlichen Gruppen dabei bekommen. Und wir hoffen dann ferner, dass die Bundesregierung in einem nächsten Schritt das noch einmal neu berechnet. Und auf diesen neuen Daten dann angemessene und der Lebenswirklichkeit der Studierenden gerecht werdende Fördersätze beschließt."
    Lücken im System
    Veränderte Lebenswirklichkeit – das bedeutet zum Beispiel: Immer öfter entscheiden sich Menschen, die schon länger im Berufsalltag stehen, für ein Studium. So auch der Berliner Carlo Schmidt, der mit über 30 mit dem Bachelor-Studiengang "Regenerative Energien" startet.
    "Da ich halt über 30 bin, muss ich dann doch noch einiges aus eigener Tasche bezahlen, zum Beispiel für die Krankenkasse. Also insgesamt sind es 175 Euro, was ich zahlen muss, und 90 Euro krieg ich vom Bafög-Amt."
    "Das hochschulische lebenslange Lernen. Dafür haben wir überhaupt kein Förderinstrument. Wir haben eine Arbeitsgruppe gegründet: Wie könnte das Bafög modernisiert werden im Sinne der Förderung des lebenslangen Lernens", sagt Studentenwerkspräsident Dieter Timmermann. Die Forderung an die Politik nach einer dringenden Bafög-Erhöhung bzw. Reform wird allerdings durch eine andere Tatsache konterkariert. Etwa 4 von 10 Studierenden, die einen Anspruch auf Bafög hätten, stellen gar keinen Antrag.
    Komplexes Antragsprocedere
    "Wir wundern uns selber über diese Zahl. Zwischen 40 und 60 Prozent sollen gar keine Anträge stellen. Bafög ist komplex. Ich muss sagen, ich hab noch nie einen Antrag in den Fingern gehabt. Ich höre immer, man braucht vier Stunden im Schnitt."
    Die Studentin Sophia Geuke könnte dem Präsidenten des Deutschen Studentenwerks weiterhelfen. Das Problem beim Bafög-Antrag sei unter anderem, dass man Unterlagen von seinen Eltern beschaffen müsse.
    "Man muss sich nicht nur um seine eigenen Sachen kümmern, sondern auch um die Sachen kümmern von anderen. Das kann sich wahnsinnig in die Länge ziehen. Und für Menschen, die da eh Probleme mit haben, kann es ein Grund sein, den Antrag erst gar nicht zu stellen. Oder es dann aufzugeben mittendrin."
    Sie selber habe auch aufgegeben und zunächst auf das Bafög verzichtet, erzählt Sophia Geuke, habe aber dann doch noch einen Antrag gestellt.
    Das Studentenwerk will demnächst eine Info-Kampagne zum Bafög starten – für seine politischen Forderungen nach einer Reform hat es bereits die Grünen und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft GEW mit im Boot.