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Studieren und bleiben - oder gehen

Deutschland ist für ausländische Studierende überwiegend attraktiv. Aber entgegen der landläufigen Meinung kommt die Mehrheit der Lernwilligen nicht, um nach dem Studium zu bleiben.

Von Jürgen König | 19.04.2012
    Die immer wieder zu hörende Vermutung, die internationalen Studierenden würden ihre Ausbildung nur als Sprungbrett für eine dauerhafte Zuwanderung benutzen, wird von der Studie widerlegt. Die meisten wollen ein oder zwei Jahre im Studienland arbeiten, um sich beruflich weiter zu entwickeln - private, familiäre Gründe sind deutlich weniger wichtig - , und um dann ins Herkunftsland zurückzukehren oder in ein anderes Land weiterzuziehen. Die Bulgarin Christina Fazliyska, die in Berlin Sozialwissenschaften und BWL studiert:

    "Einen generellen Trend kann ich auch nicht beobachten. Es gibt ja sehr viele, die den Master im Ausland machen und dann hierbleiben und hier arbeiten, aber es gibt ja sehr viele, die einfach nach Hause wollen. In meinem Bekanntenkreis sagen die Leute, ich will mich nicht als Ausländer fühlen, ich will meinen Abschluss hier bekommen, also ich will qualifiziert sein und dann will ich zurück."

    Generell ist das Interesse, zu bleiben, groß: Zwei von drei Befragten können sich das vorstellen, deutlich weniger aber bleiben dann auch wirklich: in Deutschland nur ein Viertel der Studierenden aus Drittländern. Dabei werden die rechtlichen Rahmenbedingungen überwiegend als gut oder akzeptabel bezeichnet; auch sehen die meisten der internationalen Studierenden gute Chancen, auf dem deutschen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Der Chinese Lei Jiang, Student der Ingenieurwissenschaften in Berlin:

    "Der erste Grund für mich: Ich studiere Ingenieurwissenschaft. Und zweifellos, ich glaube, Deutschland in diesem Bereich ist immer am besten. Die Arbeitserfahrung in Deutschland ist immer auch am besten."

    Viele fühlen sich willkommen, vor allem die Studenten an den Hochschulen, die eine kontinuierliche Studien- und Karriereberatung anbieten. Gleichzeitig wurden in keinem der fünf Länder so viele der Befragten im Alltagsleben wegen ihres Ausländerstatus diskriminiert wie in Deutschland – was oft zum Grund wird, das Land zu verlassen. Zur großen Hürde wird auch, dass es mühsam ist, an rechtliche Informationen zu Arbeits- und Aufenthaltserlaubnissen heranzukommen, fast die Hälfte der Studierenden aus Drittstaaten fühlt sich in Deutschland nicht oder nur unzureichend informiert. Das Sprachproblem ist die nächste Hürde für das Bleiben im Lande. Weil für ein Studentenvisum derzeit nur in geringem Maße deutsche Sprachkenntnisse verlangt werden, so die Studie, würden viele Studierende zur Annahme verleitet, man könne in Deutschland auch ohne Deutschkenntnisse ganz gut zurechtkommen: mehr als ein Drittel der Befragten gab an, kein Deutsch zu sprechen. Gunilla Fincke, Direktorin des Forschungsbereichs beim Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration, der die Studie in Auftrag gab:

    "Nur 12 Prozent geben an, Deutsch auf quasi muttersprachlichem Niveau zu beherrschen. Und das ist im Unterschied zu den kleinen Ländern für Deutschland ein echtes Dilemma, es ist auch ein Dilemma, was sich ergibt aus einer schon fortgeschrittenen Internationalisierung der Hochschulen, viele Studienprogramme finden auf Englisch statt, und am Ende des Studiums gibt es dann plötzlich die Erfahrung: dass man jetzt auf dem Arbeitsmarkt gerade in den mittelständischen Unternehmen aber Deutsch brauchen würde."

    Alles in allem zeichnet Gunilla Fincke ein positives Bild. Lange vorbei seien die Zeiten, da etwa der DAAD seine Aufgabe auch darin sah, die in Deutschland studierenden Ausländer unbedingt zu 100 Prozent auch wieder zurückzuschicken. Aber:

    "Auf der anderen Seite hapert es ganz stark bei dieser Zusammenarbeit zwischen dem Bildungsbereich und dem Hochschulbildungsbereich und dem Arbeitsmarktbereich. Also diese Vernetzung zwischen den Ministerien und dann natürlich eben auch mehrheitlich zwischen Landesebene und der Bundesebene – der Bund ist für die Arbeitsmarktzugänge zuständig, die Länder haben die Hochschulkompetenzen in vielen Bereichen: Da bleibt viel zu tun."

    Universitäten und Behörden fordert Gunilla Fincke auf, deutlich größere Anstrengungen zu unternehmen, ausländische Studierende zu informieren und zu beraten. Sehr wünschenswert sei es, schon an den Universitäten Kontaktstellen sowohl zur Ausländerbehörde wie zur Bundesagentur für Arbeit einzurichten, deren Zusammenarbeit ohnehin einiges zu wünschen übrig ließe.

    "Was wir da auch ganz stark erleben, ist, dass es eine mangelhafte Zusammenarbeit zwischen Ausländerbehörde und Bundesagenturen für Arbeit vor Ort gibt, die einen versuchen, Abwehr zu betreiben, die anderen fühlen sich nicht zuständig primär, sodass die internationalen Studierenden da irgendwo so zwischen die Fronten geraten."

    Ein Problem indes, erzählt die bulgarische Studentin Christina Fazliyska, wird immer bestehen bleiben:

    "Es ist ja die Qual der Wahl. Also ich fühle mich gerade so, als ob die ganze Welt für mich offen ist; es gibt so viele Möglichkeiten, und man weiß ja im Endeffekt nicht, was genau richtig ist."