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Sure 7 Vers 11
Die Geschichte des Teufels

Der Koran kennt ebenfalls die Geschichte des Teufels. Gott erschafft ihn und fordert ihn auf, sich niederzuwerfen. Doch er weigert sich. Die Geschichte hat viele Ähnlichkeiten mit der christlichen und jüdischen Erzählung. Aber sie unterscheidet sich auch in wesentlichen Punkten.

Von Prof. Dr. Gabriel Said Reynolds, Universität Notre Dame, Indiana, USA | 23.12.2016
    "Wir erschufen euch, dann gestalteten wir euch. Dann sprachen wir zu den Engeln: 'Werft euch vor Adam nieder!'."
    In nicht weniger als sieben verschiedenen Suren erzählt der Koran vom Sturz des Teufels aus dem Himmel. Die Geschichte beginnt, als Gott allen Engeln befiehlt, sich vor Adam - also dem Menschen - niederzuwerfen, den Gott soeben erschaffen hatte. Alle Engel gehorchen dem göttlichen Befehl - bis auf einen, den Teufel. Im Arabischen heißt er: Iblîs. Als Gott ihn zur Rede stellt, erklärt er laut Sure 7 Vers 12: "Ich bin besser als er. Mich schufst du aus Feuer, ihn schufst du aus Lehm."
    Die Sendereihe Koran erklärt als Multimediapräsentation
    Diese Geschichte sorgte für große Verwirrung unter klassischen muslimischen Auslegern des Korans. Das arabische Wort für "niederwerfen" in Vers 7:11 heißt: "sadschada". Es ist exakt das Wort, das benutzt wird, um das Niederwerfen der Muslime beim Gebet zu bezeichnen. Und es ist das Wort, von dem der arabische Begriff für Moschee abgeleitet ist: "masdschid". Anders gesagt: Diese Geschichte erscheint so, als habe Gott den Engeln befohlen, sie sollten Adam anbeten. Das würde das zentrale islamische Prinzip verletzen, wonach die Anbetung allein Gott gebührt.
    Um dieses Problem zulösen, argumentierten manche Korankommentatoren, es handele sich hier um eine spezielle Form des "Niederwerfens", die nur einen Gruß impliziert, nicht ein Gebet. Sie verglichen die Verbeugung der Engel vor Adam oft mit der Josefs-Erzählung im Koran, wonach sich dessen Brüder und dessen Eltern in Ägypten auch vor ihm niederwarfen.
    Porträt von Gabriel Said Reynolds.
    Gabriel Said Reynolds lehrt an der katholischen Privatuni in der Stadt Notre Dame im US-Bundesstaat Indiana. (priv.)
    Andere bemühten sich, das Problem mit der Vorstellung zu lösen, die Engel hätten sich in Wirklichkeit vor Gott niedergeworfen. Adam diente im Grunde nur dazu, die Richtung vorzugeben, so wie die Nische in einer Moschee die Richtung nach Mekka vorgibt.
    Eigentlich lässt sich die Geschichte am besten verstehen, wenn man sie im Lichte ihrer Beziehungen zur christlichen Tradition betrachtet. Die Erzählung über die Anbetung Adams durch die Engel findet sich zwar nicht in der Bibel, aber sie sticht in einigen Texten hervor, die zeitlich nach der Bibel aber vor dem Koran aufgeschrieben wurden. Darunter ist eine syrische Schrift mit dem Titel "Die Schatzhöhle". Darin sagt der Teufel wie im Koran, dass er sich nicht vor Adam niederwerfen werde, weil er aus Feuer erschaffen wurde, während Adam nur aus Staub gemacht sei.
    Christen nutzten die Geschichte, um die Parallelen zwischen Adam, der vor seinem Fall ein perfektes Abbild Gottes gewesen ist, und Christus als Verkörperung Gottes darzustellen. Eigentlich ist die Anbetung Adams durch die Engel für Christen eine Vorwegnahme der Anbetung Christi durch die Engel, wovon der Apostel Paulus in seinem Brief an die Philipper berichtet: "Und weil Jesus diesen Namen trägt, werden sich einmal alle vor ihm auf die Knie werfen, alle, die im Himmel, auf der Erde und unter der Erde sind." (Philipper 2:10).
    Jüdische Quellen lehnen übrigens die Tradition des Kniefalls der Engel vor Adam weitgehend ab. Die "Genesis Rabba", der große jüdische Kommentar zum Buch Genesis – dem 1. Buch Mose in der Bibel –, berichtet, dass sich die Engel, die in Adam das göttliche Abbild erkannten, darum bemühten, ihn anzubeten. Als Gott sah, was die Engel vorhatten, ließ er Adam einschlafen. Als die Engel die schlafende Person sahen, wurde ihnen klar, dass Adam nur eine Schöpfung war und so beteten sie ihn nicht an.
    Statt solche Erzählungen zurückzuweisen, ist der Koran nun darum bemüht, sie zu seinen eigenen zu machen. Dazu verwirft er die Interpretationen, die die Christen ihnen gegeben haben. Der Koran entzieht der Geschichte also die symbolische Anspielung auf Christus und macht daraus eine Erzählung, die schlicht von der Gehorsamkeit gegenüber Gott und seinen Befehlen handelt.
    Bei der Audioversion handelt es sich um eine aus Gründen der Sendezeit leicht gekürzte Fassung dieses Textes.