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Tag der offenen Moschee
Alles anders ohne Erdogan

Größer konnte der Gegensatz zur Eröffnung der Ditib-Zentralmoschee in Köln nicht sein: Am Tag der offenen Moschee präsentierte sich das Gebäude offen und einladend und zog viele Besucher an. Auch Vertreter der Stadt und des Landes kamen. Wie das Verhältnis zur Ditib sich weiterentwickelt, bleibt offen.

Von Moritz Küpper | 04.10.2018
    Besucher stehen am Tag der offenen Moschee in der Ditib-Zentralmoschee in Köln-Ehrenfeld
    Zum Tag der offenen Moschee kamen viele Menschen in die Ditib-Zentralmoschee in Ehrenfeld und liefen in Socken über den tiefen, türkisfarbenen Teppich (picture alliance/ dpa/ Henning Kaiser)
    Es ist nicht ganz ohne Ironie: Für das erste gemeinsame Foto steht Joachim Stamp an jenem Punkt, an dem am Wochenende der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan sprach. NRWs Integrationsminister posiert am Tag der deutschen Einheit, der zugleich Tag der offenen Moschee ist, vor den schweren Holztüren des Kuppelsaals, gemeinsam mit Vertretern der DITIB, aber auch des KRM, des Koordinationsrats der Muslime. Exakt 90 Stunden, nachdem der türkische Staatspräsident an jener Stelle die neue Ditib-Zentralmoschee im Kölner Stadtteil Ehrenfeld offiziell eröffnete – und seine Rede hielt:
    "Mit dieser Moschee hat die türkische Gemeinde gezeigt, dass sie unzertrennlicher Teil dieser Gesellschaft und dieses Landes ist. Und wir erwarten, dass andere deutsche Städte ähnliche Projekte auf den Weg bringen."
    Viele Beobachter jedoch sahen in der Veranstaltung integrationspolitisch eine Katastrophe: Statt – wie einst geplant – eröffnete nicht der deutsche Bundespräsident den Bau, sondern der umstrittene türkische Präsident Erdogan. Repräsentanten von Bund, Land und der Stadt Köln fehlten. Von einem türkischen Staatsakt auf deutschem Boden war die Rede – ein Ereignis, das von frenetischen Anhängern gefeiert wurde.
    Recep Tayyip Erdogan spricht bei der Eröffnung der DITIB-Zentralmoschee. Er hebt die Hände.
    Recep Tayyip Erdogan bei der Eröffnung der DITIB-Zentralmoschee. (dpa / Henning Kaiser)
    Gegensatz zur Eröffnungsfeier
    Nun also der Tag der offenen Moschee. Größer könnten die Gegensätze zur Eröffnungsfeier wenige Tage zuvor nicht sein: offen, einladend, sonnendurchflutet präsentiert sich das prachtvolle Gebäude an diesem 3. Oktober – und viele Menschen sind gekommen. Kleinkinder sitzen auf den Schultern ihrer Väter, alte Menschen mit Krückstock, junge Paare. Alle laufen in Socken über den tiefen, türkisfarbenen Teppich:
    - "Ich wollte es mir einmal ansehen, es interessierte mich schon sehr."
    - "Wir wohnen ja in Köln, haben das natürlich verfolgt und mit zwiespältigem Gefühl logischerweise, aber nichtsdestotrotz bin ich neugierig auf den Bau, habe auch keine Ressentiments gegenüber dem Islam oder Türken."
    - "Sie ist offen, sie ist hell. Ich hoffe, dass das Innere der Moschee auf die Philosophie und auf die Offenheit in der Religion und auf die Vielfältigkeit zurückschlägt."
    Ditib räumt Fehler ein
    Für diesen Tag gilt das: Alle Reden werden auf Deutsch gehalten, neben NRW-Integrationsminister Stamp spricht – als Vertreter der Stadt – der Bezirksbürgermeister von Köln-Ehrenfeld, Josef Wirges, und ein Vertreter der evangelischen Kirche. Auch der Vorstandsvorsitzende der Ditib, Nevzat Yaşar Aşıkoğlu, äußert sich – anders als am Wochenende – vor den Mikrofonen – und räumt Fehler ein:
    "Natürlich hat es Unzulänglichkeiten gegeben, weil die Veranstaltung so kurzfristig vorbereitet werden musste. Das geben wir zu. Wir nehmen diese Kritik an. Aber man sollte sich nicht in dieser Kritik festbeißen. Man muss hier jetzt schauen, mit welchen Gemeinsamkeiten und mit welchen gemeinsamen Zielen wir in die Zukunft schauen können. Wir sollten der Stadt Köln und den Menschen hier vor Ort positive Signale für die Zukunft senden, für ein besseres Miteinander."
    Stamp: Unterschätzt, wie diese Veranstaltung hier wirkt
    Die Kritik, die Ditib werde wesentlich aus der Türkei gesteuert, lässt der Vorsitzende an sich abperlen: Man dürfe sich nicht nur an den negativen Themen festkrallen, so sein Appell. Ist der Scherbenhaufen damit zusammengekehrt? Kann der Tag der offenen Tür ein Bild korrigieren? Er habe bei seinem Besuch durchaus auch nachdenkliche Töne gehört, so NRWs Integrationsminister Stamp:

    "Ich hatte auch den Eindruck, dass man möglicherweise unterschätzt, wie diese Veranstaltung hier auch wirkt. Dementsprechend müssen wir weitermachen. Aber es kann eben auch nicht so sein, dass Herr Erdogan in Ankara hustet und dann ist alles, was wir hier gemacht haben, wieder kaputt. Das haben wir oft genug gehabt. Und dann muss man sich auch ehrlich bekennen, dass man zu Deutschland gehört und das müssen wir als deutsche Politik auch unterstützen, aber dann muss man den Weg auch konsequent gehen."
    Man sieht nur Stamps Kopf am unteren rechten Bildrand, der Fokus liegt auf einer Besuchergruppe auf einem Balkon.
    Der nordrhein-westfälische Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) spricht am Tag der offenen Moschee in der Ditib Zentralmoschee (Henning Kaiser / dpa )
    Wirges: Wir hatten uns das alle anders vorgestellt
    Findet auch Bezirksbürgermeister Wirges, der nun, nicht wie am Wochenende vor, sondern in der Moschee steht:
    "Ich finde auch, das ist eine glückliche Fügung, auch dass Ditib auf mich zukam und dass auch Ditib sofort gesagt hat: Ja, wir wünschen, dass Sie auch ein paar Worte sagen. Ich weiß, viele waren nicht so glücklich über die Art und Weise der Eröffnung. Wir hatten uns das alle, viele auch von Ditib, anders vorgestellt wie es dann gekommen ist. Und das ist nämlich genau der Punkt: Da wird irgendwo entschieden: Jetzt wird eröffnet, Feierabend. Und das geht einfach nicht."
    Widmann-Mauz: Chance vertan, neue Chancen ergreifen
    Dass es nicht einfach ist, weiß auch Annette Widmann-Mauz. Die Staatsministerin für Migration, Flüchtlinge und Integration im Kanzleramt steht in der dritten Etage eines Kölner Bürogebäudes. Hier ist das Kommunale Integrationszentrum der Domstadt untergebracht. Wie es der Zufall will, besucht Widmann-Mauz in diesen Tagen das KI, aber auch das Dokumentationszentrum und Museum über die Migration in Deutschland, das sich als ein Forum der offenen Diskussion über die Einwanderungsgesellschaft versteht. Ihr Fazit der Moschee-Eröffnung:
    "Ich finde es bedauerlich, dass diese Chance, diese wichtige Chance zur Integration, für ein gutes Beispiel für gutes Zusammenleben, hier vertan wurde. Aber es gibt neue Chancen und wir sollten sie ergreifen und wir sollten all diejenigen Menschen, die in den Gemeinden aktiv sind, ermutigen, sich zu emanzipieren und diesen Weg zu gehen."
    "Politiker kommen und gehen - die Moschee bleibt"
    Doch konkrete Punkte zu benennen, fällt ihr sichtlich schwer. Widmann-Mauz hofft auf Fortschritte in der Ausbildung von Imamen hierzulande, darauf, dass in späteren Generationen das Zugehörigkeitsgefühl zu Deutschland weiter wächst:
    "Wir sollten all diejenigen stark machen, die die Integration, die Zusammenarbeit, den Dialog mit den Menschen in ihren Städten pflegen."
    Auf deutscher Seite wären das dann Menschen wie eben Bezirksbürgermeister Josef Wirges. Er steht, in Socken, noch immer in seiner Moschee und ist gewillt – trotz des Rückschlages vom Wochenende – weiter zu machen:
    "Das Reden, das Brückenbauen, ist ja alternativlos. Sich abschotten, quasi dann auch zu sagen: Die schotten sich ab, schotten wir uns auch ab, das wäre ja schlimm."
    Letztendlich, so Wirges, helfe auch die Zeit: "Politiker, die Macht und Einfluss haben, kommen und gehen, aber die Moschee bleibt."
    Und da lässt sich – wenn auch mit viel gutem Willen – wieder ein wenig Hoffnung raushören, auf bessere Zeiten rund um die große Zentralmoschee in Köln-Ehrenfeld.