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Stück für Stück weniger Lebensraum

Durch die Energiewende wächst die Zahl der Biogasanlagen. Doch auch erneuerbare Energien haben ihren Preis, stellten Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums Leipzig fest, die die Auswirkung des Biogasbooms auf die Feldlerche untersuchten.

Von Christian Forberg | 15.05.2012
    "Die Feldlerche ist ein Kulturfolger. Sie lebt im flachen Offenland, wo vorwiegend Gräser vorkommen, die nicht besonders hoch gewachsen sind, wo sie ihre Nahrung vorfindet: Insekten oder Samen von Unkräutern."

    Jan Engel ist Nachwuchswissenschaftler am Institut für Ökologie an der Uni Jena. Als er noch am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung Leipzig arbeitete, simulierte er am Computer die Lebensräume, die Habitate der Feldlerche.

    "So eine Feldlerche kann in optimalen Habitaten eine Reviergröße von 1 ha haben, und in weniger optimalen Habitaten wie Monokulturen oder großen Feldern von bis zu 10 ha. Wenn wir aber überlegen, dass die Feldgröße in Mittel- und Norddeutschland bis zu 40 ha ist, dann schließt sich daraus automatisch, dass es nur wenige Plätze gibt für die Feldlerche, wo sie in ihrem Revier zwei oder mehr Feldfrüchte hat."

    Zwei seien das Minimum zum Überleben, drei oder vier Samensorten bereits ausreichend.
    Jan Engel deutet auf den Computerbildschirm. Auf der einen Seite große, auf der anderen viele schmale Felder - eine Landschaft in Süddeutschland. Die hat er in einen Teppich verschiedenfarbiger Pixel zergliedert.

    "Das bedeutet, dass verschiedene Feldfrüchte angebaut werden. Und wenn man sich dann so ein Luftbild aus der Nähe von Magdeburg anguckt, dann sieht man, dass die Felder viel viel größer sind, und dass alle eine ähnliche Farbe haben. Das ist der Unterschied zwischen Mittel- und Süddeutschland: Die Größe der Felder und die Anzahl der verschiedenen Früchte, die angebaut werden."

    Soweit das Modell, mit dem Jan Engel jedes Luftbild prüfen kann, ob die Feldlerche hier gute oder schlechte Lebensbedingungen vorfinden könnte. In der Realität stehen sich zwar noch große Felder im Norden und kleine Felder im Süden gegenüber, aber die Farben haben sich angeglichen: Durch die Energiewende wächst im Norden wie im Süden die Zahl der Biogasanlagen.

    "Das führt dann in Süddeutschland dazu, dass es viele verschiedene kleine Felder gibt. Aber wenn alle mit der gleichen Feldfrucht, mit Mais zum Beispiel, bepflanzt werden, haben wir im Endeffekt ein großes Feld. Und wir haben es auch gesehen: Zäune oder Hecken, die Felder voneinander getrennt haben, wurden schon lange nicht mehr verwendet. Wenn es wirtschaftlich sinnvoll ist, eine Feldfrucht anzubauen, dann wird das Land homogen, und damit verringert sich stark die Diversität der Feldfrüchte, die die Feldlerche braucht."

    Hinzu kommt, dass Mais oder dass noch häufiger angebaute Wintergetreide sogenannte Lerchenfallen sind: Im Frühjahr laden die noch kleinen Pflanzen zum Brüten ein. Dann aber schießen sie schnell und dicht nach oben und versperren den Vögeln den Weg. Jedoch, lenkt Jan Engel ein:

    "Wir wollten nicht eine Studie machen, mit der wir zeigen: Bioenergie ist schlecht für Feldlerchen und damit für das Agrar-Öko-System generell. Sondern wir wollten gucken: Wie kann man Bioenergie anbauen und den Schutz - hier vorwiegend der Feldlerche - in Einklang bringen?"

    Wozu er mehrere Möglichkeiten modelliert und virtuell getestet hat. Als wenig geeignet erwiesen sich Lerchenfenster. Der NABU hat sie in der Natur unter anderem in Sachsen-Anhalt getestet. Ein Dutzend Bauern hatten sich im Vorjahr beteiligt, etwa 20 qm große Lücken im Feld zu lassen, doch das ist offenbar zu wenig. Geeigneter sind breite, brachliegende Blühstreifen um die Felder herum oder unbestellte Streifen innerhalb der Felder, sogenannte integrierte Biodiversitätsflächen. Aber welcher Bauer kann und will es sich leisten, angesichts der enorm gestiegenen Boden- und Getreidepreise auf unbenutzte Flächen zu verzichten? Eher würde er wohl auf die Prämien verzichten, die bisher und vielleicht auch künftig für ökologisches Wirtschaften gezahlt werden, sagt Stefan Möckel, Umweltrechtler am Leipziger Umweltforschungszentrum. Das "künftig" bezieht sich auf die im kommenden Jahr anstehende Korrektur der Prämien-Verteilung innerhalb der Europäischen Union. Den deutschen Bauern bleiben möglicherweise etwa 300 Euro je Hektar.

    "Dann sollen von dieser Summe nur noch 70 Prozent als mehr oder weniger bedingungslose Betriebsprämie bezahlt werden, und 30 Prozent werden an die Standards gekoppelt, dass Dauergrünland erhalten bleibt, dass eine dreigliedrige Fruchtfolge erfolgt und dass sieben Prozent der Flächen in extensiver Weise genutzt werden. Diese 30 Prozent sind nur 90 Euro, wahrscheinlich werden es sogar noch weniger sein. Und das ist im Vergleich zu der Förderung, die es über das EEG gibt, nicht sehr hoch."

    In einer Studie von Umweltforschungszentrum Leipzig und Bundesamt für Naturschutz sind von 800 Euro je Hektar integrierter Biodiversitätsfläche die Rede, womit der Bauernverband Sachsen-Anhalt zufrieden wäre. Stefan Möckel weniger: Der Begriff "Bioenergie" werde konterkariert …

    "... weil man das doch mit biologischer Landwirtschaft verwechselt und gleich denkt: Bioenergie ist ökologisch okay. Aber es ist erstmal nur Energie, die von Biomasse kommt. Man bräuchte im Grunde genommen auch wenigstens einen 20-Prozent-Anteil ökologisch produzierte Bioenergie."