Freitag, 19. April 2024

Archiv


Supertrawler im Kreuzfeuer der Kritik

Umweltverbände fordern vor der Verabschiedung des neuen EU-Fischereiabkommens, kleinere, nachhaltige Fischerei zu fördern. Die großen Supertrawler, die bis zu 300.000 Kilogramm Fisch an einem Tag fangen, seien im äußersten Fall eine große Umweltbedrohung.

Von Kerstin Schweighöfer | 07.06.2013
    Keiner hat größere Schiffe, bis zu 146 Meter lang sind sie - schwimmende Fischfabriken, in denen der Fang gleich an Bord sortiert und tiefgefroren werden kann.

    Die niederländische Reederei Parlevliet-van der Plas besitzt insgesamt 15 dieser hoch technisierten Trawler – darunter die fünf größten der Welt. Sie geraten regelmäßig in die Schlagzeilen, erst vor Kurzem wieder: Parlevliet-van der Plas soll sich des sogenannten Highgradings schuldig gemacht haben. Der Fischkonzern habe versucht, den Fang eines Schiffes aufzuwerten, und deshalb 1,5 Millionen Kilogramm Fisch aussortiert und über Bord gekippt, um so Platz zu schaffen für teureren Fisch. Ort des Geschehens: die unter deutscher Flagge fahrende Jan Maria.

    Bewiesen ist bislang noch nichts. Aber, so fordert die Umweltschutzorganisation Greenpeace: Diese Giganten der Ozeane müssten möglichst schnell aus dem Verkehr gezogen werden:

    "”Was sich an Bord von Schiffen wie der Jan Maria abspielt, lässt sich nur sehr schwer kontrollieren”",

    sagt Pavel Klinckhamers von Greenpeace in Amsterdam.

    "Kontrolleure lassen sich bestechen, Kameras können manipuliert werden. Deshalb ist es besser, wenn diese Schiffe Platz machen für selbstständige, nachhaltige Fischer."

    Die gibt es in den Niederlanden kaum noch – anders als in Spanien oder Frankreich. Die spanischen und französischen Fischer sind auf die hoch technisierte Konkurrenz aus dem Polderstaat im Norden nicht gut zu sprechen. Supertrawler wie die Jan Maria bezeichnen sie als "Staubsauger der Meere”:

    ""Sie wollen uns kaputtmachen”",

    klagten Fischer aus Cherbourg im niederländischen Fernsehen ihr Leid.

    Supertrawler wie die Jan Maria können bis zu 300.000 Kilogramm Fisch fangen – pro Tag. Der Beifang allerdings ist relativ gering. Es gehen vergleichsweise wenige Fische ungewollt ins Netz, da die Supertrawler ausschließlich sogenannte pelagische Fischsorten fangen: Schwarmfische wie Hering oder Makrelen. Im Gegensatz zu Schollen- oder Seezungenfischern pflügen sie mit ihren Netzen auch nicht den Seeboden um - ein zweites großes Problem.

    Und den pelagischen Fischsorten gehe es gut, das ist Carolien Vrolijk wichtig. Sie selbst besitzt zwölf hoch technisierte Trawler und leitet die Reederei Vrolijk, einen der drei größten Fischkonzerne der Niederlande:

    ""Die Heringsbestände sind in den letzten zwei Jahren wieder angewachsen. Außerdem ist der CO2-Ausstoß bei keinem anderen Fisch- oder Fleischprodukt so niedrig - eben weil wir den Fisch sofort einfrieren und länger auf See bleiben können.”"

    Wenn die großen Trawler alle Vorschriften beachten, hielten sich die Auswirkungen für die Umwelt in Grenzen, bestätigt auch Christien Absil von der niederländischen Umweltschutzorganisation Stichting Noordzee. Aber, betont sie:

    ""Wenn etwas schief läuft, geht es auch gleich ganz gewaltig schief, dann sind die Folgen für die Umwelt extrem.”"

    Deshalb verlangt die Umweltschutzorganisation zusammen mit Greenpeace eine Renaissance der kleinen nachhaltigen Fischerei – und einen sofortigen Subventionsstopp für die großen Reeder. Brüssel unterstützt diese nach wie vor mit Millionen. Für den Bau neuer großer Supertrawler. Oder den Erwerb von Fischrechten, etwa in Afrika.

    Eine weitere Forderung: realistische Fangmengen, um die Fischbestände nicht weiter zu verringern. Bislang seien die Quoten viel zu hoch. Ausschlaggebend müssten wissenschaftliche Erkenntnisse sein – und nicht länger die Lobby der Fischindustrie.

    Dann könnte man vielleicht dem Sterben der Aale Einhalt bieten. Dann könnte wieder Kabeljau gefangen werden, der eineinhalb Meter misst und nicht bloß 40 Zentimeter. Und dann, so wünscht sich Pavel Klinckhamers, könnte vielleicht sogar der Blauflossen-Thunfisch zurückkehren, der vor 60 Jahren aus der Nordsee verschwand.