Freitag, 29. März 2024

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Stufenplan für Lockerungen
Günther (CDU): Perspektive für Zeit nach Ostern aufzeigen

Die Landesregierung von Schleswig-Holstein hat einen Stufenplan für die Lockerung der Corona-Maßnahmen vorgelegt. Die Menschen wollten wissen, wofür es sich lohne, momentan die Regeln einzuhalten, sagte Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) im Dlf.

Daniel Günther im Gespräch mit Jasper Barenberg | 27.01.2021
Daniel Günther (CDU), Ministerpräsident Schleswig-Holstein, nimmt an einer Pressekonferenz im Landeshaus Kiel zu den geplanten Maßnahmen gegen die Coronakrise für Schleswig-Holstein teil.
Der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Daniel Günther (CDU), hat im Dlf über seinen Perspektivplan gesprochen (dpa/picture alliance/Gregor Fischer)
Die Zahl der neu registrierten Infektionen sinkt, wenn auch nicht so schnell wie erhofft – einerseits. Andererseits kann niemand im Moment sicher sagen, wie schnell sich die neue Corona-Mutation im Land ausbreiten könnte und wie gefährlich diese Mutation noch werden könnte, wie schnell auf der anderen Seite die schleppende Impfkampagne in den nächsten Monaten in Schwung kommen wird.
Bei aller Unsicherheit und Ungewissheit – die Koalition von CDU, FDP und Grünen in Schleswig-Holstein hält es nach dem langen Jahr mit der Pandemie für überfällig, jetzt auch Perspektiven zu eröffnen für eine Zeit, in der die Beschränkungen nach und nach wieder gelockert oder ganz aufgehoben werden könnten. Der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein Daniel Günther (CDU) erklärt im Deutschlandfunk, wie eine solche Perspektive aussehen könnte.
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Jasper Barenberg: Bloß jetzt keine Debatte über Lockerungen, sagen gerade ja viele. Die Ansteckungsrate ist noch viel zu hoch. Die Unwägbarkeiten liegen auf der Hand. Warum stoßen Sie trotzdem eine Debatte über Lockerungen jetzt an?
Daniel Günther: Es ist ja keine Debatte über Lockerungen, die wir anstoßen, sondern wir nehmen den Auftrag aus der letzten Ministerpräsidenten-Konferenz mit dem Bund auch sehr ernst, wo wir uns ja darauf verständigt haben, dass wir bis Anfang Februar uns auf einen Stufenplan verständigen wollen. Wir haben jetzt einen solchen Stufenplan vorgelegt. Da geht es insbesondere darum, Menschen Perspektiven aufzuzeigen, weil wir im Moment uns eher von Konferenz zu Konferenz hangeln, niemand genau weiß, bei welchen Inzidenzwerten oder überhaupt in welcher Situation finden wieder Öffnungen statt. Und ich glaube, dass wir uns in einer Phase der Pandemie befinden, in der Menschen auch wieder wissen wollen, wofür es sich lohnt, im Moment diese Regeln einzuhalten, und was man hoffen kann, wenn bestimmte Ziele auch erreicht werden.
Barenberg: Es braucht Perspektiven, sagen Sie, weil es so viel Perspektivlosigkeit im Moment gibt. Auch Pandemie-Müdigkeit?
Günther: Das stelle ich auf jeden Fall fest. Ich kann auch jeden verstehen, dem es so geht, denn die Pandemie geht jetzt schon über einen langen Zeitraum. Man hat immer wieder gehofft, dass es bestimmte Phasen gibt, wo es Besserung gibt. Ich denke, dass jeder darauf eingestellt ist, dass der Winter ein schwieriger Winter wird und dass es auch weiterhin Einschränkungen gibt. Aber im Moment kommt eine ganze Menge zusammen: ausbleibender Impfstoff, der ja schon ein Hoffnungsschimmer gewesen ist, Virus-Mutationen, die man nicht genau einschätzen kann. Und ich glaube, dass so eine Perspektive, was ist eigentlich nach Ostern, schon aufgezeigt werden muss, und da sind wir, glaube ich, im Moment ein großes Stück von entfernt, und wir wollen mit unserem Perspektivplan erreichen, dass wir genau diese Perspektiven auch wieder geben können.
"Perspektivplan ist immer angreifbar"
Barenberg: Aber kann nicht genau das Gegenteil damit auch erreicht werden, wenn man jetzt in Aussicht stellt, bei bestimmten Kriterien werden diese und jene Lockerungen möglich, und es zieht sich weiter, weil die Ungewissheit ja im Moment sehr groß ist? Dann bewirkt man das Gegenteil und die Verstimmung wird verstärkt, dass man sich jetzt weiter einschränken muss. Da wächst dann die Kritik.
Günther: Na ja. So ein Perspektivplan ist natürlich immer angreifbar, weil in diesem Perspektivplan auch deutlich wird, wer erst zu einem späteren Zeitpunkt und dann, wenn Inzidenzwerte deutlich niedriger sind, auch wieder öffnen kann. Aber ich glaube, dass es wichtig ist, das zu beschreiben, denn in einer solchen Situation, in der wir uns im Moment befinden, die Ansage zu machen, wir treffen uns alle drei bis vier Wochen, schärfen immer noch mehr Maßnahmen nach, und keiner weiß, was auf ihn zukommt – gerade Eltern, die im Moment die Betreuungseinrichtungen nicht nutzen können; worauf sollen die im Moment hoffen. Was muss passieren, damit sie die Hoffnung haben können, dass Kitas wieder geöffnet sind, dass ihre Kinder wieder in die Schulen gehen können. Diese Perspektiven sieht im Moment überhaupt keiner, weil wir die Frage gar nicht beantworten können, und wir können mit diesem Perspektivplan die Frage beantworten. Deswegen wünsche ich mir ausdrücklich, dass das bundesweit auch so in Kraft treten wird.
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Barenberg: Jetzt ist das wichtigste Kriterium bei diesen Stufen ja dieser Inzidenzwert, wie viele Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner über eine Woche. Reicht dieses Kriterium aus?
Günther: Nein, das reicht alleine nicht aus. Deswegen haben wir auch in dem Konzept beschrieben, dass es weitere Faktoren gibt, die Berücksichtigung finden müssen. Das ist die Auslastung der Klinik-Kapazitäten. Das wird auch zu einem Zeitpunkt, wo das Thema Impfen eine Relevanz bekommt, die Impfquote natürlich sein. Das ist die Frage, wie ist der öffentliche Gesundheitsdienst aufgestellt. Aber wir haben in der Pandemie ja schon auch gelernt: Wenn bestimmte Inzidenzwerte unterschritten werden, dann wissen wir, dass andere Faktoren davon auch positiv beeinflusst werden. Das heißt: Unter 50 wissen wir, Nachverfolgung kann funktionieren. Unsere Krankenhäuser sind in der Lage, diese Pandemie auch zu bekämpfen und die Patientinnen und Patienten zu versorgen. Deswegen ist das schon ein sehr, sehr wichtiger Wert, der übrigens auch, glaube ich, in der Bevölkerung mittlerweile akzeptiert ist und auch als Richtschnur wahrgenommen wird.
"Plan geht einher stärkeren Kontrollen"
Barenberg: Muss zwingend zu dem Plan für Lockerungen bei bestimmten Inzidenzwerten ein strenges Regime der Kontrolle in der Zeit danach gehören?
Günther: Aus meiner Sicht muss das auf jeden Fall dazugehören. Wir haben auch in unserem Perspektivplan sehr klar beschrieben, dass Kontaktbeschränkungen auf Sicht als ein Beispiel wirklich nicht zurückgefahren werden können. Ich glaube, nennenswerte Öffnungsschritte zumindest in den nächsten zwei bis drei Monaten sind nur möglich, wenn alle Bürgerinnen und Bürger sich auch an die Regeln halten: Abstand, Hygiene, Masken tragen, da wo es notwendig ist. Deswegen geht auch mit diesem Plan einher durchaus eine stärkere Kontrolle, dass diejenigen, die beharrlich sich Regeln verweigern und damit ja auch für ein erhöhtes Infektionsgeschehen sorgen, dass dann auch die Strafe oder das Bußgeld auf dem Fuße erfolgt. Ich glaube, nur so mit diesen klaren Ansagen wird es möglich sein, wirklich Perspektiven wieder zu eröffnen.
Barenberg: Und das würde dann darauf hinauslaufen, weil das ja nicht einheitlich in ganz Deutschland vonstattengehen kann, dass es dann gewissermaßen eine Konkurrenz verschiedener Regionen gibt, wo Menschen schon mehr machen dürfen als in anderen?
Günther: Genau. Diese Situation wird sich dann aber nicht verändern. Wir haben ja jetzt auch schon in Deutschland unterschiedliche Regeln in den Bundesländern, was ja auch richtig ist. Wenn eine Inzidenz extrem hoch ist, wurden in diesen Gebieten immer schärfere Maßnahmen ergriffen. Aber bisher folgt das keinem klaren Regelwerk. Zum Teil ist es so, dass Länder, die auch niedrigere Inzidenzen haben, Dinge geschlossen haben, die andere geöffnet haben, obwohl sie höhere Werte haben. Mit einem solchen verbindlichen Stufenplan ist da auch Transparenz geschaffen und jeder kann sich auch darauf einstellen, dass bestimmte Werte Öffnungen an der Stelle bedeuten. Das ist Verlässlichkeit und schafft auch Vertrauen.
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Barenberg: Auf dem Weg dahin, Herr Günther, wird die Kanzlerin damit zitiert, dass wir auf einem Pulverfass leben, vor allem mit Blick auf die Mutationen des Virus. Es gibt Informationen darüber, Berichte, dass Reisebeschränkungen an der Grenze zu Hochrisikogebieten ins Auge gefasst werden – bei Flügen etwa. Müssen wir erst noch strenger werden, bevor wir dann lockerer werden können?
Günther: Ich denke, dass wir in der Tat zweigleisig fahren müssen. Auf der einen Seite dann, wenn Inzidenzen wirklich sinken, Lockerungsmaßnahmen durchführen, aber auf der anderen Seite die Dinge wirklich in den Fokus nehmen, wodurch Virusverbreitung wirklich stattfindet. Deswegen finde ich es sehr, sehr konsequent – ist auch im Übrigen Bestandteil unseres Stufenplans -, dass wir beim Thema Reiseverkehre, touristische Verkehre immer noch sehr restriktiv sind. Wir haben bei uns in Schleswig-Holstein auch in Abstimmung mit dem Bund beispielsweise Richtung Dänemark, wo ja die Virus-Mutation eine höhere Rolle spielt, jetzt ein Grenzregime eingeführt, wo es verpflichtende Testungen gibt für Grenzpendlerinnen und Grenzpendler. Von daher finde ich die Diskussion, auch Reisetätigkeiten einzuschränken, angesichts der Bedrohung, die da ist, absolut zielführend und auch richtig.
"Der Lichtblick Impfen"
Barenberg: Wir haben nicht mehr so arg viel Zeit. Eine Frage muss ich aber noch los werden im Zusammenhang mit diesem Streit um Astrazeneca und die Reduzierung der Impfstoff-Lieferungen. Teilen Sie die Empörung und hat das Folgen für Schleswig-Holstein?
Günther: Na ja, das hat für alle Bundesländer aller Voraussicht nach Folgen, und ich verstehe auch den Ärger, der in der Bevölkerung da ist. Der Lichtblick Impfen, der ja wirklich den Weg aus der Pandemie auch erst beschreiben kann, der ist natürlich einer, der eigentlich Hoffnung gemacht hat. Dieser Wert, dass wir so schnell einen Impfstoff bekommen haben, der ja eigentlich ein guter ist – hätte auch keiner erwartet -, ist natürlich im Moment erheblich eingetrübt, weil es Lieferschwierigkeiten offenkundig gibt, ja nicht nur bei Astrazeneca es Probleme gibt, sondern auch bei Pfizer-Biontech auch Lieferprobleme da sind. Das muss man in den Ländern dann kommunizieren, weil viele hier auf Impfungen warten. Aber das schaffen wir nur solidarisch und gemeinsam und sollten da keine Schuldzuweisungen machen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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