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SXSW-Festival 2019 in Texas
Analoge elektronische Musik und eindringliche Botschaften

Das South by Southwest-Festival, kurz "SXSW" in Austin, Texas ist seit Jahren ein Trend- und Impulsgeber der Popkultur. Die 2019er-Ausgabe des Festivals zeigte einmal mehr Einsichten in ein anderes, weltoffenes Amerika. Doch auch deutsche Künstler sind beim SXSW gerne gesehen.

Von Florian Schairer | 16.03.2019
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Moritz Simon Geist mit seinen Musikrobotern beim SXSW-Festival 2019 in Austin, Texas (Florian Schairer)
Moritz Simon Geist: "Was ich echt krass fand ist diese Kombination aus Volksfest Abends auf der STraße mit so ganz vielen Side Events. Es gibt so viele Sideevents und da ist dann wirklich alles dabei. Jede Bar hat ja hier noch eigene EVents wo dann irgendeine Blues Band spielt...
Tatsächlich dröhnt bereits am Nachmittag aus jeder Bar auf der E 6th STreet, der Parymeile von Austin Musik. Moritz Simon Geist ist zum ersten Mal bei der SXSW in Austin und durfte gleich auch der Opening Night spielen, denn seine Musikroboter passen perfekt zum Programm - 10 Tage lang geht es hier um Technik und Musik. Sein Album "Speculative Mashine" wurde komplett von Robotern eingespielt. Dazu hält er hier Vorträge auf der Konferenz und tritt mit seinen tönenden und leuchtenden Soundskulpturen live auf. Jeden Tag 1-2 Mal.
Moritz Simon Geist: "Ich merke, dass die Veranstalter auf der Suche sind nach neuen Sachen, die Musik, Digitalisierung und Popkultur so vereinen. Das findet man eigentlich bei ganz vielen Artists. Ich glaube da ist der Bedarf einfach da. Das ist gut."
Großkonzerne peppen hier ihr Image auf
Analog elektronische Musik, das ist sicher ein Trend in diesem Jahr. Und dazu passen auch die Jazzrausch Bigband und der live Techno-Act Komfortrauschen, oder Meute, die im letzten Jahr hier gespielt haben. Auch Merzedes Benz war im letzten Jahr schon hier, als "Super Sponsor". Zum Talk mit Chefdesigner Gordon kommen mehrere tausend Zuschauer, weil Rap Superstar ASAP Rocky mit auf der Bühne sitzt. Auch das ein Trend seit Jahren: große Firmen versuchen ihr Image mit Musik und Popkultur aufzupeppen. Thema des Talks: the future of luxury.
Reporter: "Warum sind Sie denn bei der SXSW überhaupt vor Ort. Ich sehe hier viele junge urbane Menschen. Ich bin mir nicht sicher, ob die sich so ein Auto überhaupt leisten können wie einen Mercedes. Passt das denn zusammen? Gordon: wie Sie schon sagen: es wollen viele haben, können sich aber nicht viele leisten…"
In der Realität können die meisten der fast 2000 Bands, die auf der SXSW spielen kaum von ihrer Musik leben. In den USA, auch in Austin, der selbsternannten Live Music Capital of the World geben die Menschen für Konzerte immer weniger Geld aus, das höre ich hier mehrefach von Musikern und Managern. Ohne Sponsoren geht es also kaum. ASAP Rocky tritt gar nicht auf, sondern spricht lieber von seinem Modelabel. Wer "realen" HipHop hören will geht deshalb zu Leikeli47. Der Rapperin geht es auf ihrem 2. Album um Selbstermächtigung. Um Empowerment als schwarze Frau.
Leikeli47: "ich will Geschichten erzählen, als schwarze Frau aus dem Ghetto. Viele sehen das Ghetto als etwas negatives, das kann ich nicht verstehen, denn aus dem Ghetto kommen Menschen wie ich. Und es geht doch ums Talent: Vergiss Hautfarbe, vergiss Herkunft, vergiss Geschlecht. Es gibt gerade ein paar starke Frauen, die echt was reißen in unserem Business, aber für mich sind sie keine "weiblichen" Künstler, sondern eben einfach nur Künstler."
Einsichten in das andere Amerika
Das ist ein weiterer Trend auf der diesjährigen SX: Selbstdefinition und die Suche nach Identität in einem polarisierten Amerika. Individuell und generell. Das sagt auch die Folksängerin Haley Hendrickx aus Portland, die im letzten Jahr auf vielen Bestenlisten zu finden war.
Haley Hendrickx: "Amerika ist gerade auf der Suche nach der eigenen Identität. Musik hilft mir dabei mit der eigenen Verletzlichkeit umzugehen. Sie hat etwas heilendes und ich würde mir wünschen, dass wir unseren Kindern beibringen, dass es ok ist verletzlich zu sein. Stattdessen geht es oft darum Stark zu sein und stolz. Ich wünsche mir, dass die Menschen statt in Sterotypen zu verfallen sich mehr miteinander beschäftigen."
Die SXSW ist eben auch immer ein Ort, an dem sich das andere Amerika trifft, das offene, liberale. Denn Musik ist ja der Beweis, was entstehen kann, wenn unterschiedliche Kulturen zusammen kommen. In diesem Jahr sind 8 Präsidentschaftskandidaten nach Austin gekommen. Die Sehnsucht nach einem post-Trump Amerika ist überall zu spüren. Auch in Amanda Palmers Vortrag. Die Sängerin, die früher bei den Dresden Dolls war hat pünktlich zur SXSW ihr neues Solo-Album veröffentlicht. In ihrer Keynote spricht sie davon wie sie sich durch Crowdfunding unabhängig gemacht hat vom Musikbusiness und den Erwartungen, die an sie als Female Artist gestellt wurden. Etwa von der Marketingabteilung.
Das Private ist politisch
Amanda Palmer: "Ich hätte dieses Album nie veröffentlichen können, wenn ich auf einem Major Label geblieben wäre. Denn dort gibt es immer einen - ich nenne ihn mal - Steve vom Marketing der sagt: das Album ist nicht in den Charts, das funktioniert so nicht. Das ist mit Abstand das persönlichste Album, dass ich je gemacht habe. Ich singe über Abtreibung, wie es war als mein bester Freund an Krebs gestorben ist, wie angsteinflößend es ist ein Baby zu bekommen und wie mein Mann und ich es einmal im Auto vergessen haben, was lustig und entsetzlich gleichzeitig ist. Ich singe über Vergewaltigung und wie sich eine Fehlgeburt anfühlt. Und auf meinen Konzerten sehe ich wie sehr das die Menschen bewegt. Aber Aber bei den Konzerten erlebe ich, wie wichtig es ist für alle und für Frauen besonders, dass es Künstlerinnen gibt, die ihre Geschichten erzählen. Ganz besonders jetzt und ihr wisst was ich meine."
Das Private ist politisch. Für ihre Rede bekommt Amanda Palmer stehende Ovationen. Und am Abend als sie bei ihrem fast 3 stündigen Solokonzert den Song von diesem katastophalen Nachmittag mit dem im Auto vergessenen Baby singt, singen alle mit. "At least the Baby didn’t die" Manche haben Tränen in den Augen.