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Symposium
Risiko-Lebensmittel Fleisch?

Salmonellen, EHEC, Noroviren: Das sind Zoonosen, Bakterien oder Viren, die von Tieren auf den Menschen übertragen werden. Eine häufige Infektionsquelle sind Nahrungsmittel. Experten am Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Berlin beraten Strategien, wie sich Erreger von Zoonosen in der Lebensmittelkette nachweisen und eindämmen lassen.

Lennart Pyritz im Gespräch mit Christian Floto | 11.11.2014
    Christian Floto: Herr Pyritz, welche Zoonose-Erreger stehen in Deutschland unter besonderer Beobachtung und wie hat sich deren Vorkommen in den vergangenen Jahren entwickelt?
    Lennart Pyritz:Unter den Bakterien sind es vor allem Salmonellen und Campylobacter. Die lösen beim Menschen Durchfallerkrankungen aus. Bei Salmonellen nehmen die Erkrankungsfälle allerdings seit Jahren deutlich ab. Das liegt vor allem daran, dass die Bakterien seltener auf Geflügel vorkommen, also Hühner- und Putenfleisch. Da wurden auf EU-Ebene intensiv Maßnahmen entwickelt, die Erfolg zeigen: etwa häufigere Stichproben in den Ställen, frühzeitiges Impfen und verschärfte Hygienevorschriften.
    Allerdings infizieren sich Konsumenten auch über Schweinefleisch. Da sind die Fallzahlen relativ niedrig, nehmen aber nicht ab. Das liegt zum einen daran, dass dieses Fleisch bei uns auch roh verzehrt wird, als Mettwurst zum Beispiel. Dadurch fehlt das Erhitzen, das die Bakterien sonst abtötet. Zum anderen gibt es noch kein vergleichbar stringentes Maßnahmenpaket wie beim Geflügel.
    Die meisten Infektionen löst mittlerweile Campylobacter aus. Da fehlen wirksame Bekämpfungsmaßnahmen. Und diese Bakterien verbreiten sich in den Zuchtbetrieben auch leichter als Salmonellen, zum Beispiel über Fliegen.
    Den Teilnehmern wurde auf der Tagung nach den Vorträgen zu Erregern auf Huhn, Pute und Schwein dann auch mit einem Augenzwinkern gesagt, dass es in der Mittagspause Gänsefleisch gäbe.
    Floto: Sie haben bis jetzt über Bakterien als Auslöser von Zoonosen gesprochen. Wie ist die Situation bei Viren?
    Pyritz: Viren haben früher eine untergeordnete Rolle gespielt. Das lag aber auch einfach daran, dass Nachweisverfahren auf Lebensmitteln dafür fehlten. Die gibt es erst seit wenigen Jahren, weil sich Viren nicht einfach wie Bakterien im Labor vermehren und so nachweisen lassen.
    Inzwischen sind bestimmte Risiko-Lebensmittel bekannt, nach deren Verzehr immer häufiger Virus-Infektionen gemeldet werden. Dazu zählen Austern, wenn sie roh gegessen werden, oder gefrorene Beeren. Darauf kommen vermehrt Noroviren und Hepatitis A-Viren vor.
    Auch Hepatitis E-Fälle nehmen zu: Vor zehn Jahren waren es 40, im letzten Jahr über 400. Da sind vermutlich Schweine und Wildschweine die Quelle, an denen sich der Mensch infiziert. Allerdings ist der Übertragungsweg noch nicht endgültig geklärt.
    Noch kurz zu einem aktuellen Fall: Vergangene Woche wurde ja das Virus H5N8 in einem Mastputenbetrieb in Vorpommern festgestellt. Bei Geflügelpest-Viren war es allerdings bisher so, dass sich Menschen nur bei engem Kontakt mit lebendem Geflügel infiziert haben, nicht durch den Verzehr von Geflügelfleisch.
    Floto: Welche Rolle spielt die Globalisierung von Warenströmen bei der Ausbreitung und Bekämpfung von Zoonosen?
    Pyritz: Eine große. Durch die Globalisierung kann die Herkunft einer Ware sehr komplex werden. Das heißt, ein Lebensmittel setzt sich aus vielen Zutaten zusammen, die aus ganz unterschiedlichen Ländern und Produktionsorten stammen. Dadurch können an vielen Stellen Kontaminationen mit Erregern auftreten. Und es wird schwieriger, die Quelle zurückzuverfolgen. Ein Beispiel ist der EHEC-Fall von 2011, wo offenbar Bockshorn-Kleesamen in ganz unterschiedlichen Lebensmitteln verarbeitet worden waren.
    Ein weiterer Aspekt ist, dass früher saisonale Nahrungsmittel inzwischen oft das ganze Jahr über verfügbar sind. Wie diese dann am Herkunftsort behandelt und verpackt werden, entspricht unter Umständen nicht den besten Hygienestandards. Ein Beispiel ist hier der Noroviren-Ausbruch, der Ende 2012 durch importierte, tiefgekühlte Erdbeeren ausgelöst wurde. Damals erkrankten mehrere tausend Kinder.
    Floto:Mit welchen Strategien sollen in Zukunft Prävention und Bekämpfung von Erregern in der Lebensmittelkette verbessert werden?
    Pyritz: Da setzen die Wissenschaftler und Verbraucherschützer seit einiger Zeit auf elektronische Datenströme, Software und offen zugängliche Informationsplattformen. Das BfR hat dafür mit anderen Institutionen ein System entwickelt, mit dem sich die komplexen Wege und Zusammensetzungen von Lebensmitteln schnell rekonstruieren lassen. Eine Komponente sind mikrobielle Vorhersagen, zum Beispiel: Wie vermehren sich Salmonellen im Hackfleisch. Damit lassen sich dann Epidemien simulieren. Zudem lässt sich berechnen, was passiert, wenn an einer bestimmten Stelle des Produktionsprozesses eine Kontamination stattfindet. Zusätzlich kann man dann die Warenströme rückwärts und vorwärts verfolgen. Wenn also irgendwo ein bestimmtes Infektionsmuster in der Bevölkerung auftritt, lässt es sich zum Beispiel mit Verkaufsmengen bestimmter Lebensmittel in der betroffenen Region abgleichen.
    Floto: Wie kann ich mich als Verbraucher vor einer Zoonose schützen?
    Pyritz: Da gibt es einige Möglichkeiten. Gehen wir mal schrittweise vor vom Einkauf bis zur Mahlzeit: Man kann zum einen auf Risiko-Lebensmittel wie rohes Hackfleisch, Muscheln oder gefrorene Beeren verzichten. Und man sollte darauf achten, dass Verpackungen beim Einkauf unversehrt sind.
    Im Kühlschrank sollten verschiedene Lebensmittel in geschlossenen Behältern aufbewahrt werden, um eine Kreuzkontamination zu vermeiden, das heißt die Übertragung von Keimen von rohen Lebensmitteln auf andere.
    Besonders bei der Zubereitung muss natürlich auch auf Hygiene geachtet werden. Das heißt Haustiere haben in der Küche nichts zu suchen, und man sollte zwischen einzelnen Arbeitsschritten die Hände waschen. Rohes Gemüse oder Fleisch zuletzt oder auf einem eigenen, möglichst spülmaschinen-festen Schneidbrett zubereiten. Und öfter mal Schwämme, Lappen und Handtücher auswechseln.
    Und dann ist natürlich darauf zu achten, dass man Speisen bei der Zubereitung und beim Aufwärmen gut durcherhitzt, Faustregel ist da mindestens 70 Grad Celsius für zwei Minuten.