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Südseeinsulaner sehen ihre Lebensgrundlagen in Gefahr

Seit einigen Jahren toben viel häufiger als früher tropische Stürme über Inseln im Südpazifik, berichten ihre Bewohner. Sie haben Angst, dass Grundwasser und Fische knapp werden könnten. Auf der bevorstehenden Klimakonferenz in Warschau wollen sie sich Gehör verschaffen.

Von Peter Kreysler | 06.11.2013
    "Ich denke, man nennt die Inselstaaten das "mahnende Gewissen der Klimaverhandlungen", weil es uns zukommt, das Gewissen der großen industrialisierten Staaten wach zu rütteln: Wir müssen sie immer wieder ermahnen."

    Marlene Moses ist die UN-Botschafterin von Nauru und Sprecherin der AOSIS, der Alliance of Small Islands Staats. Sie bereitet sich dieser Tage auf die nächste Klimakonferenz in Warschau vor, die in ein paar Tagen beginnt. Sie schaut aus dem Fenster auf die Menschen, die den Tag in den sonnigen Straßen von Manhattan genießen. Hier freuen sich die Menschen, wenn im Oktober das Thermometer auf sommerliche 30 Grad steigt. Ganz anders bei den flachen Atoll-Inseln im Südpazifik. Da hat das sich ändernde Weltklima bereits heute verheerende Folgen für die Menschen: Die Inseln drohen unterzugehen.

    "Tuvalu liegt nur eineinhalb Meter über dem Meeresspiegel, wir sind doch nur eine sehr flache Insel. Wir sind bedroht vom stetig steigenden Anstieg des Meeres."

    Elisabeth Muri lebt in Tuvalu, einer der gefährdetsten Inseln. Hier spürt man seit Längerem, welche dramatischen Folgen die Erderwärmung hat. Der UN-Klimarat, IPCC, hat vor einigen Wochen verkündet, dass die Ozeane künftig noch schneller höher steigen werden als bisher angenommen. Denn bis zum Ende dieses Jahrhunderts drohe der Meeresspiegel um bis über 80 Zentimeter anzusteigen. Die kleinen Atoll-Inseln wie Tuvalu, Kiribati oder die Marshall-Inseln werden davon als erstes betroffen sein. Die Vorboten des neuen Weltklimas sind hier bereits angekommen:

    "Wir haben viel mehr Hurrikane in Tuvalu als noch vor zehn Jahren; wenn die kommen, ist es furchtbar, dann geht es um Leben und Tod. Wenn man bei einem tropischen Sturm auf einer kleinen Insel festsitzt, kann man sich kaum vorstellen, dass man ihn je überleben kann, so groß sind die entfesselten Gewalten. Beim letzten Sturm wurde 90 Prozent unserer Vegetation zerstört."

    Traditionell fischen die Frauen in der geschützten Lagune mit ihren hölzernen Kanus, aber in der Lagune spürt man bereits den Anstieg der Wassertemperatur.

    "Wenn die Temperatur in der Lagune weiter ansteigt, werden wir weniger Fischarten haben, auch die schützenden Korallenriffe werden langsam absterben. Die Folgen sind klar, da wir zu hundert Prozent von den Fischen abhängig sind. Und wenn die Korallen beschädigt sind, haben wir nicht genug zu essen."

    Das empfindliche Ökosystem der winzigen Inseln registriert die veränderten Klimabedingungen sofort - mit fatalen Konsequenzen für die Menschen. Elisabeth erklärt, warum die aufwendige Trinkwasserversorgung auf den flachen Atollen lebenserhaltend ist:

    "Unsere Insel liegt nicht sehr hoch über dem Meer; und das hat Auswirkungen auf die Wasserversorgung. Da der Grundwasserspiegel hoch liegt und auch nicht sehr tief ist, lohnt es kaum, Brunnen zu bohren. Wenn jetzt das Meer weiter steigt, dringt das Salzwasser vom Meer zunehmend in den Grundwasserspiegel. Und dann haben wir regelmäßig Dürren, es regnet nicht genug."

    Vor ein paar Wochen machte sich die Botschafterin - um sich auf die Klimakonferenz vorzubereiten - selbst ein Bild von der Situation auf den Inseln im Südpazifik:

    "Ich war nach 20 Jahren kürzlich auf den Marshall Islands - eines der flachen Atolle im Südpazifik. Beim Landeanflug sah ich, dass die Landebahn mitten im Meer liegt. Eine kleine Mauer soll das kleine Rollfeld vor den hereinbrechenden Fluten schützen. Aber diese Deiche mussten bereits mit Sandsäcken erhöht werden. Auch auf den Marshall-Inseln gab es gerade eine sehr große Dürre, es gab nahezu keinen Regen und überall kann man sehen, wie das Land zunehmend von den steigenden Fluten abgetragen wird."

    Ein Thema beim Klimagipfel ist die Frage, was passiert, wenn die Inseln untergehen und ob die Industriestaaten für den Verlust Kompensation leisten müssen.

    Doch die Botschafterin Marlene Moses ist nicht sehr optimistisch; es wird wohl kaum zu konkreten Verhandlungsergebnissen in Warschau bei Weltklimakonferenz kommen: