Samstag, 20. April 2024

Archiv

Südamerikanischer Fußballverband
FIFA-Skandal räumt Präsidentenstühle leer

Der südamerikanische Fußballverband Conmebol steckt tief in der Krise: Verbandsbosse sind wegen des FIFA-Skandals in Haft oder unter Hausarrest, zwei Präsidenten sind bereits zurückgetreten und wollen offenbar vor der US-Justiz auspacken.

Von Carsten Upadek | 29.11.2015
    Medienberichten zufolge will Sergio Jadue nach seinem Rücktritt als Präsident des chilenischen Fußballverbandes vor der US-Justiz zum FIFA-Skandal aussagen.
    Zwei Präsidenten südamerikanischer Fußballverbände sind vor Kurzem zurückgetreten - der Chilene Sergio Jadue ist einer davon. (dpa / picture alliance / Sebastian Silva)
    Lautstark empören sich die wartenden Journalisten im Foyer der Zentrale des Brasilianischen Fußballverbandes in Rio de Janeiro: der Kontinentalverband Conmebol will sich zunächst nicht zu den Ergebnissen seiner Krisensitzung äußern. Zwei Tage intensiver Gespräche sind zuvor angekündigt gewesen. Nach viereinhalb Stunden aber ist schon Schluss. Schließlich stellt sich Generaldirektor Gorka Villar, Sohn von UEFA-Interimspräsident Angel María Villar, der Presse - sondert aber nur leere Worthülsen ab.
    "Die Führung der südamerikanischen Fußballkonföderation versucht alle anvisierten Ziele zu erfüllen, die durch die Ereignisse entstanden sind und ich glaube wir sind auf einem guten Weg."
    Für Reporter-Urgestein Silvio Barsetti vom Onlineportal "Terra" ist die Conmebol schlicht am Ende: "Sie ist komplett zerstört, hat keine Repräsentativität mehr, keinerlei moralische Autorität für irgendwas. Zwei Präsidenten südamerikanischer Verbände sind in Haft wegen des FIFA-Skandals, zwei Präsidenten sind im November zurückgetreten, gegen drei weitere wird wegen Veruntreuung ermittelt. Und die übrigen kommen hierher, um Marco Polo Del Nero zu umarmen, weil alle eine große Familie sind."
    Rücktritt als FIFA-Repräsentant
    Das ist natürlich ironisch gemeint. Die Ermittlungen der US-Justiz deuten darauf hin, dass auch Brasiliens Verbandspräsident Del Nero für die Vergabe von Übertragungsrechten Schmiergelder erhalten haben könnte. Deshalb war sein Amtsvorgänger José Maria Marin neben anderen hochrangigen FIFA-Funktionären im Mai 2015 in der Schweiz festgenommen worden. Inzwischen wird gegen Marin in den USA der Prozess gemacht. Just seit der Festnahme hat Del Nero Brasilien nicht mehr verlassen.
    "Er sagt, er habe zu viel zu tun, um zu reisen", erklärt Reporter Silvio Barsetti. "Aber das ist eine Lüge! Jeder weiß, dass das eine Lüge ist! Er reist nicht, weil er Angst hat verhaftet zu werden und bleibt hier, weil Brasilien kein Auslieferungsabkommen mit den USA hat."
    Die Weigerung das Land zu verlassen verschlechterte jedoch die Position der Südamerikaner bei wichtigen Entscheidungen im Weltfußball. Bis zum Treffen am 26. November hielt Del Nero einen von nur drei Sitzen der Conmebol im 25-köpfigen FIFA-Exekutivkomitee, dem höchsten Entscheidungsgremium. Doch der Sitz blieb seit Mai leer. Erwartungsgemäß bestätigte Conmebol-Präsident Juan Angel Napout an dem Tag den Rücktritt von Marco Polo Del Nero als Repräsentant in der FIFA-Spitze.
    "Marco hat darum gebeten, ersetzt zu werden. Er hat viel Arbeit, nicht nur in der Conmebol, sondern auch in Brasilien, das im Fußball einen speziellen Moment durchlebt", so Napout, gleichzeitig FIFA-Vizepräsident, im exklusiven Interview mit dem Medienunternehmen "O Globo", das für den Deutschlandfunk mitgeschnitten wurde.
    Conmebol unterstützt bei FIFA-Wahl europäischen Kandidaten
    Dabei kündigte der Conmebol-Boss auch an, dass bei der Wahl zum neuen FIFA-Präsidenten im Februar die Verbände Südamerikas für den Kandidaten der UEFA, Generalsekretär Gianni Infantino, stimmen werden. Im Gegenzug bleiben den Südamerikanern vier fixe WM-Startplätze garantiert. Zudem sollen sie mehr Einfluss im höchsten FIFA-Gremium erhalten, so Napout:
    "Wenn bei der FIFA-Reform alles gut läuft, wird die Conmebol einen vierten Sitz im Exekutivkomitee bekommen."
    Wer diese Sitze aber einnehmen wird, ist völlig unklar. Zum Zeitpunkt des Treffens in Rio de Janeiro hat offiziell noch der kolumbianische Verbandspräsident Luis Bedoya einen Platz inne. Aber der ist im November 2015 genauso zurückgetreten und in die USA ausgereist, wie sein chilenischer Kollege, Sergio Jadue, gleichzeitig erster Vize der Conmebol. Verschiedene südamerikanische Medien schreiben, beide würden als Kronzeugen im FIFA-Skandal aussagen. Sie sollen beim nächsten Treffen des Kontinentalverbandes Ende Dezember in Paraguay ersetzt werden.
    Ausschuss ermittelt gegen Verbandspräsidenten
    Dass Brasiliens Präsident Del Nero dorthin reist, erwartet ernsthaft niemand. Als Ersatz bei der FIFA hat er einen getreuen Vize vorgeschlagen, Fernando Sarney, den Sohn des Ex-Staatspräsidenten. Das verärgert Del Neros internen Verbands-Konkurrenten Delfim Peixoto:
    "Ich habe lange Zeit nichts gesagt. Aber nach der Aktion heute, einen Vize auszuwählen, der am wenigsten von Fußball versteht, reicht es. Doktor Marco Polo Del Nero soll erklären, warum er nicht reist! Wir sind doch nicht dumm! Als Vize-Präsident habe ich die Nase voll von diesem Blödsinn!"
    Bei einem Rücktritt Del Neros wäre Delfim Peixoto als ältester Vizepräsident laut Statuten dessen Nachfolger. Aber Del Nero denkt gar nicht daran zurückzutreten. Er habe vor bei der nächsten Wahl 2019 erneut anzutreten, ließ er ausrichten. Persönlich äußert er sich nicht mehr. Im brasilianischen Senat ermittelt gegen ihn ein Untersuchungsausschuss unter Leitung von Ex-Weltfußballer Romário - inzwischen Senator. Dessen Spezialisten analysieren seit September 2015 Del Neros Bank- und Steuerdaten, berichtet Martín Fernandez vom Fachblog "Bastidores FC": "Romário hat Marco Polo Del Nero zum Erzfeind. Aber der Ausschuss hat es bisher nicht geschafft, etwas Schwerwiegendes zu finden."
    Mitte November stimmten die Senatoren für eine Verlängerung des Untersuchungsausschusses bis Juli 2016. Vielleicht dauere es noch ein paar Monate, sagt Reporter Silvio Barsetti. Aber er sei sich sicher, dass der Conmebol auch Del Nero abhandenkommen werde. Barsetti schreibt über den brasilianischen Verband seit 27 Jahren, länger als kein anderer:
    "Das Imperium von Marco Polo Del Nero beginnt einzustürzen. Der Rückzug aus der FIFA war der Anfang. Dazu kommen die Ermittlungen des FBI zu Bestechungsgeldern für den Verkauf von Übertragungsrechten und der Untersuchungsausschuss im brasilianischen Senat. Das sind zu viele starke Sachen, als dass er dem widerstehen könnte."