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Stumpfe Waffen gegen H5N1

Biologie. - Zwar ist es um die Vogelgrippe still geworden, doch damit hat sich das Problem nicht erledigt: spätestens im Herbst werden vermutlich wieder tote Vögel gefunden werden, erwarten Experten. Das Thema steht auch im Mittelpunkt des in Hamburg.

Von Monika Seynsche | 14.08.2006
    Das sei natürlich die Million-Dollar-Frage, sagt André Dhondt, Professor für Ornithologie an der Cornell University im amerikanischen Bundesstaat New York. Aber genauso wie seine Kollegen kann er sie nicht beantworten. Es fehlen einfach Forschungsergebnisse. Die Vogelgrippe ist zwar prinzipiell eine alte Krankheit, aber bevor der Erreger H5N1 auftrat, hat sie abgesehen von Geflügelzüchtern kaum jemanden interessiert.

    "So lange eine Krankheit keine Menschen tötet, ist sie nicht von Interesse für die Leute, die Forschungsgelder zur Verfügung stellen und vergessen Sie nicht, diese Art von Forschung kostet Millionen, Sie müssen viele Leute aus verschiedenen Disziplinen zusammenbringen und die Experimente sind sehr teuer."

    Bis heute ist unklar, wie genau sich der Erreger H5N1 über die Welt verbreitet hat, und es ist auch nicht klar, warum einige Vogelarten anfällig für das Virus sind und andere nicht. Um abschätzen zu können, welches Risiko die Vogelgrippe darstellt, müssen diese Fragen beantwortet werden. Nur wie genau diese Forschung aussehen soll, darüber streiten sich die Wissenschaftler.

    "Das Wichtigste ist Monitoring. Denn wenn wir nicht wissen, wenn wir nicht den Mut haben, auch Geld in die Hand zu nehmen, aufzuklären, wo Vogelgrippe in welchen Beständen in welchen Regionen in welcher Dichte vorkommt, werden wir immer nur spekulieren können."

    Franz Bairlein leitet das Institut für Vogelforschung "Vogelwarte Helgoland" in Wilhelmshaven. In mehreren Bundesländern, etwa in Niedersachsen, Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern, wird in den nächsten Wochen mit einer gezielten Untersuchung von lebenden Wildvögeln und Kotproben auf H5N1 begonnen. Ab 2007 plant auch die EU ein flächendeckendes Monitoring. André Dhondt dagegen hält nicht viel von solchen Untersuchungen.

    "Wir stolpern über einige Vögel und untersuchen, wie viele von ihnen Vogelgrippe haben. Die Antwort ist, sagen wir 800. Aber das sagt uns nicht das Geringste. Wir wissen nicht, ob und wie sie den Erreger übertragen, wir wissen nicht, ob es zu Epidemien kommt. Um etwas aussagen zu können, müssen wir die Ökologie des ganzen Systems verstehen, also wie funktioniert der Erreger, wie funktioniert der Vogel. Warum zum Beispiel sind verschiedene Vogelarten unterschiedlich anfällig? Und dafür brauchen wir Experimente. Nur, diese Experimente können Sie nicht einfach so machen, schließlich tötet die Vogelgrippe auch Menschen. Sie brauchen also Labore mit höchster Sicherheitsstufe."

    Unter hohen Sicherheitsvorkehrungen werden dort Vögel mit H5N1 infiziert und ihre Reaktion auf den Erreger untersucht. Außerdem versucht man herauszufinden, wie die Übertragung funktioniert, gibt den Erreger also ins Wasser oder in die Nahrung. Und die Forscher setzen mehrere Vögel zusammen in einen Käfig und schauen, ob die Tiere sich gegenseitig anstecken. Jedes dieser Experimente muss mehrere Male und mit verschiedenen Vogelarten wiederholt werden. Diese Forschungen laufen aber gerade erst an und Ergebnisse fehlen noch. Derweil streiten sich die Vogelkundler, ob der Vogelgrippeerreger H5N1 neben der Gefahr für Nutzgeflügel auch für Wildvögelbestände gefährlich ist. Dhondt:

    "Das denke ich nicht, denn die Übertragung solcher Erreger hängt von der Populationsdichte ab. Vögel erkranken und sterben, aber je weniger Vögel da sind, desto schwerer fällt es dem Virus, einen neuen Wirt zu finden."

    Ganz so zuversichtlich wie sein amerikanischer Kollege ist Franz Bairlein nicht.

    "Ein Bestand, der aufgrund anderer menschlicher Umstände - wie zum Beispiel Lebensraumverlust, wie beispielsweise Umweltgifte - schon schwach ist, gefährdet ist, der könnte sozusagen den letzten Todesstoß bekommen durch eine Krankheit, die durchaus auch in Wildvögeln epidemieartig auftreten kann, auch wenn es bis heute noch nicht geschehen ist. Aber ausschließen dürfen wir das nicht."

    Für den kommenden Herbst erwarten aber beide Forscher keine dramatischen Ereignisse. Es werden wieder vereinzelt Schwäne und andere Wildvögel sterben, und bei einigen von ihnen wird man H5N1 feststellen.