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Tag der Wahrheit für Floyd Landis

Medizin. - Für den diesjährigen Gewinner der Tour de France kommt der Tag der Wahrheit. Für morgen wird das Ergebnis der B-Proben-Analyse erwartet, die klären soll, ob der Amerikaner mit Testosteron gedopt war oder nicht. Um das festzustellen, müssen die Sportmediziner einen gehörigen apparativen Aufwand betreiben.

Von Arndt Reuning | 04.08.2006
    Ein automatischer Probennehmer am Institut für Biochemie der Deutschen Sporthochschule in Köln, der DSHS. Eine feine Kanüle durchsticht die Deckel der kleinen Gläschen und entnimmt etwas Flüssigkeit. Die wird anschließend in einen Gaschromatographen eingespritzt. Das ist ein Laborgerät, das die Probe in die einzelnen Bestandteile zerlegt.

    "Die sogenannte Übersichtsanalytik, wo wir auch noch sehr, sehr viele Hormone und Vorläufermoleküle aus dem Steroid-Stoffwechsel erfassen. Und wenn uns Auffälligkeiten vorkommen, dann vergleichen wir auch mit vorhergehenden Proben: Was hat sich verändert, wo könnte manipuliert worden sein?"

    Dr. Andrea Gotzmann von der DSHS. Beim Testosteron, einem so genannten Steroid, genügt es nicht, allein seine Anwesenheit nachzuweisen. Denn jeder Mensch bildet diese Sexualhormon täglich selbst im eigenen Körper. Das künstliche Steroid, mit dem gedopt wird, lässt sich chemisch davon nicht unterscheiden. Auffällig wird ein Sportler aber dann, wenn sein Testosteron-Spiegel über der Norm liegt. Für die Analytikerin eine Herausforderung, geht es dabei doch um Mengen im Bereich weniger Nanogramm. Gotzmann:

    "Es gibt da ein ganz gutes Beispiel: Sie werfen ein Stück Würfelzucker in ein Olympiaschwimmbecken, rühren ordentlich um. Und dann haben Sie in etwa die Konzentration an Zucker im Wasser wie wir Steroide im Urin nachweisen müssen."

    Gewöhnlich bewerten die Wissenschaftler den Testosteron-Spiegel anhand eines zweiten Steroids, des nahezu identischen Epi-Testosterons. Auch diese Substanz baut der Körper selbst auf. Und zwar im gleichen Umfang wie das Testosteron. Gotzmann:

    "Aber bei jungen, gesunden Menschen kann man davon ausgehen, dass diese Systeme sehr konstant laufen und arbeiten, weil sie auch der Reproduktion dienen, der Reproduktion des Menschen. Und es wäre fatal, wenn solche Kreisläufe von außen so leicht zu beeinflussen wären durch extreme Belastungen, Hitze oder was man sich auch immer vorstellen mag."

    Dieses feste 1:1-Verhältnis kann natürlich schon von Mensch zu Mensch ein wenig schwanken. Bei Floyd Landis jedoch überstieg das Testosteron das Epi-Testosteron um das Elffache. Was er auf eine gewisse genetische Veranlagung und auf Alkoholgenuss am Vorabend schob. Letzte Gewissheit kann hier ein Isotopen-Massenspektrometer liefern. Eine hochgenaue Molekülwaage. Verantwortlich für diese Geräte am Anti-Doping-Labor der DSHS ist Ulrich Flenker:

    "Wir können damit unterscheiden: Ist dieses Testosteron von einem menschlichen Körper selbst hergestellt worden oder ist es synthetisch hergestellt worden."

    Denn obwohl das körpereigene und das künstliche Testosteron chemisch identisch sind, sind die Moleküle doch unterschiedlich schwer. Daran kann man sie unterscheiden. Ihr Hauptbestandteil, der Kohlenstoff, kommt in der Natur nämlich in verschiedenen Gewichts-Varianten vor, den Isotopen. Das Ausgangsmaterial für die Synthese im Labor stammt von Pflanzen. Sie bauen weniger des schweren Isotops in das Testosteron ein, verglichen mit dem menschlichen Organismus. Der Massenunterschied ist allerdings so gering, dass nicht jedes Labor sich die aufwändige Isotopen-Analytik leisten kann. Und mit zweieinhalb Tagen pro Analyse muss man schon rechnen. Flenker:

    "Wir müssen die Urinprobe sehr gut vorreinigen, also müssen wir sehr viel sauberer arbeiten in dem Bereich. Deshalb dauert die Probenvorbereitung auch etwas länger als in anderen Verfahren, die routinemäßig in der Dopinganalytik angewandt werden, um einfach sicher zu gehen, dass unsere Messungen gültig sind und das messen, was sie messen sollen."

    Für Floyd Landis hat das französische Labor die B-Probe also gerade noch rechtzeitig geöffnet. Denn am Wochenende schließt es seine Pforten - die Sommerferien beginnen.