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Sturmflut

Um 19 Zentimeter hat sich der Meeresspiegel in den letzten 100 Jahren bereits erhöht. Das immer schneller schmelzende Eis Grönlands und der Antarktis beschleunigen diesen Anstieg enorm. Schon jetzt spürbar ist das vor allem auf den Atollen und flachen Inseln des Pazifiks.

Von Monika Seynsche | 12.11.2013
    "Im 21. Jahrhundert wird sich der Meeresspiegelanstieg aller Wahrscheinlichkeit nach noch einmal beschleunigen – und zwar unter allen möglichen Szenarien für die Emission von Treibhausgasen."

    John Church hat im aktuellen Sachstandsbericht des Weltklimarates das Kapitel zum Meeresspiegelanstieg mitverfasst, als einer der sogenannten koordinierenden Leitautoren. Der Australier arbeitet am staatlichen CSIRO Forschungszentrum für Meeres- und Atmosphärenwissenschaften in Hobart.

    "Selbst wenn wir davon ausgehen, dass wir die Erwärmung abbremsen können, wird der Meeresspiegel schneller ansteigen. Für ein solches Niedrig-Emissions-Szenario berechnen die Computermodelle einen Anstieg bis 2100 von bis zu 61 Zentimetern. Wenn wir dagegen davon ausgehen, das die Treibhausgasemissionen weiter rasant steigen, dürfte der Meeresspiegel bis Ende dieses Jahrhunderts sogar um mindestens einen halben, wenn nicht gar einen ganzen Meter ansteigen. Während des gesamten 20. Jahrhunderts hat er sich um gerade einmal 19 Zentimeter erhöht."

    Nach Ansicht des Meeresforschers treiben vier verschiedene Faktoren den Meeresspiegel in die Höhe.

    "Der Hauptgrund war im 20. und ist auch noch im 21. Jahrhundert die thermische Ausdehnung der Ozeane. Wenn Sie Wasser erwärmen, dehnt es sich aus und der Wasserspiegel steigt. Das ist das gleiche Prinzip wie in jedem Thermometer. Der zweitwichtigste Faktor ist das Abschmelzen der Gletscher, und zwar nicht der großen Eispanzer, sondern der vielen kleinen Berggletscher, in Alaska, Kanada, Patagonien, dem Himalaja und so weiter. Sie leisten zurzeit den zweitgrößten Anteil am Meeresspiegelanstieg."

    Die Berggletscher enthalten zwar viel weniger Eis als Grönland oder die Antarktis, aber sie liegen in wärmeren Klimazonen und schmelzen daher viel schneller. Zusammen mit der thermischen Ausdehnung der Ozeane sind sie für Dreiviertel des aktuellen Meeresspiegelanstiegs verantwortlich. Einen kleinen Anteil am Anstieg hat außerdem die Ausbeutung großer Grundwasserleiter an Land, deren Wasser für Bewässerung genutzt wird und dann über die Flüsse in die Ozeane gelangt.

    Der vierte Faktor sind die großen Eispanzer Grönlands und der Antarktis. Deren Beitrag zum Meeresspiegelanstieg könnte in Zukunft noch deutlich zunehmen. Virginia Burkett untersucht beim Geologischen Dienst der USA in Many, Lousiana welche Auswirkungen der Meeresspiegelanstieg auf die Küsten und ihre Bewohner haben könnte.

    "Etwa ein Viertel der Weltbevölkerung lebt weniger als 100 Kilometer von der Küste entfernt und weniger als 100 Meter oberhalb des Meeresspiegels. Besonders betroffen wären die sogenannten Megadeltas – sehr niedrig gelegene Küstenregionen in denen jeweils mehr als eine Million Menschen leben."

    Dazu gehören die Mündungsgebiete der großen Flüsse Asiens, wie des Yangtse, des Mekong, des Ganges-Brahmaputra und des Indus. Zusammengenommen leben hier viele hundert Millionen Menschen, die alle vom Meeresspiegelanstieg betroffen sein könnten. Dazu kommen die flachen Inseln des Pazifiks die jetzt schon mit dem steigenden Pegel zu kämpfen haben. Und damit nicht genug, sagt Virginia Burkett.

    "Etwa 60 Prozent der 39 größten Städte mit einer Population von über fünf Millionen liegen in sehr flachen Küstenregionen weniger als 100 Kilometer vom Ozean entfernt. Und genau in dieser Region liegen auch 12 der 16 größten Städte der Welt, mit mehr als zehn Millionen Einwohnern."

    Unter anderem sind das New York, Mumbai und Tokio deren Bewohner mit häufigeren Überflutungen rechnen müssen. Die Folgen des Meeresspiegelanstiegs werden also für einen großen Teil der Weltbevölkerung spürbar sein.


    Hinweis: Die ist der vierte Teil der Sendereihe Die Erde im Schwitzkasten.