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Surfer-Schutz oder Spionage-Tool?

Netzpolitik.- In den USA regt sich Protest gegen das Internet-Sicherheitsgesetz CISPA. Eigentlich soll es Firmen vor Industriespionage aus dem Netz schützen. Kritiker allerdings befürchten, dass damit ein umfassendes System der Überwachung und Zensur auf den Weg gebracht wird.

Von Achim Killer | 21.04.2012
    Der republikanische Abgeordnete Mike Rogers ist einer der Initiatoren von CISPA, des Cyber Intelligence Sharing and Protection Acts. Er sieht Handlungsbedarf:

    "Es passiert täglich in diesem großartigen Land, an jedem Tag im Jahr, Millionen Mal am Tag: Jemand versucht, in ein Computersystem einzudringen. Was wir heute in der Wirtschaft sehen, gab es noch nie in der Geschichte: Einige Staaten richten ihre IT-Ressourcen auf Wirtschaftsspionage aus, um einerseits die Volkswirtschaft einer anderen Nation zu schwächen und um andererseits ihre eigene Ökonomie zu entwickeln und mit dem Rest der Welt zu konkurrieren – auf Basis von gestohlenem Eigentum. Es herrscht Krieg im Netz."

    Und deshalb hat er mit seinem demokratischen Kollegen Charles Albert Ruppersberger CISPA auf den parlamentarischen Weg gebracht. Die IT-Industrie, die beim letzten Internet-Gesetz, dem Stop Online Piracy Act, noch uneins war, steht diesmal fast geschlossen hinter der Gesetzesinitiative. Michael Powell, der Präsident der National Cable and Telecommunications Association etwa lobt bei der Vorstellung des Gesetzentwurfs CISPA in den höchsten Tönen.

    "Einer der wichtigsten Aspekte ist, dass Wirtschaft und Regierung partnerschaftlich Informationen austauschen können – in einer sicheren und vertrauenswürdigen Umgebung, dass sie gemeinsam Abwehrmethoden entwickeln und das Problem angemessen angehen. Darum geht es bei diesem Gesetz im Kern."

    Industriespione ließen sich nur dann abwehren, wenn ihre Vorgehensweise zentral ausgewertet würde, wenn also quasi ein Katalog wiedererkennbarer Verhaltensmuster erstellt würde. Dazu müssen betroffene Unternehmen untereinander und mit staatlichen Stellen Informationen über Angriffe austauschen. Und dem diene CISPA – so die wohlmeinende Interpretation des Gesetzestextes. Kritiker aber lesen ihn anders. Trevor Timm etwa von Electronic Frontier Foundation:

    "Es gibt vor, sich gegen Angriffe aus dem Netz zu richten, indem es Unternehmen und Regierungen erlaubt, wichtige Informationen auszutauschen, die solche Angriffe verhindern könnten. Aber es ist so allgemein formuliert, dass es auch Internet-Dienstleistern, E-Mail-Anbietern oder sozialen Netzwerken erlaubt, die interne Kommunikation auszuspionieren, wenn sie sich dabei auf Sicherheitsgründe berufen."

    Und tatsächlich ist in dem Gesetzentwurf nur ganz allgemein von Informationen die Rede, von solchen, die geschützt und solchen, die ausgetauscht werden sollen. Welche genau das sind, steht nicht drin. Und der Datenaustausch solle auch ungeachtet anderer Gesetze, also etwa trotz eventuell entgegenstehender Datenschutzgesetze, erfolgen. In einer ersten Version stand sogar der Reizbegriff "Intellectual Property", was den Verdacht nahelegte, es solle nicht nur gegen Wirtschaftsspione vorgegangen werden, sondern auch gleich gegen jugendliche Filesharer. Reporter ohne Grenzen, die Electronic Frontier Foundation, das Center for Democracy and Technology und andere Bürgerrechtsorganisationen haben in den vergangenen Tagen massiv gegen CISPA protestiert. Ja, und eine ganz bekannte, aber dennoch anonyme Gruppe hat sich auch bereits zu Wort gemeldet:

    Übernächste Woche will Anonymous eine ihrer sehr eigenen Aktion starten. Für den 1. Mai ruft die Hacker-Gruppe zur Operation Defense auf. Unternehmen, die CISPA unterstützen, darunter Intel, IBM, Facebook und Microsoft, sollen aus dem Netz angegriffen werden. "Wir vergeben nicht. Wir vergessen nicht", heißt es in der Ankündigung im Web. Sie haben’s halt gerne etwas martialisch, die Cyberaktivisten von Anonymous. "Unterstützer von CISPA, ihr hättet mit uns rechnen sollen."

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