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Syrien-Konflikt
Russland und Türkei bezichtigen sich gegenseitig des Terrorismus

Die Spannungen zwischen Russland und der Türkei nehmen wegen des Syrien-Konflikts weiter zu: Moskau warf Ankara wegen ihrer Angriffe auf kurdische Rebellenmilizen und syrische Regierungstruppen Unterstützung des "internationalen Terrorismus" vor. Die Türkei bezichtigte Russland wiederum, sich wie "eine Terrororganisation" zu verhalten.

15.02.2016
    Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu
    Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu (dpa / picture alliance / EPA)
    Grund für den Schlagabtausch sind die Kämpfe im Norden Syriens um die Stadt Aleppo, an denen das syrische Regime, Russland, die Türkei sowie kurdische Milizen beteiligt sind. Die Türkei beschießt seit Tagen Stellungen der kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) und der syrischen Regierungstruppen. Ankara reagiert damit nach eigenen Angaben auf Beschuss ihres eigenen Gebiets. Russland fliegt seit Ende September zur Unterstützung der syrischen Armee Luftangriffe auf Dschihadisten und andere Rebellen in Syrien.
    "Moskau äußert seine ernste Besorgnis über das aggressive Vorgehen der türkischen Regierung gegen einen Nachbarstaat," erklärte das russische Außenministerium. Russland betrachte dies als "offene Unterstützung des internationalen Terrorismus" und befürworte eine Debatte im UN-Sicherheitsrat über Ankaras "provokante Linie", die eine "Bedrohung für den Frieden und die Sicherheit" schaffe.
    14 Tote bei Angriff auf Kinderkrankenhaus
    Der türkische Ministerpräsident Davutoglu wiederum warnte, sollte Russland sich "weiter verhalten wie eine Terrororganisation und Zivilisten zur Flucht zwingen, werden wir eine extrem entschlossene Antwort geben." Russland und "andere Terrororganisationen" verübten "zahlreiche Verbrechen gegen die Menschlichkeit". Davutoglu kündigte außerdem an, die Türkei werde es nicht zulassen, dass die kurdischen Milizen die Stadt Asas im Nordosten Syriens erobern: "Wir werden Asas nicht fallen lassen. Die YPG werden nicht den Euphrat nach Westen überschreiten können und nicht östlich von Afrin vorrücken."
    In Asas waren heute ein Kinderkrankenhaus sowie eine als Flüchtlingsunterkunft genutzte Schule bombardiert worden. Dabei sollen mindestens 14 Zivilisten getötet worden sein. Die Türkei macht Russland für den Angriff verantwortlich. Die Türkei betrachtet die YPG als syrischen Ableger der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), gegen die sie einen blutigen Kampf führt. Die westlichen Alliierten hingegen sehen die YPG als wertvollen Verbündeten im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und die radikale Al-Nusra-Front.
    Steinmeier fordert Einhaltung von Absprachen über Waffenruhe
    Trotz des Beschusses rückten die Kurden weiter in der Provinz Aleppo vor. Die kurdischen Milizen nutzten die Schwächung anderer Rebellengruppe durch die Offensive der syrischen Armee, um das Gebiet unter ihrer Kontrolle auszuweiten. Ihr Ziel ist es, ihre Kantone Kobane und Dschasire im Osten mit Afrin im Westen zu verbinden, was die Türkei auf jeden Fall verhindern will. Laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte überquerten am Sonntag etwa 350 islamistische Kämpfer die türkisch-syrische Grenze. Auch die Regierung in Damaskus warf der Türkei vor, Verstärkung nach Syrien geschickt zu haben. "Das ist nicht wahr", sagte der türkische Verteidigungsminister Ismet Yilmaz dazu am Sonntagabend. Das türkische Militär habe auch "nicht die Absicht", mit Truppen in Syrien zu intervenieren. Auch Russland wirft der Türkei vor, Söldner ins Land zu lassen. Ein Mitarbeiter des Außenministeriums kündigte nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Interfas zudem an, die Luftangriffe auch nach einer Einigung auf einen Waffenstillstand fortzusetzen.
    Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) rief Russland, das syrische Regime und die YPG zu Gewaltverzicht auf. Er pochte auf eine auf der Münchener Sicherheitskonferenz vereinbarte Feuerpause, die spätestens am kommenden Wochenende inkraft treten soll. Aber auch die Türkei müsse sich zurückhalten, sagte er am Rande eines Treffens mit seinen EU-Amtskollegen in Brüssel.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach sich gar für eine Flugverbotszone über Syrien aus. In der gegenwärtigen Situation wäre es hilfreich, wenn es dort ein Gebiet gäbe, auf das keine der Kriegsparteien Angriffe fliege, sagte Merkel der "Stuttgarter Zeitung". Wenn es gelänge, eine solche Vereinbarung zu treffen, wäre das hilfreich. Die Kanzlerin unterstützt damit einen Vorschlag der Türkei.
    Die Linksfraktion im Bundestag rief zum Protest gegen die Beschießung syrischer Kurden durch die Türkei auf. "Die Bundesregierung muss sofort den türkischen Botschafter einbestellen", verlangte die Linken-Außenpolitikerin Sevim Dagdelen. Der türkischen Regierung müsse klar gemacht werden, dass "dieses aggressive Vorgehen nicht akzeptabel ist".
    (cvo/tzi)