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Studienabschlüsse
Bund muss Zugang zum Master gesetzlich garantieren

Die doppelten Abiturjahrgänge der G8-Reform haben bereits für einen Andrang bei der Studienplatzvergabe gesorgt. Dieser könnte weiter gehen, denn die meisten Studierenden wollen nach dem Bachelor einen Masterstudienplatz.

Von Anja Braun | 19.11.2013
    "Also spätestens im dritten Semester oder so hab ich gewusst, ich will danach noch weiterstudieren. Was wusste ich noch nicht, aber dass ich weiterstudieren wollte, das wusste ich auf jeden Fall."
    Wie der Heidelberger Bachelorabsolventin Veronika Hölker, geht es Umfragen zufolge 80 Prozent aller Studierenden: Sie wollen den Masterabschluss. Mindestens.
    Damit ist die ursprüngliche Idee der Bologna-Reform, dass sich nach dem Bachelorabschluss jeder 2. Studierende wieder von der Hochschule verabschiedet und in der Wirtschaft Karriere macht, gescheitert. Der Deutsche Gewerkschaftsbund fürchtet, dass in den kommenden Jahren - wenn die Absolventen der doppelten Abiturjahrgänge ihren Bachelor beenden, zu wenige Masterstudienplätze zur Verfügung stehen. Elke Hannack, stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, fordert:
    "Dafür muss der Bund den Zugang zum Master gesetzlich garantieren. Das heißt, auch wir wollen, dass jeder und jede, der den Master anschließen möchte, auch Gelegenheit dazubekommt. Das erfordert dann auch eine neue Justierung des Finanzbedarfs des Hochschulpakts für Studienplätze."
    Dabei wurde der Hochschulpakt zur Finanzierung von Studienplätzen erst im Juni 2013 aufgestockt: 2,7 Milliarden Euro hat der Bund zugesagt und die Länder haben versprochen, die gleiche Summe noch einmal draufzulegen. Bis zum Jahr 2018 sollen mit dem Geld runde 300.000 Studienplätze mehr finanziert werden als ursprünglich vorgesehen. Schließlich hatten auch die Kultusminister ihre Studienanfängerprognose korrigieren müssen, da infolge der doppelten Abiturjahrgängen in mehreren Ländern und durch den Wegfall der Wehrpflicht mehr junge Menschen an die Universitäten und Hochschulen drängten als je zuvor. DGB-Vizechefin Hannack mutmaßt, dass auch die Zusatzmittel im Hochschulpakt nicht ausreichen werden, um das umfassende Interesse an den Masterstudienplätzen zu finanzieren:
    "Der Hochschulpakt kalkuliert ja jetzt mit einem Studium von acht Semestern. Ein Masterstudium, das hat mindestens zehn Semester, ist also höchstens für jeden zweiten Studierenden abgedeckt. Und die vergangenen Jahre zeigen ganz deutlich, dass die Mehrheit der Studenten einen Master anschließt und nicht, wie von den Bologna-Reformern geplant, direkt in das Berufsleben einsteigt."
    Das Geld reiche ja nicht einmal für eine anständige Finanzierung der bisher vorgesehenen Anzahl an Studienplätzen, wettert der Präsident der Hochschulrektoren, Professor Horst Hippler:
    "Also der Hochschulpakt war nie vorgesehen, um das wirklich tatsächlich zu schaffen. Da ging es um die Studieneingangsphase und im Wesentlichen um Bachelor. Man hat nur gesagt, wenn nur 50 Prozent eines Altersjahrganges weiterstudieren, müsste das wohl funktionieren. Aber das ist genau das Problem."
    Eine Modellrechnung des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) zeigt, dass die Universitäten tatsächlich mit viel mehr Bewerbern rechnen müssen als bislang angenommen. Wenn nun tatsächlich 80 Prozent der Bachelorabsolventen direkt im Master weiterstudieren, würden schon im Jahr 2016 deutschlandweit 36.000 Studienplätze fehlen, hat das Team um Gervald Herdin von CHE Consult errechnet. Doch der Studienleiter schränkt ein:
    "Wir haben da viele Unsicherheiten drin.. Es kann sein, dass einige erst arbeiten gehen und Ähnliches. Und was wir noch gelernt haben, dass einfach durch den Ausbau selbst entsteht auf einmal Nachfrage. Also das Angebot vergrößert sich und das erhöht dann die Nachfrage. Und das ist schwer vorauszusagen."
    Die Heidelberger Studentin Hölker hat einen direkten Wechsel in einen Job gleich ausgeschlossen. Denn mit der sogenannten "Berufsfähigkeit" ihres Bachelorabschlusses sei es nicht besonders weit her:
    "Aber ich seh mich da jetzt nur mit dem Bachelor nicht so gut vorbereitet- beruflich- muss ich sagen.
    Dabei war ein Ziel der Bolognareform, dass die Bachelorabsolventen nach drei Jahren Studium direkt Anschluss in einem Beruf finden sollten. Auch deswegen wurde die Studienreform als Erfolgsmodell gefeiert. Und mit dem Bachelorexamen muss der Studienweg ja längst nicht beendet sein."
    Schließlich wird gerade für die Idee geworben, das Studium für eine Berufsphase zu unterbrechen Horst Hippler, Präsident der HRK glaubt jedoch nicht daran, dass sich diese Vorstellung umsetzen lässt:
    "Ich halte das für Deutschland für völlig unwahrscheinlich. Weil die deutsche Kultur gar nicht so bestellt ist. Und die Idee, dass man drei Jahre in der Wirtschaft verbringt und dann wieder zurück an eine Hochschule geht: mit dem gewissen Risiko und dem Kapital, das einem dann eigentlich fehlt, das halt ich für Deutschland für sehr, sehr schwierig."
    Unter Bachelorstudierenden wird die Frage, ob es Sinn macht, zuerst in den Beruf einzusteigen, und dann später nochmal für den Master an die Uni zurück zu kommen, kontrovers diskutiert. In der Karriereberatung kommt das Thema durchaus zur Sprache, erklärt die Heidelberger Studienberaterin Sabine Thies, wenn auch aus einem anderen Blickwinkel:
    "Was ich bei den Studis merke oder was ne Frage ist, die die beschäftigt. Hab ich dann überhaupt noch Lust wieder an die Uni zu gegen, wenn ich jetzt erst mal zwei Jahre mich an andere Dinge gewöhnt habe."
    Der Bielefelder Hochschulforscher Gunvald Herdin rät Studierenden keine all zu lange Pause vor dem Beginn des Masterstudiums einzulegen. Derzeit könne man noch recht entspannt in den meisten Fächern einen Masterstudienplatz finden. Doch in zwei Jahren werde das ganz anders aussehen, dann würden die ersten doppelten Abiturjahrgänge in den Master drängen. Und in der Bildungspolitik gebe es bisher keine klare Zielvorstellung, wie das Mastersystem in Zukunft ausgestaltet werden soll:
    "Wenn wir das ernst nehmen mit der Bildungsrepublik Deutschland - mit dem lebenslangen Lernen- dann sollte doch jeder im Grunde, der ein Studium aufnehmen will, ein Masterstudium, doch auch einen Platz bekommen. "