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Studio Amani
Frisurenwitze ohne Haltung

Die Erwartungen an die neue Late-Night-Show "Studio Amani" mit Enissa Amani als Gastgeberin waren hoch. Comedy mit Haltung war angekündigt - doch was folgte war eher ein vorhersehbarer Streifzug durchs Internet. Einzig der Gast überzeugte mit seinem trockenen Humor.

Von Ina Plodoch | 08.03.2016
    Enissa Amani
    Enissa Amani - wenig Haltung, viel Tussi-Witz. (dpa/picture-alliance/ Henning Kaiser)
    Enissa Amani schreitet im weißen Outfit ins beige Wohnzimmer-Studio. Kreischend, wie sich das für eine "Vollblut-Tussi" gehört.
    "Ihr Lieben, ich habe echt keine Ahnung, was hier passiert. Pro Sieben hat mir eine eigene Show gegeben, mit Kamera und so."
    Zwei Jahre nach Amanis erstem Fernsehauftritt bei TV Total. Dann "RTL Comedy Grand Prix", "Let’s Dance", Stand-Up-Tour, Deutscher Comedypreis als beste Newcomerin. Und jetzt die eigene Show: "Studio Amani".
    "Dann haben die gesagt: Wir würden gerne, dass du über aktuelle Themen sprichst: Über Politik, Wirtschaft, Inland, Ausland, Liedstrich, Haarspray. Alles worauf du Bock hast."
    Die Deutsch-Perserin, im Iran geborgen, als Kind mit der Familie geflohen, hat Bock auf den klassischen Einstieg in die Show mit einer kurzen Stand-Up-Einlage zu ihrem Lieblingsthema.
    "Wenn ich sage Deutsche, dann meine ich natürlich meine Freunde und Freundinnen ohne Migrationshintergrund, die soll es ja auch noch geben, niemand ist perfekt."
    Nur die Deutschen mit ihrer Pünktlichkeit. Witze darüber gehen immer.
    "Habt ihr mal deutsche Busfahrpläne gesehen? Der Bus kommt um 14:08, 14:12, 14:31. Wisst ihr, wann der Bus im Iran kommt? Wann er Bock hat."
    Und Amani hat Bock auf Gemütlichkeit. Lässt sich vor der Wohnzimmer-Atmosphäre in ein Sofa fallen und rekapituliert:
    "Letzte Woche war in Amerika Super Tuesday. Super Tuesday. Bedeutet, dass in Amerika Vorwahlen stattgefunden haben. Das heißt in zwölf amerikanischen Staaten..."
    Comedy oder Logo-Kindernachrichten?
    "Und meistens ist es so: Wer sich an dem Tag durchsetzt als Kandidat, geht dann für seine Partei als Präsidentschaftskandidat ins Rennen. Für die Republikaner hat sich – leider – dieser junge Mann durchgesetzt. Donald Trump, die meisten werden ihn kennen, für diejenigen, die ihn nicht kennen..."
    ProSieben will offenbar politischen Humor, scheint aber nicht daran zu glauben, dass sein Publikum das versteht. Deshalb: Erst erklären, nach zwei Minuten dann die Twitter-Lange "Pointe":
    "Ich kann dieses ganze Gepöbel noch ertragen. Und dass er ein Idiot ist und idiotische Sachen sagt, okay. Aber was gar nicht geht, ist ein US-Präsident mit dieser Frisur."
    Die Vollblut-Tussi bleibt also bei ihrem Thema: Frisuren.
    "Im Netz kursieren überall diese Vergleiche: Trump und wie diese Frisur wirkt. Wir haben euch mal was zusammengestellt."
    Ach stimmt, war gar nicht von Enissa Amani, sondern aus dem Netz, das sich seit über einem halben Jahr über Trumps Zotteln lustig macht. Bissiger Humor mit Haltung? Naja. Eher: Auf einen Zug aufspringen, der längst abgefahren ist. Das Konzept der Sendung: "Im Netz gibt’s". Katzenvideos, Tweet der Woche, neues Facebook-Feature oder:
    "Ich liebe ja Wahlplakate, und habe mir welche aus anderen Ländern zusammen gesucht. Das ist toll: Diese Frau kandidiert für die Botox-Partei."
    Und Wieder: Die Frisur der Frau geht natürlich gar nicht, als hätte sie in die Steckdose gegriffen. Kurz witzig, - aber es fehlt der Bruch, die Reflexion dieser Tussihaftigkeit, die bei ihren Stand-Up-Auftritten immer mal wieder gelingt. So sitzt sie auf der Couch, macht Fernsehen als würde sie ihrer Mutter die besten Witze aus der Fundgrube Internet vorlesen. Kurzer Kommentar, Foto zeigen, nächstes Thema.
    "Ich freue mich, dass ich unseren ersten Gast begrüßen darf. Wir haben heute den wunderbaren ‚Tech-Nick’ zu Gast. Aber es ist auch ein sehr, sehr renommierter Schauspieler. Antoine Monot."
    Der sich als unzugänglicher aber sehr schlagfertiger und mit trockenem Humor gesegneter Gast gibt. Dem nicht Enissa Amani die Fragen stellt, sondern die Crowd aus dem Netz, die wohl vorher Fragen einreichen konnte.
    "Wie machst Du das mit Essensresten im Bart? - Ja, sehr gute Frage."
    Na ja, geht so. Es folgen: Torten im Gesicht der Zuschauer, wenn deren erzählte Geschichte zu langweilig sind. Noch mehr Smartphone-Schnappschüsse aus dem Netz. Oder eine Fernsehwerbungparodie. Wer jetzt noch wach ist, oder nicht längst den Stream gewechselt hat:
    "Herzlich willkommen zur Weltmeisterschaft! Zum Comedy-Battle der Nationen."
    Enissa Amani gegen Marek Fis. Iran gegen Polen.
    "Im Iran habt ihr immer eine Kinoleinwand vor dem Gesicht. Oder wie bei uns auf der Baustelle 30 kg Spachtelmasse im Gesicht."
    "Er hat recht. Wir Iranerinnen schminken uns gerne, stehen auf den ganzen Scheiß: Make-Up Abdeckstift, Concealer, Make-Up, Abdeckcreme, Lidschatten, Eyeliner, Augenbraunstift, Lippenstift, Lipgloss, Lip-Liner. Vielleicht sogar drei Pfund Butter. Na und, danach sehen wir total schön aus. Wir brauchen länger im Bad als ihr braucht um da Fliesen zu legen."
    Bissig und schlagfertig. Der Rest aber ist eher behäbig. Comedy mit Haltung sieht anders aus - zeigt Jan Böhmermann ja jede Woche.