Freitag, 19. April 2024

Archiv


Stuttgart 21: Alle Fakten müssen auf den Tisch

Der Haushaltspolitiker Alexander Bonde (B90/Grüne) fordert von den Befürwortern des Projekts "Stuttgart 21" ein Signal: "Sie müssen zeigen, dass sie ernsthafte Gespräche wollen." Eine Verständigung sei nur durch faire Verhandlungen möglich.

Alexander Bonde im Gespräch mit Christian Bremkamp | 15.10.2010
    Christian Bremkamp: Seit dem Vormittag sitzen sie zusammen, Befürworter und Gegner des Bahnhofsprojekts "Stuttgart 21". Es ist die erste Vermittlungsrunde unter der Leitung des früheren CDU-Generalsekretärs Heiner Geißler. Ich spreche nun mit Alexander Bonde, er ist haushaltspolitischer Sprecher der Bündnisgrünen im Bundestag und kommt aus Baden-Württemberg. Guten Tag, Herr Bonde.

    Alexander Bonde: Schönen guten Tag!

    Bremkamp: Die Schlichtungsphase hat begonnen. Hat sie Aussicht auf Erfolg?

    Bonde: Das wird davon abhängen, ob die Befürworter des Projekts "Stuttgart 21" tatsächlich ernsthaft Gespräche wollen, also ob zum ersten Mal seit 15 Jahren tatsächlich alle Fakten zum Projekt auf den Tisch kommen und dann ernsthaft gerungen wird über die Frage, was ist eine sinnvolle Modernisierung des Verkehrsknotenpunktes Stuttgart. Davon wird es abhängen, ob da tatsächlich am Ende eine Lösung des Problems auf den Tisch kommen kann.

    Bremkamp: Aber bewegen müssen sich doch beide Seiten?

    Bonde: Na ja, es müssen sich vor allem diejenigen erst mal bewegen, die ja bisher jegliche Kommunikation abgelehnt haben, die dokumentiert haben, dass sie außer Durchhalteparolen eigentlich keine Argumente für ihr Projekt hatten. Und wenn jetzt alle Fakten auf den Tisch kommen, dann kann man klären und muss man klären, ob es eine gemeinsame Verständigung gibt auf die Frage, welche Teile eines solchen Projektes können funktionieren und welchen Teilen stehen große Teile der Bürgerschaft weiter skeptisch gegenüber. Ich hoffe, dass es ein wichtiger Schritt ist, der heute gemacht wird, ich bin beeindruckt davon, wie der Schlichter Heiner Geißler es geschafft hat, die beiden Seiten an einen Tisch zu bekommen, und das war ein wichtiger Schritt, wenn man sieht, wie sehr dieses Projekt Stuttgart, aber auch ganz Baden-Württemberg polarisiert.

    Bremkamp: Nun sind die Fronten bislang aber sehr verhärtet. Weiter bauen fordern die einen, den Bau stoppen die anderen. Wo, glauben Sie, kann es da einen Mittelweg geben?

    Bonde: Das ist tatsächlich eine schwierige Frage und da wird sich auch viel dann zeigen, ob da tatsächlich eine Bereitschaft da ist, auch über vermittelnde Möglichkeiten zu reden. Bisher sieht es ja so aus, dass vor allem der Bahnchef da völlig auf Durchzug stellt, und mit so Ansagen von null Kompromissbereitschaft ist es natürlich schwierig, zu einer Schlichtung zu kommen. Aber ich meine, für mich ist es schon eine Frage, ob die Befürworter da auch bereit sind, ein ernsthaftes Signal zu geben, dass man auch zu Veränderungen bereit ist, und das wichtigste Signal dafür ist natürlich erst mal, dass man nicht während die Gespräche laufen einfach weiter munter Fakten schafft. Das ist sozusagen die erste Bewährungsprobe für die Schlichtung, ob es tatsächlich gelingt, dass jetzt fair verhandelt wird, und fair bedeutet, dass nicht eine Seite weiter Eckpfosten einhaut oder Eckpfosten betoniert, um es mal so konkret auf den Tisch zu legen, was ja gerade der Auseinandersetzungspunkt ist.

    Bremkamp: Heiner Geißler sprach gestern Abend von einer Innovation unter Demokraten, gemeint diese heutige Schlichtungsrunde. Sehen Sie das ähnlich?

    Bonde: Das ist sicherlich ein Vorgang, den es so noch kaum gab, oder zumindest in dieser Dimension, dass eine Landesregierung und ein staatseigenes Unternehmen sich jetzt an den Tisch setzen mit einer massiven Protestbewegung, um gemeinsam auszuloten, ob es Möglichkeiten zu einer Klärung gibt. Das ist neu und liegt sicherlich darin begründet, wie schräg die Projektbefürworter einfach immer nur auf Durchzug gesetzt haben in Baden-Württemberg.

    Bremkamp: Herr Bonde, vielleicht noch ganz kurz zum Schluss: Was bedeutet das für künftige Großprojekte in Deutschland dieser Art?

    Bonde: "Stuttgart 21" ist ein Signal an alle Großprojekte, nämlich Großprojekte können nur dort stattfinden, wo sie auch wirklich Sinn machen, und was vorbei ist, ist die Art Großprojekte, wo zum Schluss eigentlich nur noch Prestigedenken und Gesichtswahrung für bestimmte Träger steht und die Frage, was bekommen die Bürger eigentlich für ihr Steuergeld, nicht mehr gestellt wird. "Stuttgart 21" ist ein Projekt, wo es zu keinem Zeitpunkt wirklich um die Frage Effizienz im Bahnverkehr ging, sondern im Kern ein kleiner Kreis Entscheidungsträger sich hochgeschaukelt hat, um zum Schluss sozusagen ein wahnwitziges Projekt auf die Füße zu stellen. Das funktioniert in Deutschland nicht mehr. Das ist keine Absage an Großprojekte, aber eine Absage an ein falsches Projekt.

    Bremkamp: Sagt Alexander Bonde, haushaltspolitischer Sprecher der Bündnisgrünen im Bundestag. Herzlichen Dank!