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Studienabschluss in der Warteschleife

Während einige Studierende in diesem Monat ihr Studium beginnen, warten andere darauf, es endlich beenden zu können, denn: So mancher Professor an deutschen Hochschulen lässt sich viel Zeit mit der Korrektur und Benotung der Abschlussarbeit.

Von Kerstin Ruskowski | 07.10.2009
    Egal ob Magister, Diplom, Bachelor oder Master: Ohne eine Bewertung der Abschlussarbeit durch den Professor gibt es kein Zeugnis und somit auch keinen Abschluss. Und ohne Abschluss fällt es schwer, sich um einen Job zu bewerben. Doch Professoren lassen sich bei der Korrektur der Arbeiten gerne Zeit. Eine unfaire Situation, findet Tobias Rossmann vom ReferentInnenrat der Humboldt-Universität zu Berlin.

    "Studierende haben eine Arbeit abzuliefern innerhalb einer bestimmten Frist, da können sie auch verlangen, dass man sie innerhalb einer bestimmten Frist korrigiert."

    In der Regel sind solche Fristen in den Prüfungsordnungen der Fächer festgeschrieben, wenn auch ziemlich vage. So heißt es in einer Prüfungsordnung der Fernuniversität Hagen:

    "Die Note der Diplomarbeit soll den Studierenden nach spätestens acht Wochen mitgeteilt werden."
    (Diplomprüfungsordnung für den Studiengang Wirtschaftswissenschaft an der FernUniversität Hagen)

    Und an der Universität Leipzig heißt es:

    "Das Bewertungsverfahren der Masterarbeit soll eine Dauer von sechs Wochen nicht überschreiten."
    (PO für den Masterstudiengang Deutsch als Fremdsprache an der Universität Leipzig)

    Manchmal, beispielsweise an der Humboldt-Universität, steht die Frist sogar unmissverständlich in der Allgemeinen Satzung für Studien- und Prüfungsangelegenheiten (ASSP).

    Tobias Rossmann: "'Korrekturen erfolgen in der Regel innerhalb von vier Wochen' - das heißt, in der Regel, es sei denn, es gibt eine Ausnahme - 'spätestens jedoch acht Wochen nach Abgabe'. Das heißt, das ist ein Muss. Also spätestens nach acht Wochen muss die Arbeit korrigiert sein."

    Doch selbst, wenn solche Fristen unmissverständlich in Prüfungsordnungen festgeschrieben sind, heißt das nicht automatisch, dass die Professoren sich auch daran halten, meint der Berliner Rechtsanwalt und Experte für Hochschulrecht Matthias Trenczek.

    "Und was machen Sie, wenn es nach acht Wochen nicht vorliegt? Dann machen Sie als Student gar nichts, weil Sie haben zwar eigentlich einen Anspruch - ja und? Was wollen Sie machen? Zum Verwaltungsgericht gehen und sich beschweren? Na klar. Versuchen Sie mal da, irgend jemanden zu erreichen und zu fragen: Was ist mit meiner Arbeit?"

    In der Praxis kann das Warten auf die Bewertung einer Abschlussarbeit mehrere Monate dauern - in extremen Fällen sogar bis zu einem Jahr oder länger.

    Der Studentenvertreter Tobias Rossmann weiß aus Erfahrung, dass nicht bloß einzelne Studenten von dem Problem betroffen sind.

    "In der Regel kommen pro Semester in etwa 15 bis 20 Leute zu uns, die sechs Monate oder mehr auf ihre Arbeit warten."

    Angesichts der etwa 4.000 Studenten, die die HU pro Studienjahr mit einem Abschluss verlassen, scheint diese Zahl fast verschwindend gering zu sein. Und Uwe Jens Nagel, Vizepräsident für Studium und Internationales, erfährt offenbar nur von einem Bruchteil der Fälle.

    "Selbst wenn es ein Prozent aller Arbeiten wäre, dann wären das 50 - das sind aber nicht 50 Beschwerden, die ich im Jahr bekomme. Sondern ich höre von zwei oder drei."

    Doch Tobias Rossmann vom ReferentInnenrat gibt zu bedenken:

    "Na ja, die Zahl der Beschwerden, die es dann gibt, dahinter steht ja 'ne sehr viel größere Dunkelziffer von den Leuten, die sich nicht trauen, zum Prüfungsausschuss zu gehen, weil sie davon ausgehen, dass das eventuell einen negativen Einfluss auf ihre Note hat."

    An der Universität Leipzig gibt es einen Professor aus dem Fachbereich der Kommunikations- und Medienwissenschaften, der Prüflingen sogar ganz offen sagt, dass er für die Korrektur der Abschlussarbeit etwa ein Jahr lang braucht. Anne von der Gönne hat bei eben diesem Professor im Februar 2008 ihre Magisterarbeit abgeben - und wartet noch heute auf die Bewertung.

    "Ich hatte eigentlich immer nur Vorteile davon, indem ich zwar diese 90 Euro Semestergebühr bezahlen musste, aber eben dann auch alle entsprechenden Vorteile genossen habe. Ich hab einfach weiter freischaffend gearbeitet und deswegen hat das jetzt für mich gar keinen großen Einfluss gehabt negativ."

    Doch das ist nicht der Normalfall. Denn wer alle Examensprüfungen hinter sich gebracht hat, möchte sich ja in der Regel um einen Job bewerben. Doch ohne Abschlussnote ist eine solche Bewerbung ziemlich aussichtslos.

    Dass Studierende ein Recht darauf haben, schnellstmöglich die Note ihrer Abschlussarbeit zu erfahren - das findet auch Gerhard Lampe, Professor für Medienwissenschaften an der Universität Halle-Wittenberg.

    "Das ist schließlich unser Beruf, dass wir uns auch an diese Fristen halten. Das gehört zur Betreuung, finde ich, letztlich."

    Im Ernstfall eine schnelle Benotung zu erzwingen ist praktisch unmöglich, sagt der Rechtsanwalt Matthias Trenczek.
    "Dann mailen Sie dem Professor oder der einstigen Lehrkraft und sagen 'Sehr geehrte Frau, sehr geehrter ... wo ist meine ...?' Ja, gut. Und wenn die nicht da sind, sind die nicht da. Das ist doch das Problem. Also, na klar: Die Hochschulen versuchen das zu ordnen, aber sie haben überhaupt keine ernsthaften Möglichkeiten, die Leute zu zwingen."

    Und so fällt auch die Aussage von Professor Nagel eher schwammig aus.

    "Das soll gelöst werden und wird gelöst werden in Form von Festlegung von Zeiten. Das wird im Konsens zwischen den Fächern und den Studierenden geschehen. Es müsste flexibel sein, denke ich."

    Der Vertreter der Studentenschaft, Tobias Rossmann, hält von einer solchen Lösung nichts:

    "Flexible Regelungen sind Blödsinn in diesem Fall, weil die Universität dann immer argumentieren kann, dass jetzt ein besonderer Missstand dann vorlag. Und die Studierenden haben dann keine Möglichkeit die Prüfungs- oder die Korrekturzeiten einzuklagen."

    Die Frage nach den Möglichkeiten und Wegen, eine Überschreitung der Korrekturzeit zu unterbinden, bleibt also - zum Leidwesen der Studenten. Die Erfolgsaussichten einer Dienstaufsichtsbeschwerde bewertet auch der Vizepräsident der HU, Professor Nagel, als ziemlich schlecht.

    "Gehen Sie mal davon aus, dass wenn so eine formale Geschichte passieren würde, das so lange dauert, bis das überhaupt entschieden wird, dass derjenige, der das angestrengt hat, nichts mehr davon hat."