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Supermarkt-Ketten
Die gefährliche Macht der großen Vier

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat erlaubt, dass der Supermarkt-Riese Edeka den maroden Konkurrenten Kaiser's/Tengelmann übernehmen darf. Damit baut der Konzern mit dem blauen E seine ohnehin deutliche Vormachtstellung noch weiter aus. Nicht nur das Kartellamt warnt vor einer gefährlichen Tendenz zur Konzentration im Lebensmittel-Einzelhandel.

Von Oliver Ramme | 29.03.2016
    Einkaufstüten von Kaiser's, Tengelmann und Edeka, aufgenommen am 06.07.2015 in Mülheim (Nordrhein-Westfalen).
    Der Schutz des Verbrauchers vor einem Verlust an Händlerauswahl - das war für das Bundeskartellamt nicht das einzige Argument gegen die Fusion. (picture alliance / dpa / Roland Weihrauch)
    "Damit schaffen Sie ein Wahnsinns-Einkaufserlebnis. Und es gibt keine Abteilung, wo Sie so viele verschiedene Farben haben wie in einer Obst- und Gemüseabteilung. Da können Sie unglaublich viel Geld mit verdienen, wenn sie es gut machen."
    Eintritt in den Supermarkt. Zu Anfang - wie immer - die Obst- und Gemüseabteilung. Gedacht als Hingucker, als Anreiz. Gerd Schallenberg führt nicht ohne Stolz durch seinen Edeka-Markt. Der Boden ist dunkelgrau, die Wände in hellem Grün. An der Decke, etwas verdeckt, die Neonröhren. Hell, modern und fast ein wenig nobel wirkt dieses Geschäft.
    Etwa 1.000 Quadratmeter Verkaufsfläche, ein mittelgroßer Supermarkt. Die Regale stehen eng beieinander und sind von oben bis unten dicht gefüllt mit Keksen, Kaffee, Schokolade, Wein, Waschmittel. Jeder noch so kleine Platz wird für die Warenausstellung gebraucht. 20.000 Artikel bietet Schallenberg seinen Kunden.
    "Regallücken, da acht' ich drauf. Wo also die Bestellung suboptimal gelaufen ist. Natürlich auf Sauberkeit und Ordnung, dass nicht irgendwas auf dem Boden liegt, dass kein Dreck rumliegt. Und wenn ich nicht gerade mit Ihnen rede, begrüße ich unsere Kunden. Das ist für uns eine Selbstverständlichkeit. Also, diesen persönlichen Kontakt aufbauen."
    Schallenbergs Supermarkt am Barbarossa-Platz in Köln ist ein mikroskopischer Teil der Edeka-Genossenschaft. Edeka, das ist ein straff organisiertes Handelsimperium, insgesamt 12.000 Verkaufsstellen machen die Edeka zur Nummer eins in Deutschland - wenn es um den Verkauf von Lebensmitteln geht. Zum Ärger vieler baut der Konzern mit dem blauen E auf gelbem Grund seine Vormachtstellung weiter aus. Denn es gibt politischen Rückenwind.
    "Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe heute die Antragssteller und die Beigeladenen in dem Verfahren Edeka-Kaisers-Tengelmann darüber informiert, dass ich eine Ministererlaubnis mit Nebenbestimmungen erteilt habe."
    Am 17. März trat Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel vor die Presse in Berlin und verkündete die Fusion von Edeka mit dem Einzelhandelszwerg Kaisers/Tengelmann. Gabriel erteilte eine in Deutschland sehr seltene Ministererlaubnis und will damit ein Machtwort sprechen - nach Monaten, nach Jahren des Streits um die Fusion.
    Entscheidendes Argument für den SPD-Minister ist der Erhalt der rund 16.000 Arbeitsplätze, über die Kaisers/Tengelmann noch verfügt. Mit seiner Ministererlaubnis für die Fusion setzte sich Gabriel über Bedenken des Bundeskartellamts und der Monopolkommission hinweg. Die Reaktionen blieben nicht aus. Noch am Tag der Verkündung trat der Vorsitzende der Monopolkommission zurück. Der Wirtschaftswissenschaftler Daniel Zimmer teilte per Brief mit:
    "Eine Fortführung meiner Tätigkeit in der Monopolkommission erscheint mir nicht sinnvoll, wenn eine einstimmig erteilte Empfehlung der Kommission in einem eindeutigen Fall nicht angenommen wird.
    Daniel Zimmer, ehemaliger Vorsitzender der Monopolkommission.
    Daniel Zimmer, ehemaliger Vorsitzender der Monopolkommission. (Imago / Metodi Popow)
    Auch der neue Chef der Monopolkommission, Achim Wambach, kritisierte – quasi als erste Amtshandlung - die Ministererlaubnis und die Fusion Edeka-Kaisers/Tengelmann.
    So viel Kritik - nur warum? Auf dem Blatt Papier geht es lediglich um rund 450 Kaiser's-Tengelmann-Filialen, die wirtschaftlich alleine kaum noch überlebensfähig sind und nun – baldmöglichst - in das Edeka-Riesenreich integriert werden sollen. Der größte Lebensmitteleinzelhändler Deutschlands schluckt die angeschlagene Nummer sieben. Ein normaler ökonomischer Vorgang, könnte man meinen. Doch die Fusion verstärkt einen problematischen Trend: Die stetig wachsende Konzentration im Lebensmitteleinzelhandel. Deswegen fühlte sich vor Gabriels Ministererlaubnis auch das Bundeskartellamt berufen, den Fall näher anzuschauen. Denn Präsident Andreas Mundt blickt mit Sorge auf diese Veränderungen.
    "Wir haben es im Lebensmitteleinzelhandel mit einer sehr konzentrierten Branche zu tun. Vier Unternehmen mit 85 Prozent Marktanteil in Deutschland. Und wir haben eine sehr konzentrative Entwicklung hinter uns. Wenn Sie die 90er-Jahre nehmen, da hatten wir noch sieben oder acht Unternehmen, die einen gemeinsamen Marktanteil von 70 Prozent hatten. Also hier hat sich über die Jahre eine starke Konzentration ergeben."
    Das Kartellamt untersagte die Fusion im vergangenen Jahr
    Wer sind die großen Vier, die heute den Lebensmittelmarkt in Deutschland dominieren? Marktführer ist – wie erwähnt - die Edeka mit ihrem Discounter Netto. Nahezu jeder vierte Euro bei einem Lebensmitteleinkauf in Deutschland landet in einer Edeka- oder Netto-Filiale. Deutlich der Abstand zum Zweitplatzierten, die Kölner Rewe-Gruppe. Zu Rewe gehört der Discounter Penny. Fast gleichauf die Schwarz-Gruppe, zu der neben Lidl auch die Kaufland-Märkte zählen. Auf Rang vier dann die Discount-Marktführer Aldi Nord plus Aldi Süd.
    Durch die Fusion mit Kaiser's-Tengelmann wird die Vormachtstellung von Edeka weiter anwachsen. Und sie setzt eine Reihe von Zusammenschlüssen fort. Die Kölner Rewe Group hat in den vergangenen Jahren die Händler Minimal, HL bzw. Penny geschluckt. Die Spar-Supermärkte und auch der Lebensmitteldiscounter Plus gingen im Edeka-Imperium auf. Nun auch noch 450 Kaiser'-/Tengelmann-Filialen – das ging dem Bundeskartellamt eigentlich zu weit.
    Die Bonner Behörde untersagte die Fusion bereits im letzten Jahr, weil es aus Sicht der Kartellwächter in bestimmten Regionen zu einer unverantwortlichen Dichte an Edeka-Märkten gekommen wäre. Sprich, der Konsument hätte eine eingeschränkte Händlerauswahl gehabt. Fühlt sich das Kartellamt von Gabriel übergangen?
    "Der Minister lässt ja die Feststellung der Wettbewerbsschädlichkeit stehen. Wir werden nicht korrigiert. Der Minister sagt, es gibt Gründe, Gemeinwohlgründe, die Fusion zuzulassen. Hier ist es die Erhaltung von Arbeitsplätzen."
    Zur fortlaufenden Kritik an der Ministererlaubnis äußert sich Mundt kurz und knapp.
    "Das Ministererlaubnisverfahren hat seinen eigenen Gang, das können wir nicht kommentieren."
    Der Schutz des Verbrauchers vor einem Verlust an Händlerauswahl - das war für das Bundeskartellamt nicht das einzige Argument gegen die Fusion. In einer breit angelegten Sektoruntersuchung, in der Markenhersteller und Einzelhandelsunternehmen befragt und Preisverhandlungen analysiert wurden, ging es um das Machtverhältnis Lebensmitteleinzelhandel und Produzenten.
    "Der Handel ist bezüglich vieler Hersteller und vieler Produkte marktmächtig."
    Das bedeutet: Die Supermärkte diktieren den Herstellern die Preise. Das gelte vor allem für kleine und mittlere Produzenten. Mundt gibt aber auch zu bedenken:
    "Aber wir haben da auch ein differenziertes Bild vorgefunden. Sie haben natürlich auch Produkte, wo sich der Einzelhandel und die Hersteller auf Augenhöhe begegnen. Das sind die sogenannten Must Haves; Produkte, auf die der Lebensmitteleinzelhandel nicht verzichten kann."
    Lebensmittelproduzenten missfällt die Konzentration auf Händlerseite
    Markenartikel wie Nutella, Haribo, Milka oder Coca Cola zum Beispiel. Und Konzerne wie Ferrero, Nestle, Unilever oder Coca Cola Company wissen um die Unverzichtbarkeit ihrer Produkte. Diese Must Haves machen aber nur rund sechs Prozent in den Regalen eines Vollsortimenters wie Rewe, Edeka, Real oder Kaufland aus, die hauptsächlich mit Markenartikeln handeln. Wer über keine Must Haves verfügt – und das sind vor allem kleine und mittlere Hersteller - scheint den Handelsgiganten unterlegen.
    Auch die Produzenten von Lebensmitteln beobachten argwöhnisch, fast ängstlich die Konzentration auf Händlerseite. Durch die Ballung gibt es weniger Handelspartner, mit denen die Produzenten lukrative Preise aushandeln können. Die Stimmung bei den Produzenten ist deshalb nicht gut, meint Andreas Gayk vom deutschen Markenverband.
    "Die Töne sind rauer geworden, die Forderungen, die gestellt werden, sind härter, sind weniger begründet. Der Fokus zwischen Einzelhändler und Lieferanten ist ausschließlich auf die Preisstellung gerichtet, auf die Möglichkeit, zusätzliche Rabatte zu gewähren und nicht auf die Frage: Wie gestalte ich mein Sortiment wirklich sinnvoll? Wie kann ich in eine Situation kommen, in der wir über Vermarktung sprechen? Welche Angebote sollten wie in welcher Form platziert werden? All diese Fragen werden kaum noch gestellt, sondern es geht im Kern darum, die Preise zu drücken als wesentliches Element der Verhandlungen."
    Dass viele Hersteller - auch konkurrierende Handelshäuser - die Edeka-Kaiser's-Tengelmann-Fusion scharf kritisieren, erfährt man nur hinter vorgehaltener Hand.
    Lediglich der schwäbische Delikatessenhersteller Hengstenberg will sich äußern, wenn auch nur schriftlich. Steffen Hengstenberg, Geschäftsführer des Esslinger Traditionsunternehmens, auf die Frage, wie gut die Händler über Hengstenbergs Produkte und Preisspielräume Bescheid wissen:
    "Was die Preistransparenz betrifft – diese ist enorm. Die Händler kennen alle Marktbewegungen bis auf den Cent genau, bei Rohwaren, Verpackungsmaterialien und auch beim Wettbewerb."
    Und, wie laufen dann die jährlichen Verhandlungen mit den großen Handelsunternehmen wie Edeka oder Rewe ab?
    "Selbstverständlich ist man sich in Verhandlungen nicht immer und sofort einig. Wir haben oft sehr zähe und harte Verhandlungen, oft bis zur Schmerzgrenze."
    Bis über die Schmerzgrenze hinaus müssen oft nicht nur die kleinen und mittleren Hersteller gehen.
    Auch gegenüber den Rohstofferzeugern ist die Marktmacht der Händler groß, denn diese haben wenige Möglichkeiten, ihr Produkt zu veredeln oder eine Marke zu entwickeln für Obst, Gemüse, Fleisch oder Milch. Der Deutsche Bauernverband beispielsweise kritisiert die Fusion Edeka-Kaiser's/Tengelmann. Selbst mit den vom Wirtschaftsminister erwirkten Auflagen – zum Beispiel dem Erhalt der Arbeitsplätze.
    Skeptisch ist auch der deutsche Milchindustrieverband, der für die 100 deutschen Molkereien spricht. Die Molkereien verpacken die Milch und stellen Joghurt oder Käse her. Milch genießt keine hohe Kundentreue, oft ist der Preis das entscheidende Kaufkriterium. Björn Börgermann vom Milchindustrieverband beklagt:
    "Fakt ist letztendlich, dass durch diese Konzentration uns Verhandlungspartner fehlen, wo man auch mal neue Produkte, andere Produkte anbieten kann. Für uns als Verarbeiter ist es immer besser, man hat eine größere Auswahl."
    Neue, andere Produkte - sprich Innovationen - sind notwendig, um sich von der bloßen Rohware abzusetzen. Wie in kaum einer anderen Produktsparte kennen die Großabnehmer die Herstellerpreise für Milchprodukte bis ins Detail und nutzen das aus Sicht von Börgermann aus. Die Molkereien würden sogar gegeneinander ausgespielt.
    "Und da ist es für eine Molkerei schwierig zu sagen: Der Preis gefällt mir nicht, ich möchte einen ganz hohen Preis haben. Denn im Zweifelsfall verliert er diese Absatzmenge und muss dann zusehen, dass er diese Menge in ein anderes Produkt gibt. Das kann nach Marktlage einfach sein, wenn beispielsweise der Export gut funktioniert und man einen Käse besonders nachfragt. Aber derzeit ist es eine schwierige Marktsituation, und dann ist eben eine solche Situation besonders schwierig."
    Welche Konsequenzen dieser Kostendruck auf die Qualität der Produkte hat, lässt sich nur erahnen; bildet sich aber etwa in der Massentierhaltung ab. Je höher der Druck im Inland, desto mehr sind die Hersteller auch genötigt, sich nach Exportmärkten umzuschauen. Wichtig ist Hengstenberg, zu einer Forderung auch "nein" sagen zu können, ohne Arbeitsplätze zu gefährden oder gar das ganze Unternehmen zu riskieren, und sich durch weitere Standbeine und Vertriebskanäle aus der Abhängigkeit von einzelnen Partnern zu begeben. Wir treiben die Internationalisierung voran und investieren in den Ausbau des weltweiten Exportgeschäfts. Die Bedingungen in den internationalen Märkten sind andere.
    Was nicht automatisch bedeutet, dass diese auch einfacher sind. Denn viele europäische Länder beklagen eine ähnliche Machtkonzentration auf Händlerseite. Schweden zum Beispiel oder England. Auf den britischen Inseln verfügt Marktführer Tesco über noch mehr Vorsprung vor der Konkurrenz als Edeka in Deutschland. In der Schweiz haben genau zwei Konzerne das Sagen: Migros und Coop. Einzig in Italien operieren mehrere Handelskonzerne auf Augenhöhe, sprich mit ähnlich großen Marktanteilen. Wobei der deutsche Markt sich als besonders undurchlässig für ausländische Händler erwiesen hat: Sowohl der französische Intermarche-Konzern, die Schweizer Migros als auch der US-Händler Wal Mart haben schnell ihre Deutschland-Abenteuer aufgegeben.
    Umgekehrt sind deutsche Händler, namentlich die Discounter, erfolgreicher. Allen voran Lidl und Aldi. Professor Justus Haucap von der Universität Düsseldorf, Spezialist für Handel und Wettbewerb, beobachtet den internationalen Markt.
    "Die Unternehmen in Deutschland haben sehr, sehr unterschiedliche Strategien. Es gibt die Discounter wie Lidl und Aldi, und die expandieren ganz massiv und erfolgreich auch ins außereuropäische Ausland. Ob das Australien ist oder Nordamerika. Großbritannien ist ein besonders interessanter Fall, weil dort die großen Supermärkte erheblich unter Druck durch die deutschen Discounter gesetzt werden und diese Konzepte dort Anklang finden."
    Das Prinzip der Discounter: Schmales Warensortiment, kaum Markenartikel, einfache Warenpräsentation - meist im aufgeschnittenen Karton - und niedriger Personalaufwand.
    Eine Filiale von Aldi-Süd in Bonn
    Eine Filiale von Aldi-Süd in Bonn (dpa picture alliance)
    Diese schlanken Strukturen haben auch den deutschen Handelsplatz aufgewirbelt. Und die Discounter lassen sich laut Justus Haucap immer neue Strategien einfallen, die Vollsortiment-Supermärkte anzugreifen.
    "Bei den Vollsortimentern sieht man schon die Notwendigkeit, sich weiterzuentwickeln. Da man von unten angegriffen wird. Es gibt eine gewisse Verstimmung, dass sich die Markenhersteller jetzt auch bei Aldi ins Regal legen. Das ist natürlich unangenehm, aber damit muss man leben. Das ist für den Verbraucher eine schöne Sache, wenn er die Milka-Schokolade auch bei Aldi kriegt."
    Aldi Süd, aber auch Lidl bauen in ihr schmales Sortiment zunehmend wichtige Markenartikel ein, die Must Haves, damit der Kunde nicht noch zum konkurrierenden Vollsortiment-Supermarkt geht. Die Unterschiede im Artikelangebot werden allerdings gewaltig bleiben. Vollsortimenter können, je nach Verkaufsfläche, ihren Kunden 20.000, 30.000, bis zu 100.000 verschiedene Artikel bieten. Ein Discounter um die 1.000 bis 2.000 Artikel. Doch auch bei der Kundenfreundlichkeit rücken die Discounter den Vollsortimentern auf die Pelle. So feile Aldi bereits am Markt der Zukunft, heißt es. Mit Kaffeeautomaten, Hintergrundmusik und - Kundentoiletten!
    Noch aber verteidigen die Vollsortimenter sich selbstbewusst. Zurück im Edeka-Markt in Köln.
    "Billige Lebensmittel haben wir nicht, wir haben preiswerte Lebensmittel. Das ist schon mal ein großer Unterschied."
    Mit Eigenmarken die Hersteller unter Druck setzen
    Supermärkte wie der von Gerd Schallenberg sind mit allerlei Raffinessen ausgestattet, um den Käufer zu verführen. Auffällig sind die vielen Eigenmarken, die um ein Markenprodukt angeordnet sind. Die Kekse, der Schinken, das Müsli heißen dann "Ja", "Gut und Günstig", "TIP", "Feine Welt". Diese Marken werden von den Händlern in Auftrag gegeben. Dahinter stecke auch Kalkül, so Andreas Gayk vom Markenverband.
    "Ich kann immer sagen: Pass auf, wenn wir uns nicht einigen in den Verhandlungen, dann habe ich noch meine Eigenmarken, die ich den Kunden anbieten kann. Insofern werden solche Eigenmarken strategisch eingesetzt, um Hersteller unter Druck zu setzen."
    Justus Haucap hingegen spricht den Herstellern die Opferrolle ab. Schließlich schließe sich die Produzentenseite auch zusammen. Die Kleinen würden von den mittleren, und die von den großen Produzenten geschluckt. Die Strukturen erinnern an eine russische Matrjoschka-Puppe. Und auch die Kleinen könnten Macht entfalten, erklärt der Ökonom von der Universität Düsseldorf.
    "Da gab es in Süddeutschland eine kleine lokale Biermarke, die mit einer Supermarktkette in Süddeutschland nicht handelseinig wurde. Und was man da gesehen hat ist, obwohl da nur eine kleine und regional bekannte Biermarke die Kette in Schwierigkeiten brachte, weil die nicht nur die Bierverkäufe verloren hat, sondern die Kunden gesagt haben: 'Wenn es die Biermarke nicht mehr gibt, dann kaufe ich nicht nur mein Bier woanders, sondern tätige meinen Wochenendeinkauf woanders' Also: auch kleine Marken können unheimlich wichtig sein für Leute."
    Händler beharken sich untereinander, und Produzenten müssen knallharte Preiskämpfe führen. Der Konsument profitiert nur bedingt. Die Warenpreise in Deutschland liegen leicht über dem europäischen Durchschnitt.
    Daran wird auch die Fusion Edeka/Kaiser's-Tengelmann nichts ändern. Nur ist die noch immer nicht in trockenen Tüchern. Zum einen muss sich Edeka, laut Ministererlaubnis, mit der Gewerkschaft der Kaiser's-Tengelmann-Angestellten einigen. Dies scheint die kleinere Hürde. Viel schwerer wiegt der Umstand, dass Hauptkonkurrent Rewe beim Oberlandesgericht Düsseldorf eine Beschwerde eingereicht hat. Ebenso die Handelskooperation Markant. Damit könnte ein juristischer Prozess in Gang gesetzt werden, der die Fusion – zumindest - aufschiebt. Wieder einmal!
    Und Kaiser's-Tengelmann läuft langsam die Zeit weg. Erste Filialen mussten bereits schließen. Vielleicht gibt es bald nichts mehr zu fusionieren. Was ihre Versorgung angeht, brauchen sich die Konsumenten aber keine Sorgen zu machen: Deutschland ist das Land mit der zweithöchsten Supermarktdichte in Europa. Auch ohne Kaisers/Tengelmann.