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Studie zur Grundsteuerreform
"Grundsteuer ist kein sozialpolitisches Instrument"

Für die Kommunen ist sie eine wichtige Einnahmequelle: die Grundsteuer. Bis Ende 2019 muss sie reformiert werden. Kai Warnecke, Präsident des Eigentümerverbands Haus & Grund, plädiert im Dlf für ein "marktunabhängiges Modell", das die Fläche von Boden und Immobilie berücksichtigt, nicht aber den Wert.

Kai Warnecke im Gespräch mit Silke Hahne | 17.09.2018
    Wohnhäuser in Düsseldorf
    Was soll besteuert werden - allein die Größe oder auch der Wert eines Grundstücks? (imago / Hans Blossey)
    Silke Hahne: Was muss die Steuer denn, Herr Warnecke, laut Ihres Verbandes oder nach der Meinung Ihres Verbandes leisten?
    Kai Warnecke: Die Grundsteuer ist eine wesentliche Finanzierung für alle Kommunen. Das heißt, diese Steuer muss langfristig und dauerhaft und sicher erhoben werden können, denn die Menschen, die in den Städten und Gemeinden leben, wollen natürlich eine vernünftige Infrastruktur von ihrer Kommune bekommen. Sie muss auf der anderen Seite aber auch einfach und gerecht erhoben werden können, so dass alle Bürger angemessen an dem Grundsteueraufkommen beteiligt werden.
    Hahne: Heißt in der Konsequenz?
    Warnecke: Wir befürworten, nachdem wir die verschiedenen Modelle betrachtet haben, ein marktunabhängiges Modell. Das heißt, ein Anknüpfen an der Fläche des Grundstücks und der Fläche der Immobilie als Basis für die Grundsteuererhebung. Das bedeutet dann relativ einfach: Wer ein großes Grundstück, eine große Wohnung hat, bezahlt mehr Grundsteuer als derjenige, der ein kleines Grundstück oder eine kleine Wohnung hat.
    Hahne: Heißt aber auch, Mehrfamilienhäuser würden benachteiligt.
    Warnecke: Bei alledem, was wir sehen, ist das nicht der Fall, denn es kommt bei der Frage, wer wird benachteiligt, natürlich darauf an, was ist die Alternative. Die gehandelten Alternativen sind vor allen Dingen Vorschläge, die an den Wert des Objektes anknüpfen. Das würde bedeuten, dass Mehrfamilienhäuser dann stärker belastet werden, wenn sie in den bekannten umkämpften Gebieten liegen, in Großstädten, wo viele Mieter eine Wohnung suchen. Hier haben wir hohe Preise bei den Grundstücken und dort wäre es bei einem Modell, das an den Wert anknüpft, für Mehrfamilienhäuser teurer als bei dem Vorschlag, den wir haben.
    Steuerbelastung steigt dort, wo Grundstückswerte veraltet sind
    Hahne: Jetzt geht Ihre Berechnung von einer sogenannten aufkommensneutralen Neuregelung aus. Auch der Bundesfinanzminister strebt das an. Heißt, am Ende ist es in der Summe ein Nullsummenspiel. Das heißt, es wird umverteilt. In dem Modell, was Sie nun favorisieren, zu wessen Gunsten und Ungunsten wird denn da dann umverteilt?
    Warnecke: Was man, glaube ich, klar sagen kann – und das ist völlig unabhängig davon, welches neue Modell kommt: Die größten Unterschiede – das hat ja auch das Bundesverfassungsgericht zum Maßstab gemacht – bestehen zwischen denen, die einen Einheitswertbescheid vor 60, 70 oder gar 80 Jahren zuletzt bekommen haben, und denen, die einen solchen in den letzten Jahren bekommen haben. Das heißt, es wird definitiv dazu kommen, dass einige in Zukunft mehr bezahlen, und das werden vor allen Dingen (und zwar völlig losgelöst von dem neuen Modell) diejenigen sein, die eine Bewertung vor langer, langer Zeit das letzte Mal erlebt haben.
    Hahne: Das heißt, man kann jetzt nicht sagen, Mehrfamilienhäuser in den Städten werden ent- oder belastet durch so ein Modell, wie Sie das vorschlagen, denn in den Städten ist ja der Wohnungsraum besonders knapp?
    Warnecke: Man kann nicht sagen, dass es in spezifischen Gegenden klar zu einer Ent- oder Belastung kommt, wenn man zum Beispiel das marktunabhängige Modell nimmt, weil es ja immer im Verhältnis zur derzeitigen Grundsteuer ist. Was man sagen kann, wenn man ein marktunabhängiges Modell, ein flächenbezogenes Modell einführt, dass die Spreizungen am geringsten sind und damit eine möglichst faire flächendeckende Neubesteuerung eingeführt wird.
    Wertebasierte Besteuerung sei aufwendig und teuer
    Hahne: Nun gibt es ja lokale Gutachter-Ausschüsse, die alle zwei Jahre lokale Bodenrichtwerte berechnen. Mehr als tausend Gutachter-Ausschüsse sind das. Es gibt auch Daten für eine sogenannte Bodenwertsteuer. Was spricht denn Ihrer Meinung nach dagegen, denn das würde ja diejenigen, die es sich leisten können, stärker belasten?
    Warnecke: Bei einem Wertbezug spricht zunächst einmal dagegen, dass die Erhebung extrem teuer wäre, selbst wenn die Gutachter-Ausschüsse vorhanden sind. Bisher sind die tausend Gutachter-Ausschüsse in Deutschland nicht miteinander vernetzt. Das heißt, wir haben die Situation, dass die Bewertung im südlichen Sachsen eine völlig andere ist als in Niedersachsen, Berlin oder Köln. Hier müssten wir natürlich, um darauf eine Steuer erheben zu können, zunächst einmal einheitliche Grundlagen schaffen. Das würde viel Zeit in Anspruch nehmen. Zum anderen würde bei einer Bewertung alle fünf oder sechs Jahre – das fordert das Bundesverfassungsgericht – eine Neubewertung erforderlich sein. Wir gehen bei konservativen Berechnungen davon aus, dass in diesen Fällen bei regelmäßiger Neubewertung zwischen 10 und 25 Prozent des gesamten Steueraufkommens nur für die Finanzverwaltung und die Erhebung draufgehen würden, und das halten wir für unangemessen. Wenn man 100 Euro Grundsteuer bezahlt, sollte der Kommune, wenn möglich, 95, 96 Euro auch zur Verfügung stehen und nicht nur 75 Euro, weil der Rest für die Finanzbeamten draufgeht.
    Hahne: Muss man sich vielleicht auch ein bisschen von dem Gedanken verabschieden, dass die Grundsteuer als sozialpolitisches Instrument geeignet ist?
    Warnecke: Die Grundsteuer ist definitiv kein sozialpolitisches Instrument. Das knüpft immer an den Gedanken an, in einem großen Haus würden reiche Leute wohnen, in einem kleinen Haus arme Leute. Aber wir sehen – das weiß, glaube ich, jeder selbst, der sich in seiner Nachbarschaft umguckt, ob das nun ein Einfamilienhaus ist oder ein Mehrfamilienhaus -, in den Häusern wohnt zum Glück gemischtes Publikum. Das bedeutet, in einem Haus mag in einer Wohnung von 100 Quadratmetern eine Witwe wohnen, die dort seit 70 Jahren wohnt, aber nur noch eine kleine Witwenrente bezieht; in dem Haus mag auch ein alleinstehender Zahnarzt wohnen, der ein großes Einkommen hat; da mag aber auch eine junge Familie drin wohnen, die gerade so über die Runden kommt. Völlig gleichgültig, ob nun als Mieter oder selbstnutzender Eigentümer, sie alle bekämen denselben Grundsteuerbescheid, und das macht doch eigentlich ganz klar und deutlich, dass die Grundsteuer, anknüpfend an die Tatsache, dass alle dieselbe Wohnungsgröße haben, nicht dazu geeignet ist, sozialpolitische Maßnahmen durchzuführen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.