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Sport mit Publikum in der Coronakrise
Studie macht Hoffnung für die Zukunft

Bis Ende November ist bei Ligaspielen im Fußball, Handball, Basketball und Eishockey kein Publikum mehr zugelassen. Und danach? Das Forschungsprojekt "Restart 19" macht Hoffnung, dass Veranstaltungen mit Publikum auch in Zeiten von Corona möglich sind - unter bestimmten Voraussetzungen.

Von Heinz Peter Kreuzer | 31.10.2020
Das leere Stadion des FC St. Pauli am 19.10.2020.
Das leere Stadion des FC St. Pauli am 19.10.2020. (www.imago-images.de)
"Ich glaube, das ist eine Überreaktion." (Frank Steffel, CDU)
"Ich bin nicht sehr glücklich damit." (Dagmar Freitag, SPD)
"Ich halte es für einen ganz schweren Fehler." (André Hahn, die Linke)
"Das ist eine Katastrophe für den Sport." (Britta Dassler, FDP)
Parteiübergreifend reagierten die Mitglieder des Bundestags-Sportausschusses mit Unverständnis auf die Entscheidung der Bundesregierung und der Ministerpräsidenten, keine Zuschauer im Profisport mehr zuzulassen. Für eine weitere Öffnung des Profisports trotz steigender Infektionszahlen sprach sich Britta Dassler von der FDP aus:
"Ich denke schon, man hätte ein wenig mehr mit Weitsicht und Augenmaß rangehen müssen. Es ist ja nirgends etwas passiert."
Forscher: Sport und Kultur könnten große Hallen füllen - trotz Corona
Die sportpolitischen Vertreter der Bundestagsfraktionen sind schon auf Seiten des Profisports. Als Argumentationshilfe für zukünftige Diskussionen können nun die Ergebnisse des Forschungsprojektes "Restart 19" dienen. Die Wissenschaftler der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg kommen zu dem Schluss, dass Sport- und Kulturveranstaltungen auch in Zeiten der Pandemie große Hallen füllen könnten. Studienleiter Stefan Moritz, der Leiter der Klinischen Infektiologie am Universitätsklinikum Halle:
"Wahrscheinlich ist es im Alltag deutlich wahrscheinlicher, dass sie sich infizieren. Denn der Vorteil an so einer organisierten Veranstaltung ist ja, dass man ein konkretes Hygienekonzept machen kann. Und wir fixieren die Abstände zu den anderen Teilnehmern. Wir lassen alle Masken aufsetzen, und wir würden auch empfehlen, wirklich Hygienestewards einzusetzen. Eben Leute, die ständig überwachen, dass alle die Masken aufhaben da drin. Und dann halte ich so eine Veranstaltung für sehr sicher."
Grundlage für die Studie war ein Konzert-Experiment im Sommer in der Arena Leipzig mit Tim Bendzko. Dabei wurden von den rund 1400 freiwilligen Teilnehmern riesige Datenmengen erhoben. Stefan Moritz fasst die Ergebnisse zusammen:
Spezielle Lüftungsanlagen als Grundlage
"Das Wesentliche ist: Die Veranstaltungsstätte braucht eine ordentliche Lüftung, das ist die Grundlage. Ohne das muss man gar nicht drüber reden. Und das Zweite ist, man braucht ein Hygienekonzept, und dieses Hygienekonzept muss Abstände zwischen den Teilnehmern adressieren. Und es muss die kritischen Bereiche Einlass, Pause und Auslass adressieren. Um hier keine zusätzlichen Kontakt zu erzeugen."
Zusätzliche Daten zu den Erkenntnissen des Bendzko-Konzerts haben die Forscher mit einer Computersimulation erhoben. Bei der Simulation wurde den Flug der Aerosole nachvollzogen. Dabei hat sich gezeigt: Eine falsche Lüftung kann das Ansteckungsrisiko um ein Vielfaches erhöhen und alle anderen Maßnahmen zunichtemachen. Moritz fordert deshalb von Bund und Ländern, ein Investitionsprogramm aufzulegen, um Veranstaltungsstätten mit entsprechender Lüftungstechnik nachzurüsten. Denn die Pandemie sei nicht in ein paar Monaten vorbei. Sachsens-Anhalts Wirtschaftsminister Armin Willingmann sieht darin kein Problem:
"Ich darf Ihnen sagen, während wir jetzt schon in der Lage sind, solche Einbauten zu finanzieren, weil sie im Rahmen der Überbrückungshilfe-Programme für jene interessant sind, die ganz erhebliche Umsatzeinbußen haben, werde ich mich dafür einsetzen, dass wir generell zu einem Programm kommen, das es ermöglicht, solche Investitionen zu unterstützen."
Hygienekonzept, mehrere Eingänge, wenig Kontakte
Neben der Lüftungstechnik sei laut Moritz ein Hygienekonzept zwingend notwendig. Deshalb müssen mehr Eingänge zum Veranstaltungsort geschaffen werden. Im Pausenbereich sollen die Kurzzeitkontakte reduziert werden, indem Essen und Getränke auf den Sitzplätzen verzehrt werden. Diese Handlungsempfehlungen basieren auf dem Szenario drei der Studie. Dabei wird ein Viertel der Zuschauerkapazität zugelassen. Bei den Szenarien eins und zwei, also ausverkaufter Arena beziehungsweise die Hälfte der Hallenkapazität, war die Zahl der Kontakte zu hoch. Für Karsten Günther, Geschäftsführer des Handball-Bundesligisten SC DHfK Leipzig und Mitinitiator der Studie, sind die Ergebnisse des Projekts ein Hoffnungsschimmer:
"Dann werden wir mit dem Wissen der Studie und den faktischen Erfahrungen, dir wir bisher gesammelt haben, den intensiven Dialog mit unseren politischen Entscheidungsträgern suchen und streiten und kämpfen, dass wir möglichst bald mit diesem Einstiegsszenario von 25 Prozent wieder loslegen dürfen."