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"Südtirol ist nicht Italien"

Ein Teil der deutschsprachigen Bevölkerung in Südtirol hat sich den Traum von einer Loslösung von Italien bewahrt. Die "Union für Südtirol" und die neu angetretene politische Bewegung "Freiheit für Südtirol" fordern Südtirols politische Unabhängigkeit. Und damit gewinnen sie in der Bevölkerung immer mehr Anhänger. Kirstin Hausen über die aktuelle politische Stimmung in Südtirol.

27.10.2008
    Wahlwerbespot der "Freiheit für Südtirol":
    "Der Erhalt einer lebenswerten Heimat gehört für uns zu den wichtigsten Aufgaben der Politik, denn hier liegt das Potential für unsere Zukunft."

    Soweit, so gut. Ginge es der Mini-Partei "Freiheit für Südtirol" bloß um Brauchtumspflege und Naturschutz wäre ihre Politik in Südtirol weniger umstritten.

    "Die "Südtiroler Freiheit" ist daher die erste Adresse, wenn es um die Selbstbestimmung geht, denn wir stehen für eine Zukunft ohne Italien."

    Politische Unabhängigkeit für Südtirol - das will in der autonomen italienischen Region nur eine Minderheit, aber eine, die weiß, wie man sich Gehör verschafft.

    "Ja, es gibt die richtigen Patrioten, die auf den Tisch reinhauen und sagen: Los von Rom, los von Rom! Die gibt's schon, aber ich frage mich, ja los von Rom, und was dann? Da habe ich ein großes Fragezeichen."

    Erwin Pichler ist Wirt in Sankt Leonhard im Passeiertal bei Meran. An seinem Tresen wird die politische Zukunft Südtirols gerne diskutiert. Von den deutschsprachigen Bewohnern des Tals.

    " Die Italiener haben hier nicht Fuß gefasst, die haben die falschen Schuhe an, die passen da nicht rauf. Die kann man auf einer Hand zählen, die hier sind."

    In den Tälern leben fast ausschließlich deutschsprachige Südtiroler. Die italienischsprachigen Bewohner sind überwiegend in den Städten, vor allem in Bozen. Sprachgruppenübergreifende Parteien haben es schwer. Die Südtiroler wählen nach ethnischer Zugehörigkeit, auch wenn man offiziell nicht von unterschiedlichen Volksgruppen, sondern von Sprachgruppen spricht.

    "Wir sind einfach ein anderes Volk, wir sind Germanen und die anderen sind Italiener oder Rätoromanen oder wie man sie heißen soll, das ist ein Unterschied und der wird immer bleiben."

    Lorenz Hofer, Hauptmann der Schützenkompanie in Sankt Leonhard, schaut ein wenig verlegen. Er ist jung, noch keine 30. Glattrasiertes Gesicht, braune Augen. Er hat seine Stimme nicht der Südtiroler Volkspartei SVP gegeben, weil er ihre Politik zu konziliant gegenüber Rom findet. Trotz der weitreichenden Autonomie, die die bürgerliche SVP in jahrzehntelangen Verhandlungen für Südtirol erstritten hat.

    "Die Autonomie war damals ein Vorschlag oder eine Idee, die für Südtirol momentan gut passte, aber sicher jetzt überholt ist. Blicken wir nur nach Jugoslawien oder so, da bekommen einige kleine Staaten die Selbstbestimmung, das wäre ja keine große Sache, aber Italien würde an Südtirol viel verlieren. Man muss nur an den Tourismus denken oder an die Elektrizität. 60 Prozent des Stroms, der in Südtirol produziert wird, geht nach Italien. Und diese 60 Prozent müsste Italien dann von Südtirol kaufen, das wären enorme Summen."

    Lorenz Hofer kann sich nicht mit der politischen Zugehörigkeit zu Italien abfinden. Und er hat Angst, um das, was die Landesregierung erreicht hat. Dem italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi und seinen Verbündeten von der "Alleanza nazionale" traut er jedenfalls nicht.

    "Unsere Autonomie ist sicher ein Schutz für uns, aber man muss bedenken, es ist nur ein Geschenk Italiens an Südtirol und Geschenke sind, gell, nicht etwas fixes, oder wie soll man sagen: Italien könnte jeder Zeit sagen, Autonomie brauchts Ihr keine mehr, es geht auch ohne."

    Das Thema der Autonomie ist zentral für die politische Stimmung in Südtirol. Auch, weil mit der Regierung Berlusconi in Rom wieder ein Parteienbündnis an die Macht gekommen ist, das sich in der Vergangenheit als ausgesprochen autonomiefeindlich erwiesen hat. Denn zur Autonomie gehört auch, dass Rom die Steuern aus Südtirol zu 90 Prozent zurück an die Region überweisen muss. Damit entgeht der Zentralregierung in Rom Jahr für Jahr eine stattliche Summe.