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Tabuthema Tage
Menstruations-App für Sportlerinnen

Die Tagesform von Profi-Sportlerinnen hängt auch mit ihrem Zyklus zusammen, doch das wird bisher in der Welt des Sports zu wenig berücksichtigt - oder mit der Pille "bekämpft". Eine App soll nun helfen, zyklusbedingte Leistungsschwankungen auf anderem Weg zu minimieren.

Von Thorsten Poppe | 18.02.2018
    Tampon auf rosa Hintergrund
    "Wir müssen dieses Tabu jetzt wirklich mal durchbrechen", sagt Georgie Bruinvels - Entwicklerin einer Menstruations-App für Sportlerinnen. (imago/fotoimedia)
    "Es war eben einer dieser Tage bei mir, ich fühlte mich wie benommen, hatte kaum Energie. Aber diese Sache gehört nun mal zu mir - diese Frauen-Sache."
    Es war eines der seltenen Male, dass sich eine Profisportlerin offen dazu äußerte: Die britische Tennisspielerin Heather Watson begründete 2015 ihr Erstrunden-Aus bei den Australien-Open mit ihrer Menstruation.
    Die einzige Chance, die viele Sportlerinnen sehen, um Menstruationsprobleme zu umgehen: Durchgehend die Pille zu nehmen, damit die Periode unterdrückt wird. Tun sie es nicht, müssen Frauen auch bei wichtigen Wettkämpfen etwa mit Schmerzen, Abgekämpftheit und Stimmungsschwankungen rechnen.
    Leistungsmonitoring per Menstruations-App
    Das störte Georgie Bruinvels, die sich deshalb mit der Thematik intensiv auseinander setzte. Die Marathon-Läuferin ist Sport- und Bewegungstherapeutin und entwickelte eine App, die die Auswirkungen der Menstruation auf Training und Wettkampf steuern soll:
    "Ich denke, es ist wirklich wichtig, den Menstruations-Zyklus als eine ständig laufende Sache zu sehen. Und zwar über einen 28-Tage langen Rhythmus, und eben nicht nur über die fünf Tage der Periode im Monat. Gerade weil sich der Frauenkörper während des Zyklus ständig wegen der Hormone verändert. Und das hat Einfluss darauf, wie die Leistungsfähigkeit einer Sportlerin ist, wie sie sich fühlt, oder performt!"
    FitrWoman zielt also darauf ab, Leistungsmonitoring zu betreiben. So klärt die App erst einmal darüber auf, wie natürlicher Hormonspiegel und Leistungsfähigkeit zusammenhängen.
    Training und Ernährung dem Hormonspiegel anpassen
    Täglich liefert das Programm deshalb Daten über den körperlichen Zustand der Athletin, individuell auf sie zugeschnitten. So sollen die Sportlerinnen Infos an die Hand bekommen, welches Training gut ist, wenn sich der Hormonspiegel entsprechend verändert hat. Oder welche Ernährung dabei hilft, das Energieniveau zu halten, und den Blutzuckerspiegel nicht absinken zu lassen.
    Die App FitrWoman gibt Frauen Tipps zu Training und Ernährung - über den ganzen Zyklus hinweg.
    Die App FitrWoman gibt Frauen Tipps zu Training und Ernährung - über den ganzen Zyklus hinweg. (Deutschlandfunk / Moritz Folk)
    Wie wichtig dieses individuelle Leistungsmonitoring sein kann, weiß auch Petra Platen. Sie ist Sportmedizinerin an der Ruhr-Universität Bochum und hat über viele Jahre zum Thema Menstruation und Spitzensport geforscht:
    "In der Regulation eines Menstruationszyklus spielen ja viele verschiedene Hormone eine Rolle. Viele von diesen Hormonen haben auch einen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit. Da sind einfach die Unterschiede in den einzelnen Hormonen von Frau zu Frau riesig. Das erklärt dann auch, warum eine Frau möglicherweise in der ersten Zyklushälfte eine bessere Kraft-Leistungsfähigkeit hat und eine andere Frau mehr in der zweiten Zyklushälfte. Und das macht es dann einfach schwierig, in einer Gruppe praktisch eine allgemeingültige Aussage zu treffen, weil eben die Gruppe so heterogen ist."
    Weniger leistungsfähig vor und während der Periode
    Dazu hat sie erforscht, dass Sportlerinnen kurz vor und während der Menstruation oft tatsächlich weniger leistungsfähig sind. Tennis-Legende Martina Navratilova berichtete erst weit nach ihrer aktiven Karriere darüber, dass sie wegen ihrer Periode fast ihren ersten Wimbledon-Titel verpasst hätte:
    "Bei meinem ersten Wimbledon-Sieg kam meine Periode am Tag nach dem Halbfinale. Ich konnte mich kaum bewegen, konnte nicht trainieren. Doch ich war glücklich, dass es nicht während des Halbfinales passierte. Sonst hätte ich das Turnier nicht gewinnen können, und schon dieses Spiel verloren!"
    Georgie Bruinvels und ihr Team fütterten das Programm im Vorfeld mit Daten aus dem Forschungsbericht "Sport, Training und der Menstruationszyklus". Zusätzlich wurden 1.800 Fragebögen von Elite- und Freizeitsportler ausgewertet. Heraus kam nun die erste Version der App, die noch in der Entwicklungsphase steckt. Bruinvels hofft jedenfalls darauf, dass ihre Arbeit zu mehr Selbstverständlichkeit im Sport bei diesem Thema führt:
    "Wir müssen dieses Tabu jetzt wirklich mal durchbrechen, und eine Diskussion auf den Weg bringen, dass die Menschen gerne darüber reden. Denn es ist ein ganz natürlicher Prozess, den die Frauen da durchmachen. Der ihr Wohlbefinden beeinflusst, ihren Körper, und damit ihre Leistungsfähigkeit. Deshalb ist es sehr wichtig, dass wir auch im Sport den Menstruations-Zyklus als normal und natürliche Sache begreifen."