Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

Studienfinanzierung
Schieflage beim Deutschlandstipendium

"Bildung, Wissenschaft und Forschung sind Kernanliegen der Koalition" - so steht es im Vertrag von Union und SPD. Eine BAFöG-Erhöhung für bedürftige Studierende gibt es allerdings nicht. Dafür wird das heftig kritisierte Deutschlandstipendium weiterhin gefördert.

Von Susanne Arlt | 23.12.2013
    "Es erleichtert einfach das Studium. Man kann entspannter, sorgenfreier studieren, weil man sich nicht so viele Gedanken machen muss, wie viel man arbeiten muss, um genügend Geld zum Studium zur Verfügung zu haben."
    Laura Leidl, 22 Jahre alt, studiert Rechtswissenschaft an der Humboldt-Universität Berlin.
    "Ich bekomme monatlich mein Geld. Ich muss meine Leistungen halten, wenn ich möchte, dass das Stipendium verlängert wird. Und ansonsten habe ich keine Verpflichtungen."
    Daniel Zechlin, 25 Jahre alt, studiert Mathematik und Physik auf Lehramt an der HU. Er und Laura Leidl haben in diesem Jahr vom Deutschlandstipendium profitiert. Unabhängig vom eigenen Einkommen erhalten sie monatlich 300 Euro. Chancen auf solch ein Stipendium haben nur die besten Studierenden. Weitere Kriterien gebe es aber keine, sagt Daniel Zechlin. Zumindest habe sein Förderer, die Bayerstiftung, keine Wünsche oder gar Bedingungen an sein Stipendium geknüpft.
    "Also durch das Deutschlandstipendium würde ich sagen, bin ich so gut wie in keiner Abhängigkeit. Ich muss meinem Stifter nicht irgendwelche Arbeiten oder ähnliches, was bei manchen Stipendien ja der Fall ist, geben. Ich muss eigentlich dem nichts präsentieren."
    Im Fall von Laura Leidl ist es die Silberschlag-Stiftung, die ihr die Hälfte der Fördersumme zur Verfügung stellt. Auch sie habe keinen weiteren Kontakt zu ihrem Stifter, der selber Jurist sei, sagt sie. Die 300 Euro versucht die 22-Jährige, sinnvoll zu nutzen.
    "Man kann sich mehr aufs Lernen konzentrieren, mehr Zeit ins Lernen investieren und so auch bessere Ergebnisse erzielen."
    Trotz dieser positiven Erfahrungen bleibt das Förderungsprogramm politisch umstritten. Zu einseitig, lautete das eine Argument. Drei von vier Stipendien würden in den Ingenieurwissenschaften, im Fach Mathematik, in den Naturwissenschaften sowie den Wirtschafts- und Rechtswissenschaften vergeben, moniert Matthias Anbuhl. Der Bildungsexperte des Deutschen Gewerkschaftsbundes sitzt im Beirat des Deutschlandstipendiums.
    "Das heißt, der gesamte Bereich der Sozialwissenschaften ist völlig unterrepräsentiert. Wir haben hier eine Schieflage, das muss man sagen."
    Eine Schieflage, die sich aber nicht regulieren lässt, weil es den Stiftern frei steht, wen sie fördern oder an sich binden wollen. Ändern kann man dagegen den gesetzlichen Passus, dass die Stifter bei der Auswahl der Stipendiaten anwesend sein dürfen und eine beratende Stimme haben. Das Deutschlandstipendium, kritisiert Anbuhl, werde schließlich mit Steuermitteln gefördert und der Förderer könne die Summe auch noch steuerlich absetzen.
    "Ich halte diesen Passus für lebensfern, denn in dem Moment, wo ein Förderer bei der Auswahl mit dabei sitzt in der Kommission, wird er mit Einfluss nehmen, ob er am Ende die Hand hebt oder nicht."
    Die weitere Kritik am Deutschlandstipendium: zu unsozial. Nicht einmal zehn Prozent BAföG-Empfänger seien unter den Stipendiaten, sagt Anbuhl. Und die jüngste Sozialerhebung des deutschen Studentenwerkes habe ergeben, dass nur 23 Prozent der Studierenden aus Nichtakademikerfamilien kämen. Das seien zu wenig, sagt der Bildungsexperte. Abhilfe schaffe da nur das BAföG, das zentrale Instrument der Studienfinanzierung. Die Bedarfssätze dafür will die neue schwarz-rote Koalition aber vorerst nicht erhöhen. Weder Laura Leidl noch Daniel Zechlin sind finanziell abhängig vom Deutschlandstipendium. Die Jurastudentin wird von ihren Eltern unterstützt, jobbt nebenbei in einer Kanzlei. Mit dem Stipendium im Rücken habe sie die Freiheit, ihrem Arbeitgeber auch mal abzusagen. Vor den Klausuren jobbe sie zum Beispiel gar nicht mehr. Vorher sei das nicht möglich gewesen, sagt Laura Leidl.
    "Gerade im Jurastudium muss man ja doch sehr viel lernen. Und ich hatte Phasen, wenn ich dann vor den Klausuren wirklich jeden Tag viel machen muss und dann zu sagen, ich lerne dann, wenn ich es brauche. Und nicht dann noch zweimal die Woche noch irgendwo arbeiten zu müssen, das ist eine große Entlastung, weil man diesen Zeitdruck auch gar nicht hat."
    Auch Daniel Zechlin ist nicht zwingend auf das Geld vom Deutschlandstipendium angewiesen. Aber es habe ihm neue Perspektiven eröffnet, sagt er. Kritik hin oder her - Daniel Zechlin und Laura Leidl hoffen jetzt auf eine Verlängerung ihres Deutschlandstipendiums.