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Syrien-Konflikt
Russische Luftangriffe kommen Assad gelegen

Russland beschießt seit dieser Woche Ziele in Syrien. Dabei geht es dem Kreml nicht darum, die Terrormiliz IS zu bekämpfen, sondern vor allem die Gegner Assads, sagte die Journalistin Kristin Helberg im DLF. Für Assad käme das genau zur richtigen Zeit - auch aus taktischer Sicht.

Kristin Helberg im Gespräch mit Maja Ellmenreich | 04.10.2015
    Der syrische Präsident Baschar al-Assad (links) und Russlands Staatschef Wladimir Putin während eines Treffens 2006.
    Der syrische Präsident Baschar al-Assad (links) und Russlands Staatschef Wladimir Putin während eines Treffens 2006. (picture alliance / EPA / Sergei Karpukhin)
    Die bisher von der russischen Armee beschossenen Ziele - die Provinzen Hamah, Idlib und die Umgebung von Homs -, seien Regionen, in denen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) gar nicht aktiv sei. Oppositionelle Kämpfer der Freien Syrischen Armee berichteten, ihre Basen würden immer wieder durch russische Bomber beschossen. "Ich denke es ist eindeutig, dass zum jetzigen Zeitpunkt Herr Putin vor allem Präsident Assad helfen will, denn der ist in militärischer Bedrängnis. Genau in diesen Provinzen durch verschiedene Rebelleneinheiten und nicht durch den IS", sagte die Publizistin und Syrien-Kennerin Kristin Helberg im DLF.
    Assad habe zwar noch viele verbündete Kriegsherren im Land. Vor allem aber die alavitischen seien in den vergangenen Monaten sehr mächtig und unabhängiger von Damaskus geworden. Sie hielten zwar zu Assad, seien aber nicht motiviert, den IS in anderen Regionen als ihrer Heimat zu bekämpfen. Insofern komme die russische Hilfe aus Sicht Assads nun genau zur richtigen Zeit, sagte Helberg. Sie sei für den syrischen Machthaber aber auch ein wichtiges Zeichen an seine Anhänger, um zu zeigen: "Wir haben jetzt hier starke Unterstützung von außen."
    Syrien in vier Gebiete zerfallen
    Syrien inzwischen in vier Gebiete zerfallen, so Helberg. Zum einen die Gebiete unter Assad-Kontrolle: Damaskus und die Küste des Landes. Im Osten habe inzwischen der IS die Kontrolle an sich gerissen. Der Nordosten werde autonom durch die Kurden, genauer die PYD, eine Schwesterpartei der PKK in Syrien kontrolliert. Die restlichen Gebiete würden von verschiedenen Assad-feindlichen Rebellen kontrolliert, die sich bemühten eine alternative Staatlichkeit aufzubauen, mit Schulen Krankenhäusern und sonstiger Infrastruktur.
    Viele syrische Bürger stellten sich die Frage, warum aus dem Westen keine wirkliche Hilfe komme. Zu den Fassbomben-Angriffen der Assad-Gruppen kämen nun zielgenaue Raketenangriffe der russischen Armee. Dabei sei besonders erschreckend, dass die Hälfte der Opfer von Assad-Angriffen Frauen und Kinder seien. So entstehe bei vielen Syrern der Eindruck, der Islamische Staat habe Recht mit seiner Propaganda, sagte Helberg. Die IS-Miliz versuche, bei der Bevölkerung den Eindruck zu erwecken, der Westen führe einen Krieg gegen den Islam. Durch das zaudernde Verhalten des Westens würden die Menschen nicht nur in die Flucht getrieben, sondern auch den Fängen des Islamischen Staates überlassen.
    Wichtig für eine Lösung der Krise seien nun internationale Verhandlungen, eine gemeinsame Bekämpfung des IS und Schutzzonen für die syrische Zivilbevölkerung.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.