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Studienplatzvergabe
Wieder Probleme bei „hochschulstart.de“

Hochschulstart.de, das zentrale Vergabeportal für Studienplätze, war in dieser Woche erneut tagelang offline. "Was ist da los?", fragen sich nicht nur Menschen, die wissen wollen, ob und wo sie im Oktober studieren werden. Es drohen rechtliche Probleme und für die angehenden Studierenden jede Menge Unklarheit.

Von Philip Banse | 04.09.2020
Studierende der Wirtschafts-Wissenschaften sitzen in Kassel unter Wahrung der Abstandsregel in einem Hörsaal und warten auf den Beginn der Klausur.
Rund 2,2 Millionen Bewerberinnen und Bewerber sollen sich um einen Studienplatz für das kommende Wintersemester beworben haben. Das System brach daraufhin zusammen. (picture-alliance / dpa / Uwe Zucchi)
Michel Wicke aus Wismar ist 18 Jahre und möchte Politik studieren. Seine Bewerbung hat er bei Hochschulstart.de eingereicht. Seitdem schaut er dort regelmäßig rein, um kein Studienplatzangebot zu verpassen und sich vielleicht auch rechtzeitig auf Wohnungssuche machen zu können. Doch die Studienplatzvergabe auf Hochschulstart.de war jetzt tagelang offline:
"Zum ersten Mal gab es am 29.8. ein Problem – oder Wartungsarbeiten. Aber selbst die – die sollten ja von 10 bis 16 Uhr dauern – dauerten bis spät in die Nacht. Und da hatte ich mir schon gedacht: Hm, so ganz wie geplant läuft das wohl nicht."
Veraltete Software - mit Wartung kaum zu retten
In der Tat. Die Software, die bei Hochschulstart.de die Bewerbungen, priorisiert, Angebote macht und Studienplätze vergibt, ist mit ein bisschen Wartung nicht zu retten. Das weiß auch Oliver Herrmann, Geschäftsführer Stiftung für Hochschulzulassung und damit verantwortlich für das Pannenportal Hochschulstart.de:
"Das ist nichts Neues. Die IT-Software, mit der wir arbeiten müssen, ist veraltet. Es gibt ein klares Gutachten, das sagt, dass die Software nicht mehr Stand der Technik ist, dass die Software schwer wartbar ist und dass das Ende des Lebenszyklus erreicht ist."
Deswegen hat Herrmann bei den Bundesländern Millionen beantragt, um neue Software kaufen zu können. Die Kultusministerkonferenz teilt per E-Mail nur mit: Den Ländern sei bekannt, dass das System überarbeitet werden muss; sie hätten "bereits dazu weitere Schritte veranlasst".
Anzahl der Wintersemester-Studierenden könnte Software überlasten
Hochschulstart-Chef Herrmann sagt, die aktuellen Ausfälle hingen vor allem damit zusammen, dass das Bundverfassungsgericht die Vergabe von Medizinstudienplätzen völlig umgekrempelt hat. Dafür musste unter hohem Zeitdruck an die alte Software neue Software rangeklöppelt werden. Die Vergabe der Studienplätze fürs Sommersemester habe damit einigermaßen funktioniert, sagt Hochschulstart-Chef Herrmann. Fürs Sommersemester wurden allerdings 300.000 Plätze vergeben.
Im Wintersemester sind es aber immer wesentlich mehr: Aktuell über zwei Millionen, sieben Mal so viel wie im Sommer. Er habe gedacht, das System würde das aushalten, sagt Herrmann:
"Aber sie haben Recht. Zum jetzigen Zeitpunkt haben wir jetzt feststellen müssen, dass wir von der Datenbank nicht das Know-how haben, um das völlig störungsfrei abwickeln zu können."
Eine Studentin liegt mit Ihrem Kopf auf einem Arbeitsheft.
Studienplatzvergabe - "Von den kostbaren Plätzen soll keiner frei bleiben"
Jedes Semester bleiben Tausende Studienplätze unbesetzt. Ein Serviceverfahren sollte diese Schwierigkeiten beheben. Es gebe aber noch Probleme bei der Anpassung der Software, sagte die Stiftung für Hochschulzulassung im Dlf.
Am Wochenende werde das System noch mal vom Netz gehen, dann solle es aber laufen. Bis jedoch eine neue Software entwickelt und installiert sei können Jahre vergehen. Wird das veraltete System bis dahin je rund laufen?
Geschäftsführer stehen in der Kritik
Torsten Preuss, hat sechs Jahre bei Hochschulstart.de gearbeitet, heute leitet er das Studierenden-Sekretariat der Uni Köln.
"Im Grunde genommen, erwarte ich nicht, dass es in den nächsten Jahren wirklich läuft, denn dazu müssten erstmal grundsätzliche strukturelle Entscheidungen getroffen werden, die auch die Organisationsform der gesamten Stiftung betreffen. Solange das nicht passiert und so lange auch Teilbereiche der Stiftung nicht zusammenarbeiten, wird natürlich die Software nicht so nutzbar sein, dass Bewerber und Hochschulen etwas davon haben."
Preuß sagt, die inhaltlich Verantwortlichen in Dortmund würden mit der IT Abteilung in Berlin kaum oder nur sehr umständlich kommunizieren. Die Stiftung dagegen schreibt es gäbe eine "organisierte Form des Anforderungsmanagements", die Leitung sei damit sehr zufrieden. Der ehemalige Hochschulstart-Mann Preuss erwähnt, die Probleme der Plattform lägen auch daran, dass sich die beiden Geschäftsführer Oliver Hermann und der für IT verantwortliche Peter Pepper bekämpften:
"Herr Herrmann versucht schon seit einem Jahr, Herrn Pepper aus der Stiftung rauszudrängen und Herr Pepper versucht dasselbe mit Herrn Herrmann."
Bei Hochschulstart hört sich das anders an: Die Geschäftsführer schätzen ihre Kompetenzen, Aussage entbehre "jeglicher Grundlage".
Bewerberinnen fühlen sich schlecht informiert
In den Sozialen Medien klagen viele, dass sie von Hochschulstart schlecht informiert würden. Hochschulstart habe keinen Social Media Account und werde in nächster Zeit auch keinen einrichten, sagt Geschäftsführer Herrmann, dafür fehlten die Ressourcen.
Studienplatzsuchende würden aber keine Probleme wegen irgendwelcher Fristen bekomme. Torsten Preuss von der Uni Köln sieht dennoch rechtliche Probleme und verweist auf dieses Szenario: Während Hochschulstart.de offline war, wurden weiter Studienplatzangebote berechnet. Dabei dürfte es vorgekommen sein, dass ein Studienplatzbewerber ein Zulassungsangebot bekommen hat von einer Uni, die er auf mittlere Priorität gesetzt hatte – was er aber nicht sehen konnte weil der Dienst ja offline ist.
Potenzial für Einschreibklagen
Kurz darauf könnte das System dann ein weiteres Studienplatzangebot geliefert haben von einer Uni mit höherer Priorität des Suchenden – Daraufhin wird das vorige Angebot gelöscht. Das ist so vorgesehen, aber der Studienplatzsuchende hat mindestens ein Angebot nicht gesehen und konnte es nicht wahrnehmen, sagt Torsten Preuss von der Uni Köln:
"Da ist definitiv noch keine Rechtssicherheit. Da wird es Potenzial für Studienplatz- und Einschreibklagen geben."