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Studieren in Afrika
Ein Kontinent sucht Problemlöser

Viele junge Afrikaner, die es zu etwas bringen wollen, verlassen ihren Kontinent und gehen nach Europa oder Nordamerika. Aber den afrikanischen Staaten ist inzwischen klar geworden, dass es so nicht weitergeht. Auf einer Konferenz in den USA haben Forscher und Entscheidungsträger diskutiert, wie sich die Hochschulausbildung in Afrika verbessern lässt.

Von Brigitte Osterath | 14.03.2016
    Um Afrika zukunftsfähiger zu machen, braucht es vor allem eins: eine exzellente Wissenschaftslandschaft mit hervorragend ausgebildeten Hochschulabsolventen, sagt Thierry Zomahoun, gebürtig aus dem westafrikanischen Staat Benin:
    "Wenn Afrika weiter wachsen und sich entwickeln will, muss es in einheimische Technik- und Wissenschaftsexperten investieren, in junge Menschen, die die Qualifikationen haben, Unternehmen zu gründen und in der Industrie und im Privatsektor zu arbeiten."
    Thierry Zomahoun ist Präsident von AIMS, dem African Institute for Mathematical Sciences. Diese Initiative hat seit 2003 bereits fünf Hochschulen gegründet, in Südafrika, Senegal, Ghana, Kamerun und Tansania. Ein sechstes Institut in Ruanda entsteht gerade. Die AIMS-Hochschulen bieten Masterstudiengänge und Doktorarbeiten in Mathematik und den Naturwissenschaften an. Exzellente Köpfe sollen hier forschen und sich innerhalb der AIMS-Institute über ganz Afrika vernetzen.
    "Wir wollen, dass junge Afrikaner die Probleme Afrikas angehen können, denen auch die restliche Welt gegenüber steht: Energie, Sicherheit, Infrastruktur. Junge Afrikaner sollen eine Quelle für Lösungen sein - und nicht eine Quelle von Ärger."
    AIMS will seine Absolventen darauf vorbereiten, Afrika umzukrempeln - von einem Entwicklungsland zu einem aufstrebenden Kontinent mit florierender Wirtschaft. Die Wissenschaft in Afrika soll stärker werden, damit die Staaten ihre Probleme selbst lösen können. Einer Studie der Weltbank zufolge stammen derzeit gerade mal 0,2 Prozent aller naturwissenschaftlichen Veröffentlichungen aus Afrika - das soll sich ändern.
    Dabei geht es den Instituten nicht nur darum, Wissen zu vermitteln. Die Studierenden sollen auch Selbstvertrauen und Eigeninitiative erwerben. Das komme in vielen afrikanischen Schulen und Hochschulen zu kurz, sagt Zomahoun.
    "Wenn Studierende an unsere Institute kommen, denken sie, es sei dort so, wie sie es kennen: Der Mathematikdozent ist Superman oder Superwoman, der das gesamte Wissen in sich vereint. Sie haben großen Respekt vor ihm. Respekt ist gut, aber nicht, wenn er an Passivität grenzt. Das akzeptieren wir bei AIMS nicht. Wir wollen, dass die Studierenden mit dem Dozenten proaktiv interagieren - indem sie ihn herausfordern."
    Das heißt: Forschungsergebnisse auch mal hinterfragen und offen sagen, wenn man anderer Meinung ist. Aissa Wade, Mathematikprofessorin bei AIMS in Senegal, schätzt diesen offenen Umgang miteinander - und dass sie so viel Zeit mit ihren Studierenden verbringen kann.
    "Wir sehen uns rund um die Uhr, wir frühstücken zusammen, essen zu Mittag und zu Abend. Die Studierenden und die Dozenten wohnen auf dem Campus. Diese Atmosphäre macht die Studierenden so produktiv."
    Die Mathematikerin musste damals nach ihrem Master ihr Heimatland Senegal verlassen, um ihre Doktorarbeit in Frankreich zu absolvieren. Dank AIMS müsste sie heutzutage nicht mehr auswandern, sagt sie. Aber natürlich ist nicht alles perfekt. Jedes der fünf AIMS-Institute erhält eine Million US-Dollar pro Jahr für Forschung und Lehre - nicht gerade viel.
    "Die Studierenden verlangen nach mehr. Einige wollen gerne mit einem Laptop arbeiten, haben selbst aber keinen. Es mangelt uns einfach an finanziellen Mitteln."
    Harte Arbeit und Disziplin könnten fehlendes Geld aber wieder wettmachen, sagt Aissa Wade.
    Ende des Jahres wird AIMS 1.000 Absolventen ausgebildet haben. Die meisten haben gute Stellen gefunden oder Unternehmen gegründet - nicht im Ausland, sondern in Afrika selbst.