Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

Syrisches Exilradio
"Wir senden Optimismus"

Der syrische Exilsender Radio Al-Kul in Istanbul will sich keiner Oppositionsgruppierung zurechnen lassen. Die Radiomacher wollen zeigen, wie sie sich die Medien in einem künftigen, demokratischen Syrien vorstellen.

Von Susanne Güsten | 14.01.2014
    Morgenshow bei Radio Al-Kul, am Mikrofon ist Mohamad al-Barodi. Der 25-Jährige war Moderator beim syrischen Staatsrundfunk in Damaskus, bis er vor einem Jahr aus Syrien floh - der politische Druck, die Spannungen und die bedrohliche Sicherheitslage waren nicht mehr auszuhalten, sagt er. Nun sitzt er im neunten Stock eines heruntergekommenen Hochhauses in einem Außenbezirk von Istanbul am Mikrofon. Von hier aus sendet eine 20-köpfige Mannschaft von syrischen Radiomachern, alle Flüchtlinge wie Barodi, ein eigenes Radioprogramm in die Heimat zurück- ein freies und unabhängiges Programm, wie Barodi betont: "Dies ist ein großer Schritt für uns, ein Schritt hin zu den freien syrischen Medien, die wir uns wünschen."
    Radio Al-Kul heißt der Sender, das bedeutet "Radio für alle". Der Name ist zugleich der Auftrag, sagt Programmdirektor Obai Sukar, der den Sender vor neun Monaten mitbegründet hat: "Wir wollten einen freien Radiosender schaffen, um den Syrern eine Stimme zu geben - einen Sender, den sie hören wollen, den das diktatorische Regime nicht kontrollieren kann, wo die Menschen sagen können, was sie wollen."
    Radio ist in Syrien oft die einzige Unterhaltung
    Das geht in Syrien weder beim Staatsrundfunk noch in den Provinzen, die von der Opposition kontrolliert werden, denn freie Medien brauchen Meinungsfreiheit. Geld braucht ein Radiosender natürlich auch - bei Radio Al-Kul kommt es aus Spenden von wohlhabenden Exil-Syrern und einer Medieninitiative in Frankreich. Damit produziert der Sender täglich vier Stunden aktuelles Programm, das nicht nur im Internet zu hören ist, sondern von Aktivisten in Syrien auch in sieben Provinzen über UKW ausgestrahlt wird.
    "Eine Stunde der Zeit" heißt diese Sendung, in der es heute um Kindheitserinnerungen aus einem friedlichen Syrien gehen soll. Das Hörer-Echo ist groß, sagt Sukar: "Mehr und mehr Menschen in Syrien hören unser Programm, und es gibt große Resonanz, vor allem aus jenen Blackout-Gebieten, wo es keine Stromversorgung gibt. Radio ist dort nicht nur die einzige alternative Nachrichtenquelle, sondern auch die einzige Unterhaltung."
    Radio Al-Kul sendet deshalb nicht nur Nachrichten, sondern auch Kochsendungen, Kindersendungen, Gesundheitssendungen und sogar eine Sendung über Autoreparatur - schließlich muss man sich in Syrien derzeit mit dem behelfen können, was man hat. Den größten Aufwand erfordert aber die politische Berichterstattung aus Syrien. Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt, sagt Nachrichtenchef Ahmet Amsa, der vor vier Monaten aus Damaskus geflohen und zum Team gestoßen ist.
    Nur "kein Öl ins Feuer gießen"
    "Wir versuchen, bei heiklen Themen objektiv zu bleiben und kein Öl ins Feuer zu gießen. Wir gehen sehr sorgfältig mit unseren Quellen und Informationen um. Wir versuchen, nicht nur sehr sorgfältig zu berichten, sondern auch sehr achtsam und verantwortungsvoll."
    Radio Al-Kul versteht sich zwar als Oppositionssender, will sich aber ausdrücklich keiner einzelnen Gruppierung innerhalb der zersplitterten syrischen Opposition zurechnen. Mit ihrer unabhängigen Berichterstattung wollen die Radiomacher vorleben, wie sie sich die Medien in einem zukünftigen, freien und demokratischen Syrien vorstellen. Wenn das Regime von Assad einmal gestürzt ist, wollen sie nach Syrien zurückkehren und dort ein nationales Radio für alle aufbauen. Ob das einmal Wirklichkeit wird? Programmdirektor Sukar seufzt:
    "Wir bei Radio Al-Kul senden Optimismus, weil wir keine andere Wahl haben. Wir können den Leuten ja nicht sagen: Ihr werdet verlieren. Wir berichten die Wahrheit und die Tatsachen, aber wir versuchen dabei zugleich immer, die Hörer aufzumuntern und zu ermutigen und ihnen Zuversicht zu vermitteln - denn das ist das einzige, was den Syrern noch bleibt."