Freitag, 29. März 2024

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Studieren in der Pandemie
Corona-Probleme und der Semesterbeginn

Lehre ist an Hochschulen in der Pandemie nur noch eingeschränkt möglich. Die Zufriedenheit der Studierenden mit den Angeboten der Unis sinkt, Einsamkeit, fehlende Motivation und Konzentration werden zum Problem. Doch im beginnenden Wintersemester gibt es auch positive Ansätze.

Von Ludger Fittkau | 19.10.2020
Leerer Hörsaal, Stuhlreihen
So nicht mehr: Nicht wenige Hochschullehrer und -lehrinnen finden, dass die deutschen Unis ihre Präsenzlehre unter Corona-Bedingungen deutlich ausweiten könnten (unplash.com / Nathan Dumlao)
Campus Westend der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Über das fast menschenleere Gelände weht ein kühler Herbstwind. Die Masterstudentin Maren ist eine der wenigen Personen, die vor dem Campus-Hauptgebäude anzutreffen ist.
"Es ist schon auch ein bisschen gruselig auf so einem leeren Campus zu sein. Es ist einfach nicht das Gleiche. Man vermisst schon einfach die ganzen Leute hier."
Kaum persönliche Begegnungen
Auch den Professorinnen und Professoren geht es nicht anders. Etwa Tanja Brühl, die vor genau einem Jahr vom Campus Westend in Frankfurt am Main ins benachbarte Darmstadt wechselte, weil sie an der dortigen Technischen Universität zur Präsidentin gewählt wurde:
"Ja, ich vermisse wie alle anderen auch die persönlichen Begegnungen. Es kommt noch dazu, dass ich mein Amt hier an der TU Darmstadt als Präsidentin im Oktober angetreten habe. Das heißt, es gibt sogar einige Kolleginnen und Kollegen, die kenne ich nur als kleine Kachel in einer Videokonferenz und weiß gar nicht, ob die klein oder groß sind, dick oder dünn und wie ihre Stimme außerhalb des Computers sich anhört."
Lehre an den Hochschulen - "Durch diese Krise einen digitalen Durchbruch geschaffen"
Durch die Coronakrise im Frühjahr habe man innerhalb weniger Wochen geschafft, was sonst fünf Jahre gedauert hätte: die Umstellung auf die digitale Lehre, sagte Martin Wortmann, Präsident der Rheinischen Fachhochschule Köln, im Dlf. Auch nach Ende der Krise werde man diese Instrumente im Uni-Betrieb weiter nutzen.
Wunsch nach Normalität
Ida und Sigrid Brandt stehen auf dem Campus in Frankfurt am Main vor einem Infoschild mit einem Gebäudeplan. Die meisten Uni-Institute sind wegen der Corona-Pandemie geschlossen. Die 18-Jährige Ida will hier ab dem 2. November mit einem Psychologiestudium beginnen:
"Ja, es ist halt ein bisschen ungewohnt komisch, dass man zum Beispiel sich vorher nicht was angucken kann. Und es sind halt solche Befürchtungen, dass relativ wenige Seminare da stattfinden. Ich komme eigentlich aus dem Ruhrgebiet und komme hier neu hin. Deshalb kenne ich noch nicht wirklich Leute hier. Es wäre schön, wenn hier halt auch Veranstaltungen stattfinden, damit ich einfach Leute kennenlernen kann."
Ida stammt aus dem Kreis Unna. Ihre Mutter Sigrid hat Sie nach Frankfurt am Main begleitet. Auch Sie fragt sich, ob ihre Tochter hier als Erstsemester unter Corona-Bedingungen wirklich gut aufgehoben ist, wenn die meisten Vorlesungen und Seminare nur Online stattfinden werden, um Corona-Infektionen auf dem Universitätsgelände zu vermeiden.
"Sie ist gerade mal 18. Eigentlich ist der Wunsch, hier zur Normalität überzugehen, dass wirklich alles am 2. November hier vor Ort auch stattfinden kann."
"Nur etwa 15 Prozent der normalen Raumkapazität"
Doch diese Hoffnung wird sich nicht erfüllen. Die Goethe-Universität Frankfurt am Main gehört mit knapp 50.000 Studierenden zu den größten deutschen Hochschulen. Um kein Corona-Hotspot zu werden, wird die Universität auch im Wintersemester nur einen Bruchteil ihrer Studierenden auf den Campus lassen. Viele kleine Seminarräume bleiben mindestens bis Sommer 2021 weiterhin geschlossen. Universitätspräsidentin Birgitta Wolff:
"Was wir im Moment einfach machen müssen, notgedrungen: Wir fahren den digitalen Anteil sehr viel stärker hoch, weil wir aufgrund der Abstandsregeln nur etwa 15 Prozent der normalen Raumkapazität einplanen können."
Schülerinnen und Schüler, einer davon mit einer Schutzmaske, bearbeiten Informatikaufgaben.
Karrierestart und COVID-19 - "Wir werden alle unsere Corona-Lücke im Lebenslauf haben"
Weniger Ausbildungsplätze, keine Praktika und das Auslandsjahr ist oft auch nicht möglich. Für Schülerinnen und Schüler, die in diesem Sommer ihren Abschluss gemacht haben, verläuft der Karrierestart oftmals holprig. Katrin Busch-Holfelder riet im Dlf trotzdem zu Gelassenheit.
15 Prozent, das sind immerhin rund 7.000 Studierende, die ab November wieder auf den Campus kommen sollen. Das begrüßt auch die hessische Wissenschaftsministerin Angela Dorn von den Grünen. Auch wenn sie gleichzeitig zur Vorsicht mahnt. Die alte Universitätsstadt Marburg gehört zu ihrem Wahlkreis:
"Ich komme aus Marburg. Ich vermisse die Studierenden. Die prägen unser Bild, die prägen unser Leben. Dieses Klima drum rum, bis hin in der Kneipe, dass man mit dem einen oder anderen Mal diskutiert und eine ganz andere Sichtweise kennenlernt, all das fehlt einfach gerade. Und deswegen bin ich froh, dass wir behutsam Schritte machen. Aber es ist auch klar: Unter Corona-Bedingungen. Hochschulen sind komplett andere Räume, vielmehr Massen an Personen, die sich da bewegen. Und insofern wird noch viel digital stattfinden. Wir haben ja auch eine Menge gelernt und eine Menge läuft ja auch wirklich gut. Aber es ist auch klar, dass man da jetzt sehr vorsichtig sein muss."
Fokus auf Erstsemester
Dennoch: Die Universität Marburg öffnet im Wintersemester die Gebäude noch deutlich weiter als die Universität Frankfurt am Main und andere südhessische Hochschulen. Rund ein Viertel der Studierenden wird wohl ab November wieder an Präsenzveranstaltungen teilnehmen. Der Grund: In Marburg und Umgebung können viele Studierende mit dem Fahrrad zur Hochschule kommen, verstopfte Busse und Bahnen vor Vorlesungsbeginn wie im Rhein-Main-Gebiet sind in Mittelhessen seltener. Die hessische Wissenschaftsministerin Angela Dorn will, dass die partielle Öffnung der Hochschulgebäude im gesamten Land vor allem den Erst- und Zweitsemestern zu Gute kommt:
"Und die Erstsemester und teilweise auch die Zweitsemester sind ja diejenigen, das muss man sich vorstellen, die waren noch nie an einer Hochschule, kommen dann möglicherweise in ein Digitalsemester hinein, haben noch nie eine Hochschule von innen gesehen und müssen dann irgendwie Kontakt knüpfen. Es ist ja ohnehin schon so, dass die Erstsemester häufig erst mal auch einfach Orientierungsschwierigkeiten haben. Ist ja auch etwas komplett anderes als die Schule. Wenn man glücklicherweise nicht aus einem Akademiker-Hintergrund kommt, ist es besonders schwer. Und deswegen haben wir den Fokus auf die gesetzt."
Schwierige Situation für internationale Studierende
Sowie auf die Situation der ausländischen Studentinnen und Studenten. Viele, die in Deutschland studieren wollen, kommen zurzeit aufgrund der Reisebeschränkungen nur schwierig ins Land. Andere, wie Vanita, eine indische Studentin der Materialwissenschaften an der Technischen Universität Darmstadt, kommen seit Monaten kaum aus dem Uni-Labor raus, in dem sie für ihre Masterarbeit forschen. Der menschenleere Campus mit der geschlossenen Mensa macht ihren pakistanischen Laborkollegen Ali Muhamad Malik und sie ein wenig einsam, erklärt Vanita bei einer Kaffeepause vor dem Laborgebäude:
"Wir haben einfach die Angst, in Kontakt mit einer infizierten Person zu kommen. Wir passen schon auf, aber die Angst steckt noch in uns. Es ist eine neue Normalität. Vielleicht wird das nächste Semester auch nur digital sein. Ich weiß es nicht."
Ein Teil der internationalen Studierenden sei bereits zu Beginn der ersten Corona-Phase im März in ihr Heimatland zurückgekehrt. Und bisher seien viele noch nicht wieder zurück nach Darmstadt gekommen, so Universitäts-Präsidentin Tanja Brühl:
"Andere sind sehr bewusst geblieben, weil die Situation hier im Vergleich zu ihrem Heimatland besser war. Die Studierenden sind mit dem International Office im Kontakt. Gleichwohl ist all das, was normalerweise ja auch ein studentisches Leben ausmacht - man geht nach dem Seminar vielleicht auch noch mal einen Kaffee oder etwas anderes trinken - das ist alles weggebrochen. Und ich fürchte, dass diejenigen, die bisher noch nicht so gute Kontakte hatten, weil sie gerade angekommen sind oder vielleicht auch noch Probleme hatten mit den Sprachen. Ich fürchte, dass die Folgen für sie noch schwerwiegender, noch schwerwiegender sind als – in Anführungsstrichen – für unsere normalen Studierenden."
33D-Modell des Coronavirus SARS-CoV2
Gezielte Unterstützung
An der benachbarten Goethe-Universität in Frankfurt am Main werden ausländische Studenten, die sich trotz der Pandemie wieder zum Studium nach Deutschland trauen, aktuell besonders unterstützt. Schon deswegen, weil viele nach der Einreise aus Risikogebieten erst einmal in Quarantäne müssen, wie die Frankfurter Universitätspräsidentin Birgitta Wolff berichtet:
"Zum Beispiel durch diese Präsenzbescheinigung, wie wir die genannt haben, die es ja zunächst brauchte, damit man überhaupt ein Visum bekam. Und wir haben zusätzlich jetzt auch noch ein spezielles Buddy-Programm gemacht. Das heißt `HI Buddy-Programm´- HI für Home Isolation. Wo eben gezielt internationale Studis, die bei ihrer Einreise zunächst mal in Quarantäne gehen müssen, irgendwie dann auch ein bisschen betreut werden, damit ihnen nicht gleich in der Quarantäne schon die Decke auf den Kopf fällt. Also wir versuchen zu tun, was wir können und da helfen auch ganz viele auch andere Studierende. Und ich glaube, das ist auch etwas, was wirklich positiv daran ist. Man merkt schon die große Hilfsbereitschaft und das Verständnis auch. Und nur so geht's."
Die hessische Wissenschaftsministerin Angela Dorn von den Grünen lobt die schwarz-rote Bundesregierung. Sie habe einen wichtigen Beitrag geleistet, um den ausländischen Studenten mit kurzfristig gültigen Visa die Reisen nach Deutschland zu erleichtern:
"Das Visa-Thema, das wurde jetzt Gott sei Dank gelöst vonseiten der Bundesregierung. Da haben wir uns als Wissenschaftsminister im Hintergrund sehr dafür eingesetzt, dass es da Verbesserungen gibt, weil tatsächlich einige Studierende für kurze Phasen entsprechend kommen, ansonsten das digital machen."
Die hessische Wissenschaftsministerin Angela Dorn (Bündnis 90/Die Grünen)
Die hessische Wissenschaftsministerin Angela Dorn (Bündnis 90/Die Grünen) (picture alliance/Uwe Zucchi/dpa)
Technische Grenzen
"Es gibt eine Menge verschiedene Formate, die die Hochschulen entsprechend voranbringen. Selbstverständlich merken wir auch die technischen Grenzen. Wir mussten ja jetzt innerhalb ganz kurzer Zeit Plattformen auf den Weg bringen. Serverkapazitäten schaffen. Und selbstverständlich sind wir da noch nicht an dem Punkt, wo wir alle miteinander zufrieden sein können. Es hängt übrigens teilweise auch an der Frage von Rechten und Lizenzen, die am Ende auch wesentlich wären gerade für die Bibliotheken. Auch da gibt es sehr enge Absprachen zwischen den Wissenschaftsministern der Länder und des Bundes, um hier weiter voranzukommen."
Eine weitere gute Nachricht für die zu erwartenden mehreren hunderttausend Erstsemester: Die seit langem bestehenden technischen Probleme mit der bundesweiten Zulassungsplattform "Hochschutstart.de" sind zwar nicht ausgeräumt, doch Corona-bedingte Zeitverzögerungen bei der zentralen Vergabe von Studienplätzen seien inzwischen weitgehend abgearbeitet, sagt Universitäts-Präsidentin Birgitta Wolff:
"Es gab ja in einigen Bundesländern deutliche Verzögerungen bei den Abiturprüfungen, und deswegen musste die Zentrale Vergabe von Studienplätzen auch auf die Zeitpläne der Bundesländer angepasst werden. Und das ist der Hauptgrund dafür, dass die Bundesländer sich auch darauf geeinigt haben, dass offiziell der Vorlesungsbetrieb in diesem Wintersemester nicht zum 1. Oktober, sondern erst am 2. November losgeht, damit man möglichst vielen Studierenden einen einheitlichen Einstieg in das Studium ermöglicht."
Videokonferenzen – kein Ersatz für Präsenzveranstaltungen
Alfred Nordmann ist Philosophie-Professor in Darmstadt, hat lange in den USA gelehrt und pflegt nach wie vor viele internationale Wissenschaftskontakte. Er vergleicht die Corona-Politik der deutschen Universitäten mit dem, was im Ausland geschieht. Er meint, dass die deutschen Hochschulen ihre Präsenzlehre unter Corona-Bedingungen noch deutlich ausweiten könnten. Studierende brauchen die kritische Reflektion unter Anwesenden, so Nordmann:
"Studieren an einer Universität ist eben nicht dasselbe wie in einer Schule zu sitzen und einen Stoff aufzunehmen und zu verarbeiten. Letzteres geht ganz gut auch per Video. Also ich kann natürlich meine Vorlesungen per Video halten und kriege dann auch ein bisschen Feedback. Und das läuft auch alles irgendwie ganz gut. Es ist nichts unmöglich. Aber letztlich brauchen doch die Studierenden dann die Möglichkeit, auch hinter dem Rücken der Professoren und Professorinnen, sich auszutauschen, ihre eigenen Wege zu suchen. Die Relevanz auch natürlich dessen, was da präsentiert wird, zu hinterfragen."
Ganz ähnlich sehen das die hessische Wissenschaftsministerin Angela Dorn von den Grünen und die Frankfurter Masterstudentin Maren. Videokonferenzsysteme wie "Zoom" seien kein Ersatz für die Präsenzveranstaltungen:
"Am Ende braucht die Hochschule den Diskurs, braucht die Wissenschaft den Diskurs, brauchen die Studierenden den Diskurs. Und auch, wenn es interdisziplinär sein soll, zwischen Fachrichtungen, was gerade die Wissenschaft auch sehr stark ausmacht, dass man über den Tellerrand hinausschaut, sich gegenseitig befruchtet. All das klappt am Ende nur, wenn man sich auch irgendwie sehen kann."
Eine Frau sitzt mit Atemschutzmaske vor ihrem Laptop.
Ein Großteil der Studierenden in Deutschland vermisst den Campus. Videokonferenzen können die direkte Interaktion nicht ersetzen. (Unsplash / Engin Akyurt)
"Die Interaktion ist sehr, sehr wichtig. Und auch in den Seminaren. Das ist nicht das Gleiche per Zoom die Seminare abzuhalten. Es ist natürlich toll, dass es als Möglichkeit da war, also, dass man da weitermachen konnte zu studieren. Aber es ist trotzdem nicht die gleiche Lern- und Diskussionskultur, wenn man nicht in einem Raum ist. Also deswegen, ich glaube, das hoffen wirklich die meisten Studierenden, mit denen ich jetzt auch spreche, hoffen, dass das wieder in irgendeiner Weise zurückkommt."
Einsamkeit, Motivations- und Konzentrationsprobleme nehmen zu
In Deutschland vermissen laut einer Studie der Universität Hildesheim 90 Prozent der Studierenden ihre Studien-Kolleginnen und Kollegen auf dem Campus. Eine weitere aktuelle Umfrage des Stifterverbandes für die deutsche Wissenschaft unter 11.000 Studentinnen und Studenten ergab: Unter Corona-Bedingungen ist die Zufriedenheit mit der Lehre von 85 Prozent im Wintersemester auf 51 Prozent gesunken. Einsamkeit, Motivations- und Konzentrationsprobleme haben zugenommen.
20.04.2020, Bochum, Ruhrgebiet, Nordrhein-Westfalen, Deutschland - RUB, Ruhr-Universitaet Bochum, in Zeiten der Coronapandemie. Bochum Nordrhein-Westfalen Deutschland *** 20 04 2020, Bochum, Ruhr Area, North Rhine-Westphalia, Germany RUB, Ruhr University Bochum, in times of corona pandemic Bochum North Rhine-Westphalia Germany
Überbrückungshilfe für Studierende - Viele Anträge werden abgelehnt
Ein Großteil der Anträge Studierender auf Nothilfe in der Coronakrise werden abgelehnt. Die Jusohochschulgruppe und einige Politiker fordern ein vereinfachtes Verfahren und bundesweit einheitliche Standards. Andere halten dagegen, dass die Not vieler Studierender bereits vor Corona bestanden habe.
In vielen Studiengängen sind Präsenzveranstaltungen für den Lernfortschritt elementar. Besonders in praktischen Fächern, sagt die Frankfurter Medizinstudentin Anna:
"Da ist bei uns im Studiengang besonders wichtig, weil ich studiere Medizin. Und das ist vor allem für den Anatomie-Präparier-Kurs ganz wichtig, dass wir zum Beispiel auch wieder an den Leichen sein können. Und da sind wir glaube ich alle froh, dass es sich wieder untermischt auch, dass die Leute eventuell wieder den Zusammenhalt stärken. Ich bin eigentlich ziemlich positiv eingestellt."
Rund 60 Prozent der Studierenden seien mit den digitalen Angeboten durchaus zufrieden gewesen, die nach dem Lockdown im März in Windeseile aus dem Boden gestampft wurden. Das ergab die Studie der Universität Hildesheim. Dies bestätigt auch Medizinstudentin Anna:
"Ich muss sagen, ich bin eigentlich positiv überrascht wie schnell das Ganze eigentlich umgesprungen ist und wie gut alle mitgearbeitet haben. Weil ich meine, das ist für jeden nicht einfach. Aber eigentlich hat es das Dekanat super hingekriegt, online auf jeden Fall aufzustocken. Im Gegensatz zu dem, wie es vorher war."
Positive Resonanz auf digitale Angebote
Diese positive Resonanz eines Teils der Studierenden spornt die Rhein-Main-Universitäten Frankfurt am Main, Mainz und Darmstadt – kurz RMU – an, das Studium vom heimischen PC aus nun noch einmal massiv auszuweiten. Die drei Universitäten öffnen ihr digitales Studienangebot ab sofort auch für die Studierenden aus den Nachbaruniversitäten. Birgitta Wolff, Präsidentin der Goethe-Uni Frankfurt am Main will dabei die Erfahrungen des ersten Corona-Online-Semesters nutzen:
"Insofern ist jetzt ein guter Zeitpunkt, das RMU-Studium einzuführen, weil wir alle gelernt haben, dass standortverteilte Lehrveranstaltungen eigentlich gehen. Wir haben da bis letztes Jahr ganz viele Gründe gehört, warum das alles nicht geht und viele von den Gründen sind jetzt, und das mag jetzt ein bisschen zynisch klingen, aber doch auch zu unserem Vorteil, einfach mal zerschossen worden. Und wir sehen es geht."
Synergien erzeugen
An der benachbarten TU Darmstadt haben sich bis Mitte Oktober schon deutlich mehr als 100 Studierende aus Nachbarunis für Online-Seminare oder Vorlesungen eingeschrieben. Der Darmstädter Uni-Vizepräsident Heribert Warzecha glaubt: Mit dem gemeinsamen Studium werden die Rhein-Main-Universitäten mit zusammen 100.000 Studierenden langsam zusammenwachsen:
"Das ist ja das Ziel, Synergie zu erzeugen. Das heißt, wir haben drei große Universitäten mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Und ich muss mich nicht wirklich einschränken, sondern ich kann zum Beispiel, wenn ich jetzt nach Darmstadt gucke, Darmstadt ist besonders stark in den technischen Fachrichtungen, dass Studierende aus Mainz oder Frankfurt sagen, das hat mich schon immer interessiert. Das will ich mir gerne anhören. Das gibt es aber bei mir nicht. Und umgekehrt gibt es in Mainz und Frankfurt Veranstaltungen, die Darmstädter Studierende interessieren und damit wächst man natürlich zusammen."
Bibliotheken – zentrale Lernorte
Zu den wichtigsten Räumen, die künftig noch mehr Studierende aus den Nachbaruniversitäten nutzen sollen, gehören die Bibliotheken. Sie sind für viele Universitäts-Angehörige zentrale Lernorte. In der Pandemie sind sie nur beschränkt nutzbar. An der Universität Marburg wird beispielsweise nur jeder dritte Sitzplatz in den Lesesälen benutzt – die anderen bleiben frei, damit der Corona-Abstand gewahrt ist. Auf dem Campus zu lernen, ist für viele Studierende besser als zu Hause am Bildschirm, beobachtet die Frankfurter Master-Studentin Maren:
"Ja, es ist schwieriger sich zu konzentrieren. Den meisten geht das so, mit denen ich gesprochen habe, dass es einfach schwierig ist, sich über längere Zeit zu konzentrieren, wenn man nur den Bildschirm vor sich hat und dass man auch irgendwie gehemmter ist zu sprechen, weil es so eine starke Plattform ist. Und deswegen also, das ist schon nicht die gleiche Art zu diskutieren."
Die Hemmungen, zu sprechen, entstünden auch deshalb, weil man im Videokonferenzsystem auf einer kleinen Bildkachel meist auch sich selbst sieht, sagt Maren.
"Man fühlt sich so ein bisschen ausgestellt und ich habe auch von vielen gehört, dass es schwierig ist, weil man sich immer selbst hier anguckt. Und dann ist man so auch bedachter darauf glaube ich, dass man dann nichts Blödes sagt oder so, wenn man noch mehr das Gefühl hat, man ist ins Zentrum gerückt, wenn man spricht. Man sieht sich selber und das ist so ein ganz, ganz komisches Bewusstwerden des eigenen Ichs."
"Motivation geht vielleicht ein bisschen flöten durch diese Online-Kurse. Da bin ich vielleicht ein gutes Beispiel. Dann hat man schon ein Problem mit der Zeit. Also, da bräuchte man schon jemanden, der noch immer so ein bisschen sagt: Ja, jetzt wird auch die Aufgabe gemacht, wie sieht es aus? Und das fehlt halt schon, ja."
Fehlende Praktikumsplätze
…sagt eine Studentin der TU Darmstadt. Dazu kommt: Viele Studentinnen und Studenten finden in Corona-Zeiten auch nicht die Praktikumsplätze, die sie für ihr Studium dringend brauchen. Maren, die in Frankfurt am Main im Studiengang "Curatorial Studies" zur Ausstellungsmacherin ausgebildet wird, braucht etwa dringend Praktika im Museum:
"Es ist schwieriger, auf jeden Fall. Wir hatten am Anfang natürlich das Problem, dass wir nicht in die Museen konnten, haben uns zwar Online mit Kurator*innen et cetera getroffen, aber das ist natürlich noch viel weniger das Gleiche, ob man da vor Ort ist oder nicht. Und deswegen war jetzt für uns die Situation schon sehr viel besser, nachdem man wieder hin konnte mit Maske etc. Aber natürlich sind das auch Einschränkungen, die ins Studium mit reinfließen, die praktischen Sachen, die eigentlich gegeben werden in unserem Studiengang und die eben es sehr erschweren teilweise zu studieren und auch Praktika zu bekommen etc."
Zwei Schüler schreiben auf ihrem Notitzblock. Vor ihnen steht ein aufgeklappter Laptop.
Corona-Projekt in Niedersachsen - Studierende helfen beim Onlineunterricht
Die COVID-19-Pandemie zwingt auch Lehramtsstudierende ins Homeoffice. Eine Initiative aus Niedersachsen setzt sie nun gezielt dazu ein, an Schulen den Onlineunterricht zu unterstützen. Das Lernen via Internet soll mehr als nur eine Notlösung sein.
Dennoch hoffen die Universitäten, dass bei den Erst- oder Zweitsemestern keine bleibenden Bildungsdefizite aufgrund der Corona-Semester entstehen. Klar ist: Das Wintersemester wird unter Corona-Bedingungen kein einfaches gerade für neuimmatrikulierten Studenten. Es drohen Momente der Einsamkeit und endlose Sitzungen vor Bildschirmen mit Menschen, die digital auf Briefmarkengröße reduziert sind. Schließlich kommen womöglich noch Geldprobleme dazu, wenn die Nebenjobs zum Beispiel in der Gastronomie fehlen. Der Lichtblick: Viele Hochschulen sind entschlossen, wenigstens ein Viertel der Studentinnen und Studenten wieder leibhaftig auf dem Campus zu begrüßen – wenn das Virus es zulässt.