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Systemrelevante Banken unter europäische Aufsicht stellen

Eine zentrale Aufsichtsbehörde mache nur für die rund 75 grenzüberschreitend und im Investmentbanking tätigen Banken Sinn, meint Markus Ferber (CSU). In einem zweiten Schritt seien zudem ein Banken-Insolvenzrecht und strengere Eigenkapital-Vorschriften notwendig.

Markus Ferber im Gespräch mit Jasper Barenberg | 27.07.2012
    Jasper Barenberg: In den Morgenstunden des letzten EU-Gipfels hat Angela Merkel nachgeben müssen. Gemeinsam konnten Spanien, Italien und Frankreich durchsetzen, dass Geld aus den Rettungsschirmen künftig auch direkt an taumelnde Banken fließen kann, um zu verhindern, dass mit maroden Banken zugleich der gesamte Staat in den Abgrund gerissen wird. Im Fall Spanien werden die Bedingungen für Kredite bis zu 100 Milliarden Euro gerade ausgehandelt. Bevor aber in Zukunft weitere Gelder fließen sollen, soll vor allem eines erreicht werden: eine wirksame Bankenaufsicht für ganz Europa. Wie aber muss die aufgestellt sein?

    Am Telefon begrüße ich den Europaparlamentarier Markus Ferber, als Mitglied im Wirtschaftsausschuss auch und ständig mit dem Thema Bankenaufsicht beschäftigt. Schönen guten Morgen, Herr Ferber.

    Markus Ferber: Schönen guten Morgen, Herr Barenberg.

    Barenberg: Herr Ferber, wir haben es gerade in dem Beitrag noch einmal gehört: etwa 8300 Banken gibt es in Europa. Sollen die alle unter die Aufsicht einer neuen Superbehörde?

    Ferber: Das ist ja genau der Knackpunkt. Es macht keinen Sinn, alle 8300 Banken unter die europäische Aufsicht zu stellen. Wir müssen hier auch unterscheiden zwischen Banken, die, wie es so schön heißt, systemrelevant sind, und Banken, die vor Ort eine große Rolle spielen, also Sparkassen, Volksbanken, Raiffeisenbanken, und wenn die alle europäisch kontrolliert werden würden, hätten wir eine Superbehörde zu schaffen auf europäischer Ebene, bei der Europäischen Zentralbank, das kann keiner wollen.

    Barenberg: Sondern?

    Ferber: Ja! Sinn macht, dass wir die Banken, die identifiziert sind durch die europäische Bankenaufsicht als systemrelevant, die jetzt schon strengere Eigenkapitalvorschriften erfüllen müssen, dass die einer europäischen Aufsicht unterliegen. Das sind Banken, die grenzüberschreitend tätig sind, das sind Banken, die auch im Investmentbanking tätig sind. Von daher, denke ich, wäre das der richtige Ansatz, nur diese – das sind ungefähr 75 in Europa -, diese 75 Banken der europäischen Aufsicht zu unterstellen.

    Barenberg: Dann wäre aber die spanische Bankia zum Beispiel nicht dabei und auch nicht die belgisch-französische Dexia, und beide haben für Probleme gesorgt beziehungsweise sorgen gerade für erhebliche Probleme. Wäre das dann eine Schwierigkeit?

    Ferber: Die zwei wären dabei. Die Bankia wäre dabei, das ist ja ein Zusammenschluss, ein staatlich verordneter Zusammenschluss von Sparkassen, und auch Dexia wäre dabei. Das sind beides Banken, die zu diesen 75 zählen würden. Das Problem bei der Dexia ist ja zum Beispiel, dass sie bei dem Stresstest der europäischen Bankenaufsicht als positiv hervorgegangen ist, zu den drei besten gehört hat, was die Eigenkapitalausstattung betrifft, und dann plötzlich auch in Liquiditätsprobleme kam, und das zeigt: es ist nicht eine Frage, wo ist die Aufsicht angesiedelt, sondern wie wird die Aufsicht wahrgenommen. Deswegen ist es nicht die Musterlösung und die Wunderlösung, jetzt schnell eine europäische Bankenaufsicht zu schaffen und dann hätten wir alles im Griff. Das ist sicherlich nicht richtig.

    Barenberg: Aber allgemein läuft es doch darauf hinaus, dass es noch in diesem Jahr zumindest ein Konzept geben soll und dass wir relativ schnell eine durchgreifende Aufsicht brauchen für ganz Europa, wenn man sich die Probleme bei den Banken gerade anschaut.

    Barenberg: Da sage ich mal ganz offen, das Europäische Parlament hat das vor zwei Jahren bereits gefordert. Wir haben ja im Zusammenhang mit der Aufgabenverteilung zwischen den nationalen Aufsichtsbehörden und der europäischen Bankenaufsicht mit den Mitgliedsstaaten intensiv gestritten. Wir wollten als Europäisches Parlament eine starke europäische Bankenaufsicht, die Mitgliedsstaaten haben sich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, und jetzt plötzlich soll es doch wieder eingeführt werden. Ich will also schon darauf hinweisen: wir könnten schon viel, viel weiter sein, als wir sind, wenn die Mitgliedsstaaten von Anfang an hier mitgespielt hätten, die europäische Bankenaufsicht, die es ja bereits gibt, so auszustatten, dass sie wirklich Durchgriffsrechte hat.

    Barenberg: Die Aufsicht, die es zurzeit schon gibt, das ist vor allem die European Banking Authority, die ja auch als Reaktion auf die Krise, auf die Lehman-Pleite neu aufgestellt wurde. Wie desolat ist der Zustand dieser europäischen Bankenaufsicht, die ja nur koordiniert im Moment?

    Ferber: Er ist nicht desolat, sondern sie hat von der Aufgabenbeschreibung nur die Möglichkeit, nationale Aufsichtsstrukturen, also bei uns Bafin und Bundesbank, zu kontrollieren und auch andere nationale Aufsichtsstrukturen in den 27 Mitgliedsstaaten zu kontrollieren, sie ist also Aufsicht der Aufsicht und von daher kann sie nur reaktiv wirken, und das löst überhaupt keine Probleme. Dass die nationalen Aufsichtsstrukturen nicht in der Lage sind, die Probleme von international tätigen Banken zu kontrollieren, hat ja nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers die Finanzkrise deutlich aufgezeigt. Wir haben eine Reihe von Banken auch in Deutschland gehabt, die Probleme hatten, oder die abgewickelt werden mussten, weil nationale Aufsichtsstrukturen massiv versagt haben, und das ist bis heute nicht gelöst und das lässt sich auch nicht über Nacht aus dem Boden stampfen. Wir haben die Briten, wir haben die Tschechen, die ganz massiv sich dagegen aussprechen, deswegen machen sie ja auch beim Fiskalpakt nicht mit, die auch schon damals, als wir die Frage der europäischen Bankenaufsicht zu beantworten hatten, massiv dagegen gespielt haben. Es wird also nicht sehr schnell gehen, und deswegen sage ich auch ganz offen: nur zu sagen, wenn die europäische Bankenaufsicht auf dem Papier existiert, dann können wir Banken rekapitalisieren, direkt aus dem Rettungsschirm, das wäre das schlimmste, was wir tun können, weil dann ein Fass aufgemacht wird, das nicht Aufgabe ist des Steuerzahlers, Banken irgendwo in anderen Mitgliedsstaaten zu retten.

    Barenberg: Aber weil die Aufsicht im Moment nicht recht funktioniert, plädieren Sie schon für eine zentrale Aufsichtsbehörde, …

    Ferber: Absolut!

    Barenberg: Möglicherweise sogar unter Federführung der Europäischen Zentralbank? Das ist ja im Gespräch.

    Ferber: Also wir hatten als Parlament wie gesagt eine starke europäische Aufsicht von Anfang an verlangt. Die Mitgliedsstaaten, die das jetzt plötzlich wollen, waren vor zwei Jahren massiv dagegen. Und wir waren auch der Meinung, das muss in Frankfurt angesiedelt sein, wo die Europäische Zentralbank sitzt. Was es aber nicht geben kann, wie die Italiener sich vorstellen, dass die Notenbank eine allumfassende Wunderwaffe ist, die macht die Aufsicht und wenn es Probleme gibt, hat sie aber gleich auch noch ein bisschen Kapitalspritze mit dabei. Diese einfache Lösung, wie sie Mario Monti auf dem Gipfel vertreten hat, die wäre auch keine Lösung, weil das würde dazu führen, dass sehr schnell Zugriff auf den Rettungsschirm genommen wird, ohne dass wirklich Notwendigkeiten da sind, und der Rettungsschirm muss immer die ultima Ratio sein. Ansonsten laufen wir Gefahr, dass wir über die Hintertür zu einer Vergemeinschaftung der Schulden kommen. Also Bankenaufsicht, wie Italien das beim Gipfel vorgeschlagen hat, kann auch große Probleme bedeuten. Ich denke, dass die Linie der Bundeskanzlerin die richtige ist, systemrelevante Banken unter eine europäische Aufsicht zu stellen. Die sollte bei der Europäischen Zentralbank angesiedelt sein. Es darf aber die Unabhängigkeit der Notenbank dabei nicht angetastet werden.

    Barenberg: Und diese Art von Aufsicht sollte dann auch den Hebel in der Hand halten, um im Zweifelsfall eine große deutsche Bank abzuwickeln?

    Ferber: Das sind jetzt eben noch die nächsten Punkte. Bankenaufsicht ist der erste Schritt. Wir brauchen ein Banken-Insolvenzrecht, das gehört unabdingbar mit dazu. Wir brauchen strengere Eigenkapital-Vorschriften, darüber verhandeln wir zurzeit mit den Mitgliedsstaaten. Das Stichwort heißt Basel III. Und nur in diesem Gesamtpaket macht es Sinn, dann am Ende auch europäische Spielregeln insgesamt zur Anwendung zu bringen und die Frage der Rekapitalisierung zu beantworten. Nur die Aufsicht alleine ist es nicht.

    Barenberg: Sagt Markus Ferber von der CSU, Mitglied im Europaparlament. Danke für das Gespräch heute Morgen.

    Ferber: Gerne, Herr Barenberg.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.