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Studie
Jugend zeigt viel Empathie

Ob in der Schule, im Sportverein oder in der Nachbarschaft: Für viele Jugendliche ist Heterogenität längst Alltag. Dass man darum auch Flüchtlingen und Asylsuchenden helfen sollte, ist für viele darum eine Selbstverständlichkeit, wie eine aktuelle Studie belegt. Die Studie zeigt aber auch: Vor allem an Haupt- und Berufsschulen wird noch immer zu wenig über Diversität gesprochen.

Von Anja Nehls | 26.04.2016
    Eine gemischte Klasse, bestehend aus aus Zuwanderern, Flüchtlingen und ehemalige Flüchtlingen, hat am 17.11.2015 in der Edith-Stein-Schule in Ravensburg (Baden-Württemberg) Unterricht. Ziel ist das Erreichen des Hauptschulabschlusses. Foto: Felix Kästle/dpa (zu lsw Meldung: «Lehrer stoßen an ihre Belastungsgrenze» vom 19.11.2015)
    Viele 14- bis 17-Jährige befürworten laut der neuen Sinus-Studie den Zuzug fremder Kulturen nach Deutschland. (picture alliance/dpa/Felix Kästle)
    Die Akzeptanz von Vielfalt, die Toleranz gegenüber anderen Kulturen und Religionen und die Bereitschaft, Geflüchteten und Asylsuchenden zu helfen nehmen bei allen Jugendlichen in Deutschland zu. Vor allem in den alten Bundesländern stößt Zuwanderung auf immer mehr Zustimmung. Mit kleinen Abstrichen eine erfreuliche Entwicklung, meint Thomas Krüger, der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung:
    "Eine der Ursachen ist, dass unter jungen Leuten im schulischen Alltag Heterogenität viel stärker erlebt wird. Und hier fällt auf, dass ein latenter Rassismus, eine Fremdenfeindlichkeit in den modernsten Milieus am wenigsten ausgeprägt ist, dagegen in den traditionellen Milieus doch eher vorkommt, auch in der sogenannten bürgerlichen Mitte.
    Und was eben auch auffällt ist, dass die Vorurteile, die Stereotypen, die Klischees vor allem in den sozialkulturellen Milieus verbreitet sind, die weniger bildungserfolgreich sind."
    Ein hohes Maß an Empathie
    Die Bundeszentrale für politische Bildung hat zusammen mit Partnern wie der deutschen Kinder- und Jugendstiftung und dem Bund der deutschen Katholischen Jugend die Studie in Auftrag gegeben. In langen Einzelinterviews sind fast 80 Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren zu verschiedenen Themen befragt worden. Über alle demografischen Gruppen hinweg sind die Jugendlichen am Thema Flucht und Asyl sehr interessiert, die weit überwiegende Mehrheit befürwortet eine weitere Aufnahme von Flüchtlingen. Emphatische und mitfühlend zeigen sich vor allem Jugendliche aus bildungsnahen Lebenswelten:
    "Vor allem unter den Jugendlichen ist die Meinung verbreitet, dass man so vielen Leuten helfen sollte wie möglich, die ein bisschen an die Hand nehmen sollte, denen die deutsche Kultur näher bringen sollte, dass die sich eben auch schnell hier heimisch fühlen",
    sagt Cosima Gulde, Abiturientin aus dem Berliner Süden. Gerade für die Jugendlichen aus großen Städten wie Berlin ist der Umgang mit fremden Kulturen inzwischen Alltag, sagen die Gymnasiastinnen Cosima Gulde und Vivien Jahnel:
    "Für mich ist das ganz normal, denn bei uns an der Schule sind eben auch welche aus anderen Kulturen, eine meiner besten Freundinnen ist zum Beispiel Koreanerin." – "Weil wir an der Schule viele Leute haben, die so aus dem persischen Raum kommen, die sehr viel über ihre Kultur erzählt haben, die auch oft mal was zu Essen mitbringen und das dann an alle verteilen und wenn man einen Filmabend macht, dann kocht man halt."
    Nachholbedarf bei Haupt- und Berufsschulen
    Und kommt sich dabei automatisch näher. Dennoch kommt im Unterricht das Thema Diversität eindeutig zu kurz, meint Thomas Krüger. Besonders bei Jugendlichen an Haupt- oder Berufsschulen, wo Vorbehalte verbreiteter sind, müsse zielgruppengenau reagiert werden.
    "Das kann ich nicht machen, mit Publikationen, mit Büchern, mit Frontalunterricht. Sondern in den sozialkulturellen Milieus hat man die Erfahrung gesammelt vor allem mit 'peer education' voranzukommen.
    Das heißt man muss sich glaubwürdige Multiplikatoren in diesen Kontexten suchen und mit denen dann über die verschiedenen Kanäle, die dann auch nachgefragt werden, Social Media spielt eine starke Rolle, Fernsehen spielt eine starke Rolle, versuchen genau diese fremdenfeindliche stereotype aufzubrechen, infrage zu stellen und eben zu verändern."
    Mehr über Flüchtlinge im Unterricht sprechen
    Aber auch Vivien Jahnel wünscht sich im Unterricht etwas mehr zum Thema Flucht und Asyl:
    "In Religion ist es vor allem so, dass man Vergleiche sich anschaut, vor allem Unterschiede und Gemeinsamkeiten, dass man sieht, dass sich die Religionen doch teilweise auch ähneln. In Erdkunde wurde das kurz mal angesprochen, wie viele jetzt kommen und wie viele das Land jetzt aufnehmen kann, also auf aktuelle Situationen, das finde ich immer gut. Auch mit dem Krieg, die Gründe, Ursachen, warum der überhaupt entstand. Da könnte noch mehr kommen, auf jeden Fall."
    In den meisten Berliner Schulen gibt es inzwischen Willkommensklassen für Flüchtlinge, sodass hier auch Erfahrungen im direkten Miteinander gesammelt und Vorurteile abgebaut werden können. Die überwiegende Zahl der befragten Jugendlichen der Studie haben allerdings gar keinen persönlichen Kontakt zu Flüchtlingen.