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Studie über Steuern
Die Einnahmen werden einbrechen - und dann?

Im Jahr 2035 wird der Fiskus rund 18 Milliarden Euro weniger Steuern zur Verfügung haben als heute – das hat das Institut der deutschen Wirtschaft in einer Simulation ermittelt. Ein Demografiefonds könnte eine Lösung sein, um das Loch zu stopfen. Das ist aber eine politische Entscheidung.

Von Thomas Weinert | 12.10.2016
    Eine Figur eines älteren Mannes sitzt auf einer Euro-Münze.
    Der demografische Wandel in Deutschland wird in Zukunft Steuerlücken verursachen. (imago / Becker&Bredel)
    Das Institut der deutschen Wirtschaft IW berät die Politik – heute kam dieser Rat aus der finanzpolitischen Ecke und er war deutlich. Die Überschrift: "Chronik eines angekündigten Steuereinbruchs!" Hubertus Bardt ist der Geschäftsführer des IW und er hat seine Mannschaft bisher bekannte und zukünftig angenommene volkswirtschaftliche Daten in einem Mikrosimulationsmodell durch die Rechner laufen lassen. Insbesondere ging es um die demografische Entwicklung und die Steuereinnahmen.
    Die stete Zunahme von Erwerbstätigen auf mehr als 44 Millionen Menschen im Jahr 2024 scheint die Finanzpolitiker in Sicherheit zu wiegen, drei Milliarden Euro werden dann in die Staatskassen gespült, doch dann kommt der Bruch, die Zahl der Einwohner wird mittelfristig um 700.000 schrumpfen. Vorsorge ist gefragt, so Bardt:
    "Wenn man selber weiß, dass man in Rente geht, dann ist man ganz froh, wenn man noch was auf der Seite hat, um sich Sachen leisten zu können. Und eigentlich gehen die öffentlichen Haushalte perspektivisch in Rente Mitte der 20er Jahre."
    Politik ist gefordert Rücklagen zu bilden
    Im Jahre 2035 hat der Fiskus – in heutigen Preisen gerechnet – rund 18 Milliarden Euro weniger im Jahr an Einnahmen aus der Lohn- und Einkommensteuer zur Verfügung als heute. Die Politik sollte daher aus den aktuellen Haushaltsüberschüssen Rücklagen für jene Jahre bilden, in denen der demografische Wandel voll zuschlägt. Hubertus Bardt nennt als Vorbild die Finanzpolitik in Norwegen, bei der das Zurücklegen von Geldern aus der Ölförderung sogar Verfassungsrang bekommen hat.
    Entsprechend bringt das IW einen sogenannten Demografiefonds in die Diskussion. Tobias Hentze, Wirtschaftswissenschaftler beim IW, hat aus seiner Studie den Schluss gezogen, dass der kurze Blick in der Finanzpolitik, das finanzpolitische Handeln in Deutschland immer weniger krisenfest macht:
    "Die Politik gibt im laufenden Haushalt das aus, was da ist. Man orientiert sich derzeit an der schwarzen Null, auch die Länder orientieren sich an der Schuldenbremse, das heißt, es wird immer das ausgegeben, was da ist und die Idee hier ist es ja zu sagen, wir müssen einen Teil zurücklegen, weil wir heute schon wissen, dass wir in 20 Jahren dauerhaft jedes Jahr diese 18 Milliarden weniger zur Verfügung haben."
    Auseinandersetzung als erster Schritt
    Also jetzt Geld einzahlen, das später fehlen wird und diesen Fonds am besten auch schützen vor dem Zugriff zukünftiger Kämmerer und Finanzminister, damit eben nicht das geschieht, was derzeit bei den Pensionsfonds der Beamten zu beobachten ist, aus dem bereits lustig Haushaltslöcher gestopft werden. Allerdings, so Hentze, könnten mit einem solchen Instrument nur Spitzen abgefedert werden:
    "Es geht jetzt nicht darum zu sagen, der ganze demografische Wandel könnte mit einem Demografiefonds finanziert werden, das ist hier nicht die Botschaft, aber sich einfach mal damit auseinanderzusetzen und sich darauf einzustellen, das ist hier der Ansatz und da hätten wir es schon lieber, dass auch die Pensionsfonds mehr bedient werden, die Zufuhren etwas höher sind, als sie derzeit sind und nicht zurückgeführt werden und entsprechend würden wir uns das hier auch bei einem Demografiefonds vorstellen, aber es kann nur darum gehen, Spitzen im Übergang abzufedern und auch noch andere Dinge gleichzeitig zu tun."
    Weitere Gegenmaßnahme: Steuern erhöhen
    Glücklicherweise gibt es noch andere Instrumente, die der Staat zur Verfügung hat, um gegenzusteuern, die einfachste ist: Steuern erhöhen. Die Politik kann aber auch rechtzeitig die Beschäftigungsquote nach oben treiben, zum Beispiel die Lebensarbeitszeiten flexibler gestalten, Migranten konsequenter in den Arbeitsmarkt bringen oder die Beschäftigungsquote von Frauen weiter erhöhen.
    Außerdem wurde in der Studie das anzunehmende Produktivitätswachstum der nächsten Jahre nicht berücksichtigt. Wohl, um die Komplexität der heute vorgelegten Studie zu begrenzen, aber vielleicht auch, um die Warnung an die Politik noch deutlicher ausfallen zu lassen: Es ist Zeit zu handeln und Geld zurückzulegen!