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Tabatabai: Ab einem bestimmten Punkt kann man sich nicht mehr behelfen

Die Sanktionen gegen Iran führen zu einem florierenden Schwarzmarkt, sagt Adnan Tabatabai. Alternativ können bestimmte Produkte wie Arzneimittel nur über Dritte aus dem Ausland organisiert werden, ergänzt der Politologe. Mit Präsidenten Hassan Rohani spüre man aber einen "vorsichtigen Optimismus" im Land, sagt er weiter.

Sina Fröhndrich im Gespräch mit Adnan Tabatabai | 15.10.2013
    Sina Fröhndrich: Es sind nur ein paar Flecken auf der Landkarte und die sorgen allerdings für einige Sorgenfalten. Die Flecken finden wir im Iran und sie stehen für atomare Anlagen. Der Westen befürchtet, dass der Iran dort an einer Atombombe bauen könnte, und deswegen gibt es seit Jahren Streit. Seit heute wird wieder über das iranische Atomprogramm verhandelt und es sind die ersten Gespräche, seit der neue Präsident Rohani im Amt ist, und man hofft jetzt darauf, dass sich beide Seiten aufeinander zubewegen könnten. Dann könnten womöglich auch die Sanktionen gegen den Iran gelockert werden. Die bestimmen inzwischen maßgeblich den Alltag der Menschen in dem Land. Wie genau, das wollten wir von dem deutsch-iranischen Politologen Adnan Tabatabai wissen. Frage an ihn: Welche Sanktionen spüren die Iraner denn am meisten?

    Adnan Tabatabai: Zum einen ist ja die iranische Zentralbank mit Sanktionen belegt. Zuzüglich dazu ist es den Iranern nicht möglich, internationale Überweisungen zu tätigen. Das bringt im Alltag sehr viele verschiedene Schwierigkeiten mit sich, die beispielsweise darin münden, dass Iraner, wenn sie ins Ausland reisen, hohe Geldmengen mitnehmen müssen. Sie wissen, was das wiederum für Probleme mit sich bringt. Im Iran selber führt das dazu, dass aufgrund der ökonomischen Situation, die sich durch die Sanktionen verschlechtert hat, Güter sehr teuer geworden sind. Alles ist eigentlich erhältlich, es kostet einfach nur wesentlich mehr, und dies führt dann natürlich zu entsprechender Verschlechterung der Lebensqualität, und das kann man tatsächlich auf alle gesellschaftliche Schichten übertragen.

    Wo es massive Probleme gibt, ist bei Medizin. Das fängt bei Medizin für Krebspatienten an, geht über Behandlungsmedikamente für Menschen, die noch unter den Folgen von Chemiewaffen-Einsätzen zur Kriegszeit leiden, und geht sogar noch bis hin zu Mitteln für Anästhesie und Narkose bei Operationen.

    Fröhndrich: Gibt es denn Möglichkeiten, wie man sich da behilft, dass man an bestimmte Medikamente, die man vielleicht braucht, herankommt?

    Tabatabai: Das führt beispielsweise dazu, dass manchmal Reisende versuchen, Medikamente mitzunehmen, dass man versucht, über Bekannte und Ärzte im Ausland teuere Medikamente ins Land reinzuschmuggeln, muss man fast sagen. So kann man sich behelfen und insgesamt gibt es natürlich schwarze und informelle Kanäle, wo sich dann allerdings auch entsprechend Akteure daran bereichern, dass sie bestimmte Dinge einführen und somit die Möglichkeit haben, im Prinzip für sich daraus ein Business zu machen.

    Fröhndrich: Sie haben es schon angesprochen, dass im Prinzip alle Bevölkerungsschichten davon betroffen sind. Jetzt gibt es aber auch reichere Iraner, die das vielleicht eher schultern können, wenn Lebensmittel meinetwegen auch teurer sind. Wie behelfen sich denn ärmere Iraner, ärmere Bevölkerungsschichten, um damit umzugehen?

    Tabatabai: Ab einem bestimmten Punkt kann man sich schlichtweg nicht mehr behelfen. Da muss man beispielsweise weniger Fleisch verzehren, oder man muss bei Lebensmitteln einfach schlichtweg sparen. Alternative Wege sind, dass sich viele Studierende damit aushelfen, dass sie Taxi fahren nebenbei, dass sie im Prinzip einen Arbeitstag über mehrere Stunden und verschiedene Jobs haben, um irgendwie das notwendige Geld noch aufzubringen. Das sind in jedem Fall immer wieder Schwierigkeiten, die den Alltag erschweren, und wenn man nicht verzichtet, muss man entsprechend mehr arbeiten, um die Mittel zusammenzubringen, um einen bestimmten Lebensstandard aufrechtzuerhalten.

    Fröhndrich: Das ist eine Möglichkeit, um mit diesen Sanktionen umzugehen. Jetzt hat der Iran einen neuen Präsidenten, Hassan Rohani. Hat sich denn die Stimmung im Iran verändert, dass man vielleicht auch ein bisschen hoffnungsvoller in die Zukunft guckt?

    Tabatabai: Bei meiner letzten Reise Anfang, Mitte August konnte ich diese tatsächlich stattfindende Änderung wirklich spüren. Man spürt einen vorsichtigen Optimismus, da man im Prinzip die beiden Punkte, die die wichtigsten Forderungen an Rohani sind, erstens die Verbesserung der ökonomischen Verhältnisse, zweitens die Verbesserung der Zivilrechte, tatsächlich von ihm erwarten kann. Gleichzeitig wissen die Bürger, dass das alles seine Zeit brauchen wird und dass man natürlich bei der Verbesserung der wirtschaftlichen Situation auch stark abhängt von dem, was auf diplomatischem Wege der Regierung gelingen kann und wie sozusagen von der internationalen Seite auf diesen Politikwechsel im Iran reagiert wird.

    Fröhndrich: Sagt der Politologe Adnan Tabatabai, über die Gespräche über das iranische Atomprogramm, die heute in Genf begonnen haben.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.