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Syrische Flüchtlinge
Angst vor der Rückkehr in die Heimat

Der IS in Syrien gilt als besiegt, in vielen Teilen des Landes scheint der Krieg vorbei zu sein. Trotzdem kommt für viele Syrer eine Rückkehr in die Heimat nicht in Frage. Noch immer sind Milizen aktiv und Männer fürchten, vom Regime zum Militär eingezogen zu werden.

Von Anne Allmeling | 15.07.2019
Syrische Zivilisten gehen am 7. Juli 2019 in die Stadt Al Qusayr in der Provinz Homs
Der Wiederaufbau vieler syrischer Städte läuft gar nicht oder nur schleppend (picture alliance / dpa / XinHua / Ammar Safarjalani))
Iman ist wieder zuhause – in den eigenen vier Wänden. Nach Jahren bei Freunden und Verwandten freut sich die junge Frau, zurück zu sein im eigenen Heim – oder besser: in dem, was davon übrig geblieben ist. Iman wohnt wieder in Khaldiye – in einem Viertel der Stadt Homs, das fast vollständig in Trümmern liegt. In einer Wand von Imans kleinem Haus klafft ein riesiges Loch.
"Mir geht es gut – trotz der Zerstörung geht es mir gut. Ich wünsche mir nur, dass die Leute alle wieder in ihre Häuser zurückkehren. Das ist alles, was ich mir wünsche: Jeder soll in sein Haus zurückkehren."
Keine Spur von Wiederaufbau
Dass das bald geschehen wird – danach sieht es nicht aus. Zwischen den haushohen Schuttbergen spielt Imans Tochter Mouna – sonst wirkt Khaldiye wie eine Geisterstadt. Von Wiederaufbau keine Spur. Die Bewohner haben das Viertel verlassen, als hier der Krieg einzog. Seit fast drei Jahren haben die Regierungstruppen die Stadt wieder unter ihrer Kontrolle. Doch nach Khalidiye zurückgekehrt sind bislang gerade einmal zwei Familien – eine davon ist die von Iman. Ihr Mann arbeitet für den syrischen Staat; mit seinem Gehalt kann sich die Familie über Wasser halten. Sie fühle sich sicher hier, sagt Iman.
"Wir sind in unser Haus zurückgekehrt, weil es einfach unser Haus ist. Gibt es etwas Schöneres als das eigene Haus? Früher hatten wir hier Wasser und Strom. Seit der Staat die Wasser- und Stromversorgung wieder hergestellt hat, sind wir wieder zurück."
Während Iman spricht, hört ein Mitarbeiter des Informationsministeriums zu. Seine Begleitung ist Pflicht, wenn ausländische Journalisten nach Syrien kommen – egal, wo sie arbeiten.
Auch viele andere Orte in Syrien sind völlig zerstört. In Jobar, einem Vorort von Damaskus, hat Spiros Familie ihr Haus verloren – und ihren gesamten Besitz. Spiro sah für sich keine Zukunft mehr in Syrien. 2015 floh er nach Österreich. Da der junge Fotograf seine Mutter nicht nachholen konnte, kehrte er ein halbes Jahr später wieder nach Syrien zurück. Spiro hatte Glück: Sein ehemaliger Chef stellte ihn wieder ein. Trotzdem habe er Mühe, über die Runden zu kommen, sagt er.
"Die schwierigste Sache für einen Jugendlichen in Syrien ist, ein Haus zu finden. Die zweitschwierigste ist, ein würdiges Leben zu führen. Ich spreche hier nicht von Luxus, von Miami Beach oder so, sondern davon, ein einfaches und würdiges Leben zu führen, dass man Kleidung und Essen hat, was man braucht. Und ein bisschen Vorrat für die nächsten fünf oder sechs Monate."
Viele Syrer fürchten, vom Militär eingezogen zu werden
Weil Spiros Vater bereits gestorben und er der einzige Mann in der Familie ist, müsse er keinen Wehrdienst leisten, sagt der 28-Jährige. Viele syrische Flüchtlinge in Europa dagegen fürchten, dass sie ins Militär eingezogen werden, wenn sie in ihr Heimatland zurückkehren – oder dass ihnen andere Gefahren drohen.
In der Provinz Idlib im Nordwesten des Landes wird weiter gekämpft. Die Hilfsorganisation Medico International berichtet von zwei Fällen, in denen Syrer nach ihrer freiwilligen Rückkehr aus Deutschland verhört wurden und verschwanden. Mehrmals hat die syrische Regierung deutlich gemacht, dass sie Rückkehrern als möglichen Vaterlandsverrätern misstraue. Insgesamt sind in den vergangenen Jahren nach Angaben der Vereinten Nationen mehr als fünfeinhalb Millionen Menschen aus Syrien geflohen, die meisten in die Nachbarländer Türkei und Libanon.
Einer von ihnen ist Abu Daham. Seit sechs Jahren lebt der Familienvater aus Aleppo in einem improvisierten Flüchtlingslager in der libanesischen Bekaa-Ebene: zusammen mit seiner Frau, seinen Kindern und Enkelkindern, in einem Zelt am Straßenrand.
"Was uns daran hindert, wieder nach Hause zurückzugehen, sind die Milizen, der IS, die Iraner, die Afghanen und all diese Gruppen, die aus allen Richtungen kommen, um uns in unserem Land zu töten. Und das Regime steht an der Spitze von allen. Wir wollen zurück, aber dem Regime können wir nicht vertrauen. Es heißt immer, wir seien jederzeit willkommen. Aber falls man das glaubt und nach Hause geht, findet man sich am nächsten Tag in Gefangenschaft wieder. Und am übernächsten Tag ist man tot."