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"Subventionen sind schädlich"

Es sei erste Politikerpflicht, so Alfred Boss vom Kieler Institut für Weltwirtschaft, die Subventionen kräftig zu kürzen. Nach den Berechnungen seines Instituts seien die Ausgaben für Subventionen etwa gleichhoch wie die Einnahmen aus der Lohnsteuer. Durch Subventionsabbau könne man Steuern drastisch senken und die Neuverschuldung reduzieren, betonte Boss.

15.03.2006
    Müller: "Wir werden die Subventionen konsequent abbauen". Diesen Satz, diese Ankündigung kennt man in Deutschland zu genüge, immer wieder gerne gesagt, auch immer wieder gerne gehört, aber offenbar nicht so gerne gemacht. Denn nach dem neuesten Bericht der Bundesregierung, der heute offiziell im Kabinett behandelt wird, hat sich nicht wirklich viel getan in den zurückliegenden Jahren: 1,4 Milliarden Euro hat es weniger gegeben an Zuschüssen und Finanzhilfen für die Wirtschaft zwischen 2003 und 2006 rund sechs Prozent. Bei den Steuervergünstigungen hat sich demnach auch nicht so viel getan. Vom Kieler Institut für Weltwirtschaft ist jetzt am Telefon Subventionsexperte Alfred Boss, guten Morgen.

    Boss: Guten Morgen.

    Müller: Herr Boss, Subventionsabbau, muss das erste Politikerpflicht sein?

    Boss: Das muss erste Politikerpflicht sein. Es ist notwendig, die Subventionen kräftig zu kürzen und gleichzeitig die Steuern zu senken oder die Neuverschuldung des Staates zu reduzieren, denn die Subventionen sind schädlich. Sie bedeuten eben, dass die Steuerlast höher ist, als sie sein könnte und sie verzerren die Wirtschaft in massivem Ausmaße. Bestimmte Aktivitäten werden begünstigt und andere werden über höhere Steuern notwendigerweise bestraft und das ist keine gute Sache in einer Marktwirtschaft.

    Müller: Bleiben wir mal dabei: Sie sagen, schädlich. Aber viele Unternehmen sagen: Ohne diese Subventionen können wir nicht weitermachen.

    Boss: Natürlich sagen dass viele Subventionsempfänger. Ohne Subventionen wäre deren Produktion im Zweifel auch geringer. Möglicher Weise wäre auch die Beschäftigung niedriger, als sie jetzt ist. Aber über die hohen Subventionen ist ja die Steuerbelastung insgesamt in der Wirtschaft größer, als sie sein könnte und alle die, die höhere Steuern zahlen, sind bestraft, dort ist die Produktion niedriger, dort ist die Beschäftigung niedriger. Es profitieren also durch die Subventionsvergabe einige auf Kosten der Allgemeinheit. Und die Gesellschaft insgesamt nimmt auf diese Art und Weise Schaden.

    Auch deshalb, weil durch Subventionen ja das Verhalten verändert wird. Ein Subventionsempfänger ist ja weniger gehalten als ein anderes Unternehmen, sich um Marktentwicklungen umzuschauen, die Kosten zu kontrollieren, sich vielleicht im Bereich Forschung und Entwicklung zu betätigen und ähnliches mehr. Und diejenigen, die hohen Steuern zu zahlen haben, werden auch in ihren Aktivitäten beeinträchtigt. Sie werden im Zweifel Investitionen unterlassen, oder Arbeitnehmer, die eine hohe Lohnsteuerlast tragen, werden sich weniger anstrengen oder in die Schwarzarbeit abwandern. So gesehen geht es nicht nur darum, dass die Aktivitäten verzerrt werden, dass einige begünstigt werden und andere bestraft werden, auch insgesamt ist das Niveau kleiner, als es sein könnte.

    Müller: Es sagen ja viele in der Politik auch ganz offen: Subventionen zahlen, das ist mir lieber, als noch mehr Arbeitslose. Ist das völlig falsch?

    Boss: Das ist völlig falsch. Wenn Subventionen gekürzt werden, dann wird die Beschäftigung in den begünstigten Bereichen in vielen Fällen wahrscheinlich sinken. Das muss man wohl erwarten. Aber es wird in keinem Fall in dem Maße der Fall sein, in dem es oft hingestellt wird. Aber was man auch sehen muss: Wir können ja, wenn wir Subventionen kürzen, die Steuern senken und viele Aktivitäten werden auf diese Art und Weise interessant. Es wird Beschäftigung da entstehen oder Beschäftigung nicht reduziert, da wo durch die reduzierte Steuerbelastung die Produktion interessanter wird, als das jetzt der Fall ist. Und wenn Subventionen gekürzt werden, um die Neuverschuldung zu reduzieren, dann bedeutet das ja, dass die Steuerbelastung in der Zukunft kleiner ist, weil weniger Zinsen auf Schulden gezahlt werden müssen und insofern haben wir auch in dem Fall positive Effekte über die reduzierte Steuerbelastung, die möglich ist bei Subventionsabbau.

    Müller: Reden wir noch einmal über die Zahl: Rund 25 Milliarden weist dieser Bericht der Bundesregierung jetzt aus, wenn wir das richtig gelesen haben. Sie haben im Kieler Institut für Weltwirtschaft auch eine Untersuchung gemacht, kommen auf 145 Milliarden. Größere Differenzen sind ja kaum vorstellbar. Wir kommt das zustande?

    Boss: In dem Subventionsbericht der Bundesregierung sind nicht nur Zahlen enthalten für den Bund, sondern auch Zahlen für den Staat insgesamt, also für Subventionen der Länder, für EU-Subventionen und ähnliches mehr und diese Zahl liegt bei etwa 55 Milliarden und die lässt sich vergleichen mit unserer Zahl und nicht desto weniger, die Differenz ist gewaltig. Das beruht darauf, dass wir viele Steuervergünstigungen einbeziehen, die im Subventionsbericht der Bundesregierung nicht erfasst werden, beispielsweise bei einer Umsatzsteuerermäßigung für ärztliche Leistungen in Höhe von fünf Milliarden oder den Abzug der Kirchensteuer als Sonderausgabe und ähnliches mehr.

    Und auf der Seite der Finanzhilfen beziehen wir auch viele Dinge ein, die im Bericht der Bundesregierung nicht enthalten sind. Da geht es beispielsweise um einen Zuschuss an die landwirtschaftliche Krankenversicherung, es geht um die zahlreichen Hilfen, die die Deutsche Bahn AG erhält vom Staat, es geht um Hilfen, die der Bund gewährt dadurch, dass er Bürgschaften übernimmt und Gewährleistungen gewährt, es geht um Theatersubventionen, es geht um Krankenhaussubventionen, die Subventionen der Bundesagentur für Arbeit, über Lohnkostenzuschüsse und ähnliches sind in unserer Rechnung einbezogen und insgesamt erreichen wir dann ein Volumen, das weit, weit über dem liegt, das die Bundesregierung ausweist. Es ist ja fast dreimal so hoch.

    Müller: Sie sind da also sehr konsequent in dieser Anwendung der Kriterien. Da kommt die Frage auf, so ein Kinderfahrschein für die Schule beispielsweise, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, ist das auch eine Subvention?

    Boss: Das ist auch eine Subvention. Der öffentliche Personalverkehr erhält im Jahr rund sieben Milliarden über diese so genannten Regionalisierungsmittel, die der Bund den Ländern zur Verfügung stellt. Das sind natürlich Subventionen. Es werden ja bestimmte Aktivitäten gefördert und der Steuerzahler muss die Mittel aufbringen.

    Müller: Sie sagen also hier, der Staat soll sich aus all diesen Bereichen, alles das, was Sie aufgeführt haben, soll er sich komplett zurückziehen?

    Boss: Er soll sich aus all diesen Bereichen zurückziehen, er soll die Privaten aktiv sein lassen und er soll gleichzeitig die Steuerbelastung kräftig senken und dann wird eine marktwirtschaftliche Restrukturierung eintreten, und alle werden profitieren. Man muss ja sehen, wenn diese rund 145 Milliarden Subventionen nach unserer Rechnung abgeschafft wären - das kann man natürlich auch nicht von heute auf morgen machen, aber man kann es auf Sicht machen - wenn die abgeschafft wären, könnte ja die Steuerbelastung drastisch sinken. Die gesamte Lohnsteuer liegt ja bei lediglich 150/160 Milliarden. Das muss man sich mal vorstellen. Im Extremfall ließe sich fast die Lohnsteuer abschaffen, wenn wir die Subventionen radikal strichen.

    Müller: Er kann also streichen und dennoch gerecht sein?

    Boss: Ja, man kann natürlich streichen und gerecht sein. Gerecht sein wird ja erreicht dadurch, dass wir ein Steuer- und Transfersystemsystem haben. Gerecht ist man ja nicht dadurch, dass man bestimmte Gruppen begünstigt und andere bestraft. Es muss nach einem allgemeinen Prinzip, das was wir als Gerechtigkeit anstreben, realisiert werden und das machen wir über ein Einkommensteuersystem, über ein Transfersystem bis hin zum Kindergeld und Arbeitslosengeld II und ähnliches mehr. Es geht ja hier nur um die Eingriffe in die Wirtschaftsstruktur aufgrund von Steuervergünstigungen und aufgrund von direkten Finanzhilfen des Staates. Es wird ja in keiner Weise bei einem radikalen Subventionsabbau ausgeschlossen, dass Arme begünstig werden und Reiche über höhere Steuern "bestraft" werden.

    Müller: Alfred Boss war das, Subventionsexperte am Kieler Institut für Weltwirtschaft, vielen Dank für das Gespräch.

    Boss: Bitteschön.