Donnerstag, 28. März 2024

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Südtiroler Berghütten
Politische Kontroverse in 2000 Metern Höhe

In vielen Städten und Gemeinden wird über den Umgang mit historisch belasteten Straßennamen diskutiert. In Südtirol führt man eine ähnliche Debatte, denn viele Berghütten tragen noch heute den Namen italienischer Faschisten. Der Landtag in Bozen hat zwar entschieden, den Hütten wieder die ursprünglichen Namen zu geben, doch es hapert an der Umsetzung.

Von Susanne Lettenbauer | 28.09.2016
    Blick auf die Schutzhütte "Schöne Aussicht" bei Kurzras im Südtirol.
    Viele Schutzhütten in Südtirol tragen Namen, die noch aus der Zeit des italienischen Faschismus vor rund 90 Jahren stammen. (picture alliance/ dpa/ Udo Bernhart)
    Der Weg zur Edelrauthütte, 30 Kilometer östlich von Brixen gelegen, zieht sich idyllisch durch die Dolomiten. Auf 2545 Metern Höhe steht diese Hütte, errichtet 1907. Hüttenwirt Much Weissteiner bewirtschaftet das beliebte Ausflugsziel seit gut 15 Jahren, in Familienhand ist es seit 44 Jahren. Für ihn ist die Hütte nur die "Edelrauthütte". Auf seiner Webseite steht aber auch die italienische Bezeichnung Rifugio Ponte de Ghiaccio, so umbenannt vor knapp 100 Jahren von dem römischen Politiker und Mussolini-Verehrer Ettore Tolomei. Die deutschen Bezeichnungen sollten nach der Enteignung des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins 1919 verschwinden:
    "Für uns als Hütter ist es das unangenehmste, dass durch die Umbenennung drei Namen entstanden sind, aus der ursprünglichen Edelrauthütte wurde, weil der Tolomei wusste nicht was er mit der Edelraute anfangen sollte, einfach der Namen des Jochs oben, das ist das Eisbruggjoch, und genauso hat er dann die Hütte genannt, aber eben auf italienisch, da ist eben das Rifugio Ponte de Ghiaccio draus geworden."
    Die verschiedenen Namen sorgen für Verunsicherung
    Immer wieder kämen Wanderer und fragten ihn, wo denn die Edelrauthütte wäre, ärgert sich der Wirt. In den amtlichen Wanderkarten sei oft nur die Eisbruggjochhütte eingezeichnet. Er würde es begrüßen, wenn endlich der Landtagsbeschluss umgesetzt würde und nur noch die ursprünglichen Namen gelten. Gleichzeitig wiegelt er ab.
    "In Italienisch wird man jetzt nicht anfangen, aus dem Edelraut eine Edelrauto-Hütte oder so was zu machen, da würde ich es bei dem Rifugio Ponte de Ghiaccio belassen, ohne irgendwelche Diskussionen in dieser Richtung aufkommen zu lassen. Denn wenn man die italienische Bezeichnung weglässt, dann kennt sich überhaupt niemand mehr aus am Ende."
    "Einige Hütten tragen die Namen von italienischen Faschisten"
    Vor kurzem wurde die über 100 Jahre alte Hütte abgerissen und ein moderner Neubau eingeweiht, mit viel Glas und Holz, nicht unumstritten bei den Wanderern. Zeit für einen Neuanfang. Für die Freiheitlichen Südtirols, die am liebsten ein vereinigtes Tirol sehen würden, ein passender Anlass, gegen den faschistischen Namen Rifugio Ponte de Ghiaccio zu wettern. Tatsächlich tragen einige der 26 Hütten unter Südtiroler Verwaltung auch Namen von italienischen Faschisten. Dass man diese umbenennen sollte, ist auch Hans Heiss von den Grünen Südtirols klar. Der Landtag dürfe sich aber nicht vor den Karren der extremen Parteien spannen lassen, ob nun Lega Nord von italienischer Seite oder die Freiheitlichen auf südtiroler Seite. Ein schmaler Grat:
    "Da würde ich es sogar wünschen, dass die Dreizinnen-Hütte nicht mehr nach Locatelli benannt ist oder die Zsigmondy-Hütte nicht nach Emilio Comici, ein faschistischer Amtsbürgermeister. Also hier würde meiner Ansicht nach ein Zeichen angebracht, dass man sagt: Okay, wir hören mit diesen Namen auf, die sind wirklich ein Bindeglied in die faschistische Epoche, damit ist gewissermaßen ein Zeichen der Sühne gesetzt. Aber die anderen Namen sollten aus meiner Sicht weitestgehend erhalten bleiben."
    Landesrat für italienische Kultur sorgt für Kritik
    Für Kritik sorgt vor allem Christian Tomassini, Landeshauptmannstellvertreter und Landesrat für italienische Kultur und Bildung. Bei der Einweihung der neuen Edelrauthütte verwendete er selbstverständlich die italienische Bezeichnung. Gegen über dem Deutschlandfunk äussert er sich schriftlich, dass "die Verwendung der deutschen und italienischen Namen der Südtiroler Schutzhütten vom Gesetz geregelt ist und daher meinerseits keinerlei Grund für jedwede politische Spekulationen besteht. Doch der Landtagsbeschluss muss nun umgesetzt werden. Landeshauptmann Arno Kompatscher lässt daran auch keine Zweifel. Denn es geht nicht nur um Hüttennamen, sondern auch um Orts- und Flurnamen:
    "Für die Ortschaften sollen künftig neben den originären und ladinischen Namen nur noch die italienischen Namen gelten, die in einem weitgehenden Gebrauch sind und dafür soll eine Kommission eingesetzt werden und damit will man auch das Problem Schutzhütten lösen."
    Komissionsentscheidung steht noch aus
    70 Jahre nach dem Pariser Vertrag von 1946, der Südtirol innerhalb Italiens einen Autonomiestatus gewährte, sollten die historischen Namen wieder in den Karten stehen, meint Kompatscher. Der Südtiroler Alpenverein plant unterdessen, an den Hütten Tafeln zur Geschichte anzubringen. Ein Wegfall der italienischen Namen befürwortet Präsident Georg Simeoni nicht. Ob Hüttenwirt Much Weissteiner den Namen Rifugio Ponte de Ghiaccio von seiner Edelrauthütten-Webseite löschen muss, weiß er noch nicht. Er muss sich von der Kommissionsentscheidung überraschen lassen. Er fände es aber unnötig und in einer anerkannten Euroregion Tirol- Südtirol-Trentino unpassend.