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Syrische Flüchtlingskrise
Libanesen wollen Flüchtlinge loswerden

In Terbol, einer Ortschaft, nicht weit von der Grenze zu Syrien leben rund 4.000 syrische Flüchtlinge in zwei improvisierten Lagern. Der libanesische Staat ist aber so hoch verschuldet, dass er sich das gar nicht leisten kann.

Von Björn Blaschke | 15.03.2014
    Aus Saida Zeynab stammen sie - berichten diese Männer - aus einem Viertel in Damaskus, das äußerst hart umkämpft ist. Seit die Männer mit ihren Familien nach Libanon flohen, leben sie wie viele ihrer Landsleute in einem "wilden Lager": Auf einem Acker im Bekaa-Tal, nicht weit von der Grenze zu Syrien - in erbärmlichen Unterkünften: Zelte, Wellblechhütten und Mischungen aus beidem: Behausungen - mit Wänden und Dächern aus zusammengezimmerten Holzpaletten und verklebten Plastiktüten und -planen.
    Grundbesitzer schlagen aus dem Leiden Kapital
    Die Männer aus Damaskus zahlen für "ihre" Acker-Parzelle - je nach Größe - umgerechnet an die 500 Euro - im Jahr. Familienväter, die sich als Tagelöhner durchschlagen müssen, können an einer solchen Summe verzweifeln:
    Gehört das Land nicht einer Kommune?
    "Nein, keiner Kommune, es gehört jemandem; einem reichen Mann."
    Mittlerweile stammt jeder vierte, wenn nicht jeder dritte Mensch in Libanon, aus Syrien. So auch in Terbol, einer Ortschaft, der Fadi Khoury als Bürgermeister vorsteht: Am Rande seiner 10.000-Seelen-Gemeinde sind zwei improvisierte Lager entstanden - mit dreitausend bis viertausend Einwohnern. Fadi Khoury empfängt in einem großen Büro seines Bürgermeisteramtes und erklärt die Situation:
    "Die sitzen auf einem Stück Land, das jemandem gehört. Und dieser jemand wird bezahlt. Ich habe die Eigentümer der Ländereien, auf denen die zwei Lager sind, angerufen. Und ihnen gesagt: Wir können die Kosten übernehmen – wir, die Gemeinde."
    Khoury wollte allerdings nicht aus Nächstenliebe zahlen.
    "Wenn Du dafür sorgst, dass sie gehen, habe ich den beiden Grundbesitzern gesagt, dann zahle ich Euch die Summe, die Ihr von den Flüchtlingen bekommt."
    Die Flüchtlinge sollen wieder gehen… Bürgermeister Khoury hat einen durchaus nachvollziehbaren Grund für seine harte Haltung: Die Überlastung der Infrastruktur von Terbol:
    Libanon ist hochverschuldet
    Wasser, Elektrizität, Müllentsorgung, die Dorfschule… alles nutzen die Flüchtlinge mit. Das alles bedeutet aber nicht, dass das Budget des Bürgermeisters von Terbol in der Hauptstadt Beirut aufgestockt worden wäre. Der libanesische Staat ist so hoch verschuldet, dass er sich das gar nicht leisten kann. Kamal Sewfi, der für Caritas Libanon im Bekaa-Tal arbeitet:
    "Wir haben ein sehr ernstes wirtschaftliches Problem in Libanon. Dabei geht es nicht nur um die Syrer im Land, wir haben unsere eigenen Probleme… Verwaltungsprobleme, Budget-Probleme - und dazu noch die mindestens anderthalb Millionen Flüchtlinge aus Syrien. Das ist nicht leicht zu lösen."
    Die Hilfsorganisationen, die in Libanon tätig sind, haben ebenfalls längst die Grenzen dessen überschritten, was sie noch leisten können. Sie schaffen es oft nur noch, die Flüchtlinge mit dem Allernötigsten zu versorgen; aber weder können sie dem Bürgermeister von Terbol beispringen, noch denen, die einem Grundbesitzer Miete für ein Stück Acker zahlen müssen. Eine kanadische Mitarbeiterin von World Vision im Bekaa-Tal.
    "Du hörst zu, Du machst, was Du kannst, aber wir können keinem privaten Grundbesitzer das Land bezahlen. Das würde in die Millionen gehen. Dollar. Es gibt wirklich einige, die viel Geld aus dieser Flüchtlingskrise schlagen."
    Flüchtlinge sollen in ihr Land zurückkehren
    Infrastruktur-Probleme, die mit den vielen Flüchtlingen nach Libanon kommen, möglicherweise wachsende politisch-gesellschaftliche Spannungen… Kamal Sewfi von Caritas-Libanon fordert daher harte Konsequenzen für das ganze Land:
    "Es ist besser, wenn wir darüber nachdenken, die syrischen Flüchtlinge wieder in Syrien unterzubringen. Wir müssen ihnen helfen, zurückzukehren. In sichere Gebiete…. Und wir arbeiten daran - Caritas Syrien und Caritas Libanon, wo wir diese Gebiete schaffen können… um den Menschen zu sagen, dass es besser ist, zurückzugehen und die Hilfe, die wir bieten können, in Syrien in Anspruch zu nehmen."
    Bürgermeister Fadi Khoury ist mit seinen Telefonaten gescheitert; er konnte die Grundbesitzer des Landes, auf denen die Syrer hausen, nicht mehr davon überzeugen, die Flüchtlinge in Terbol loszuwerden.
    "Ich war zu spät. Zu spät. Der Mann, der das Geld für die Zelt-Plätze bekommt, ist gar nicht der Eigentümer des Landes. Die Grundbesitzer haben ihm ihr Land verpachtet. Für 5.000 Dollar pro Jahr und der Pächter ist selbst ein Syrer."
    In Terbol haben Libanesen haben einem Syrer ihre Äcker verpachtet - und der vermietet die Parzellen nun an andere Syrer - und schlägt aus deren Elend Gewinn.