Engels: Aber genau diese Unsicherheiten bestehen ja. Die Spediteure beklagen neben technische Mängel der neuen Systeme auch Terminschwierigkeiten, überhaupt alle LKW rechtzeitig dort zum Einbauen an die notwendigen Stellen zu bringen.
Weis: Also es ist im Vorfeld abgeschätzt worden, wie viel On-Bord-Units notwendig sind, um dieses System sicher starten zu können, und da ist eine Zahl zwischen 100.000 und 150.000 im Gespräch gewesen. Das ist nicht die Gesamtzahl, die die Unternehmen zur vollen Ausrüstung aller Fahrzeuge brauchen, aber es reicht aus, um das System sicher in Betrieb zu nehmen, und diese Zahl ist noch nicht erreicht. Die Angaben schwanken, wie viel ausgeliefert sind, aber das Ausliefern der On-Board-Units ist nicht das Entscheidende. Entscheidend ist, dass sie funktionsfähig in den LKWs auch eingebaut sind, und das gehört dazu, eine gerechte Behandlung aller Mautpflichtigen im System dann abzusichern. Solange dies nicht erreicht ist, wäre es unverantwortlich, dieses System scharf zu schalten und in Betrieb zu nehmen, über dieses System dann auch die Maut zu kassieren. Ich möchte vielleicht an eine Parallele erinnern, die Probleme, die die DB AG mit neuem rollenden Material hatte, für das praktisch der Praxistest im Fahrplanbetrieb durchgeführt wurde mit Pannen, Verspätungen, Verärgerungen und Imageverlusten. So etwas können und wollen wir uns mit dem neuen Maut-System nicht leisten, und da muss auch die Industrie, Toll Collect und die Konsortien, die hinter Toll Collect stehen, ein Interesse daran haben, dass es solche Pannen hier nicht gibt.
Engels: Verstehe ich Sie Recht? Wenn aber diese technische Schwierigkeiten in dieser Monatsfrist nicht mehr zu beseitigen sind, dann sollte man eher die Einführung generell verschieben?
Weis: Da gebe ich Ihnen Recht, da verstehen Sie mich richtig, aber nicht die Einführung verschieben, wir müssen das System aufbauen, wir müssen es auch zum Termin haben, aber wir müssen es austesten, und da haben wir die Möglichkeit, nach dem Aufbau des Systems noch eine zweite Entscheidung zu fällen, zu welchem Zeitpunkt denn tatsächlich über dieses System die Maut erhoben wird.
Engels: Das Ganze hat ja finanzielle Konsequenzen. Wenn die Maut nicht pünktlich kommt, hat Finanzminister Hans Eichel beziehungsweise Verkehrminister Stolpe wieder ein Loch in den Einnahmen, und auf der anderen Seite sagt die Betreiberfirma Toll Collect, zunächst bis Dezember müsste man noch keine Regressforderungen zahlen, das heißt, der Steuerzahler würde für dieses Versagen einstehen.
Weis: Wir hätten ein Loch bei den Investitionsmitteln für Verkehrsinfrastruktur, weil die Ausfälle uns natürlich nicht für Baumaßnahmen dann zur Verfügung stehen. Gerade wegen dieser Einnahmeverluste hat die SPD-Fraktion das große Interesse, zum Termin das System auch einzuführen. Worüber man reden muss, ist dann eine Verlängerung der Probebetriebsphase, bevor es scharf geschaltet wird. Aber wir wollen den Termin nicht nach hinten verschieben, um nicht unkalkulierbar für den Verkehrshaushalt Einnahmeausfälle zu haben, die wir für wichtige Investitionen brauchen.
Engels: Aber der Laie fragt sich doch nach der Verantwortlichkeit. Sie sagen, es soll pünktlich kommen, wenn es aber nicht pünktlich kommt, hat man die Einnahmeausfälle und Toll Collect, das Betreiberkonsortium, muss nichts zahlen. Hat sich das Ministerium bei den Vertragsverhandlungen mit Daimler Chrysler, die ja unter anderem dieses Konsortium anführen, über den Tisch ziehen lassen?
Weis: Ich kann nicht bestätigen, dass Toll Collect nicht zahlen muss, dass keine finanziellen Verantwortlichkeiten bei Nichteinhaltung des Termins gegeben sind. Allerdings sind wir Parlamentarier in diese Vertragsverhandlung und -gestaltung nicht mit einbezogen. Ich kenne den Vertrag auch nicht im Wortlaut. Das wird das Ministerium mit dem Unternehmen Toll Collect auszuloten haben, von welchem Zeitpunkt an aufgrund der Vertragsgestaltung Regresspflichten bestehen. Mir ist bekannt, es gibt einen Termin im Vertrag und es gibt die Androhung von Vertragsstrafen bei Nichteinhaltung. Innerhalb von welchen Fristen dann Vertragsstrafen fällig werden, das kann ich Ihnen leider nicht sagen.
Engels: Zu dem technischen Problem rund um die Maut kommt ja noch ein politisches Problem. Die EU-Kommission sieht durch die geplanten staatlichen Ausgleichszahlungen an deutsche Spediteure die ausländischen Firmen wettbewerbswidrig benachteiligt. Wird am Ende die Maut noch durch die EU gesperrt?
Weis: Nein, das sind zwei verschiedene Schuhe. Die Einführung des Maut-Systems hat nichts mit den Untersuchungen zu tun, ob die geplanten Ausgleichszahlungen - 600 Millionen Euro stehen dafür zur Verfügung - EU-konform an das deutsche Gewerbe ausgegeben werden können zum Ausgleich von heute schon und auch von früher bestehenden Wettbewerbsnachteilen der deutschen Spediteure. Diese Frage wird separat geklärt. Da wird man entweder Ja oder Nein zu hören, aber nur zu diesen Harmonisierungsschritten und nicht zur Einführung des Maut-Systems. Das muss man voneinander trennen.
Engels: Vielen Dank, das war Reinhard Weis, der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion.
Link: Interview als RealAudio