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Südamerikanische WM-Qualifikation
Kampf um die Spieler

Die Ligaverbände von England, Spanien und später auch Italien und Portugal hatten angekündigt, keine Spieler für die drei südamerikanischen WM-Qualifikationsspiele abzustellen. Nach tagelanger Ungewissheit gab es erst drei Tage vor Anpfiff eine Entscheidung. Doch der Streit geht weiter.

Von Viktor Coco | 01.09.2021
Argentiniens Lionel Messi (li.) und Brasiliens Neymar im Finale der Copa America.
Argentiniens Lionel Messi (li.) und Brasiliens Neymar im Finale der Copa America. (dpa / picture alliance / Heuler Andrey)
Gianni Infantino persönlich meldete sich beim Reiseverbot für knapp 60 Auswahlspieler zu Wort: "Solidarisch und geeint haben wir gegen COVID-19 gekämpft. Nun rufe ich alle dazu auf, dafür zu sorgen, dass Nationalspieler für die anstehenden WM-Qualifikationsspiele abgestellt werden", so der FIFA-Präsident.
Im schwelenden Interessenkonflikt immer mächtigerer europäischer Topklubs und einem auf das Produkt Nationalmannschaften bedachten Fußball-Weltverband, kam das Machtwort aus der Schweiz noch rechtzeitig. Denn in Südamerika kochten bereits die Gemüter.

Ein Vertrag kann keine Sklaverei bedeuten

"Die Spieler müssen sich wehren. Sie müssen rebellisch sein und sich dieser Ungerechtigkeit entgegen stellen! Ein Vertrag kann keine Sklaverei bedeuten", war in einer hitzigen Journalistenrunde des Sportsenders ESPN zu hören.
Chiles Nationalspieler Gary Medel, Spitzname "Pitbull" und in der Serie A bei Bologna aktiv, tat dem gleich und bellte im Live-Stream eines Videospiels:
"Ich bin dabei, ja, ja, ja! Und wenn sie sagen, dass ich nicht hin darf, dann fahre ich trotzdem! Mir wäre das egal, Absagen ist keine Option. Absagen ist keine Option, Jungs!"
Sein Landsmann Manuel Pellegrini, Ex-Coach von Manchester City und heute bei Betis Sevilla eigentlich auf der anderen Seite der Interessenvertreter, gab sich auf einer Pressekonferenz solidarisch:
"Ich bin immer dafür, dass die Spieler für ihre Nationalmannschaften spielen. Es ist eine Ehre für sie und auch für ihre Vereine. Es gibt Regeln, die erfüllt werden müssen. Man muss sich einigen."

Reisen, harte Spiele und Verschleiß

Die Argumentation der Topligen war unklar: Während die Premier League - trotz anderer Handhabung in England bei der EM - mit einer Quarantäne drohte, war die spanische Liga vielleicht ein Fünkchen ehrlicher: Sie monierte die Erschöpfung und die damit verbundene Abwertung ihres Wettbewerbs. Denn durch einen Nachholspieltag war die Abstellung auf zehn Tage angeschwollen.
"Sehr schlecht ist es, dass drei Spiele absolviert werden. Südamerikaner, die am Donnerstag spielen und hier am Freitag ankommen, können nicht am Samstag oder Sonntag auflaufen. Damit müssen die Klubs für einen Spieltag auf ihre Spieler verzichten", ärgerte sich auch Pellegrini.
Zwar werden in Europa auch drei Spiele in acht Tagen absolviert, aber angesichts der Intensität der hart umkämpften südamerikanischen WM-Quali und der langen Interkontinentalreisen ist der Verschleiß dort ungleich höher.

Charterflüge und Spielverlegungen in Spanien

Die spanische La Liga ging in die Vollen und rief gegen die Spieltagsverlängerung den internationalen Sportgerichtshof CAS an. Dieser schmetterte das Gesuch ab und schuf Tatsachen: Die Klubs müssen freistellen.
La Liga-Präsident Javier Tebas Medrano grollte gegen die "zweifelhafte Unparteilichkeit" des Gerichts, sorgte aber auch für Charterflüge und Spielverlegungen in Spanien.
In England stellen sich einige Klubs stur, andere handeln scheinbar individuell eine Rückkehr bereits nach zwei Spielen aus. Sehr wohl auch beim dritten Spiel dabei sein wird Lionel Messi, der den frisch gekürten Copa-America-Sieger Argentinien beim Heimspiel gegen Bolivien erstmals wieder vor Stadionpublikum auf das Feld führen soll.