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"Studieren ab 16"

Schülerinnen und Schüler, die sich in der Schule nicht ganz ausgelastet fühlen, können dank dieses Programms schon während ihrer Schulzeit an der TU Berlin reguläre Lehrveranstaltungen besuchen und dort auch Scheine machen.

Von Katja Bigalke | 03.09.2010
    Seit 2006 haben knapp 500 Berliner und Brandenburger Schüler von dieser Möglichkeit profitiert. Jede zweite Berliner Oberschule, die zum Abitur führt, hat damit schon einmal Teilnehmer für Studieren ab 16" gestellt. Gestern wurde das Programm in Berlin neuen Interessierten vorgestellt.

    "Ratschlag Nummer 1: Selbstbewusstsein hilft!", zweiter Ratschlag: Vergleichen macht unglücklich ..."

    42 Ratschläge will der Mathematikprofessor Günter Ziegler den neuen potenziellen Schülerstudenten mit auf den Weg geben: Über "Kritisch sein" bis hin zu, "besuch die Sprechstunden" ist eigentlich alles mit dabei, was man an der Uni gut gebrauchen kann. Dass Ziegler es am Ende dann aber doch bei 21 Ratschlägen belässt, hat sicher nicht nur mathematische Gründe, sondern auch damit zu tun, dass wohl die Mehrheit des Publikums gar nicht so viele Ratschläge braucht.

    Es sind Schüler zwischen 15 und 18, die meisten von Ihnen mit einem Notendurchschnitt zwischen eins und zwei. Das ist zwar nicht Voraussetzung fürs Schülerstudium, aber wer sich so anspruchsvolles Programm zutraut, hat meist solche Leistungen vorzuweisen meint Studienberaterin und Projektleiterin Claudia Cifire:

    ""Die sind auf jeden Fall überdurchschnittliche leistungsbereit. Die müssen nicht hochbegabt sein. Aber die haben eben Spaß daran, Neues in Ihren Kopf zu bekommen. Man muss so gut sein, dass man den Unterrichtsausfall der kommt, weil die Lehrveranstaltungen so liegen, wie sie liegen - auch vormittags - mitzumachen, um seine Studienzeit dann später verkürzen zu können."

    Denn wer während des Schülerstudiums Scheine machen will, kann sich diese später - sollte er bei seinem Fach bleiben und seine Note für gut genug erachten - anerkennen lassen. Schüler, die von ihrer Schule eine Genehmigung bekommen, den Unterricht ausfallen zu lassen, um zu studieren, haben an der TU Berlin die Möglichkeit zwischen 60 verschiedenen Lehrveranstaltungen zu wählen. So gibt es zum Beispiel Analysis I oder Lineare Algebra für Mathematiker. Die Schüler können die Grundlagen der Biologie für Lebensmittelchemiker kennenlernen, oder etwa den Kurs "Halbleiterbauelemente" belegen. Aber meist wählen sie ein 6-Semesterwochenstunden-Modul in einem Fach, das sie schon kennen:

    "Stark nachgefragt ist alles, was einen Bezug zur Schule hat. Mathe, Physik, Chemie, Informatik, da greifen sie gerne zu. So Dinge wie Mechanik oder Konstruktionslehre, da gibt es mehr Vorbehalte, weil da ist man in der Schule nicht so in Berührung gekommen, aber auch das findet seine Liebhaber."

    Und auch Liebhaberinnen. Während die normalen Studierenden der Technischen Universität nur mit 34 Prozent Frauenanteil aufwarten können, sind die Schülerstudenten immerhin zu 40 Prozent weiblich. Sophie Spirkl gehört mit zu denen, die zur guten Quote beitragen. Sie ist 17 Jahre alt, studiert seit zwei Jahren Teilzeit Mathematik und hat – obwohl das Prüfungenabsolvieren ausdrücklich freiwillig ist - mittlerweile vier Scheine in der Tasche. Für Sophie ist das längst normaler Alltag - Studium und Schule parallel:

    "Wenn ich Semester habe, ist es eigentlich so, dass ich an ein paar Tagen in der Woche zur Uni gehe und zur Schule meist danach oder davor. Und sonst ändert das nicht viel. Ich beschäftige mich halt mit den Uniaufgaben, aber das kann ich auch in der Schule machen: In den Freistunden oder in der Pause."

    Sophie kommt gut voran. Ihre letzte mündliche Prüfung in Topologie hat sie mit Eins bestanden. Wenn sie jetzt im letzten Abiturjahr noch zwei weitere Scheine macht, hat sie schon ein Jahr ihres künftigen Studiums gespart. Bei Lukas Richter geht es jetzt schon los damit. Der 17-jährige, der schon in der Schule zwei Klassen übersprang, hat gerade Abitur gemacht und von den 180 Creditpoints, die er für den Bachelor in Mathematik braucht, schon 70 zusammen. Als er mit 15 Jahren anfangen konnte, parallel zu studieren, war das für ihn eine echte Bereicherung seines Alltags:

    "War halt nicht so spannend in der Schule, deswegen bin ich dann hierher."

    Jemand, der Lukas' Haltung nur zu gut nachvollziehen kann, ist einer seiner jetzigen Professoren. Auch Günter Ziegler ging es nie schnell genug. Der Mathematiker, der 1995, als 32-Jähriger jüngster Professor der TU wurde, hält nicht viel davon, Studium von Alter oder Abitur abhängig zu machen:

    "Ich weiß genau, dass Hochschulreife und Studierfähigkeit nicht dasselbe ist, wie ein Abi zu haben. Ich kenne Studenten in hohen Semestern, die ausgesprochen kindisch sind, und ich kenne Schüler, die ausgesprochen erwachsen sind und Spaß haben am Studieren und im klassischen Sinne studierfähig sind und das auch mit großem Erfolg machen können, und da hab ich jetzt Beispiele gesehen."

    Und die sollen auch belohnt werden.

    "Herzlichen Glückwunsch!"

    Für ihre exzellenten Leistungen im Schülerstudium überreicht Ziegler Sophie und Lukas an diesem Tag einen kleinen Preis in Form eines Büchergutscheins.