Freitag, 19. April 2024

Archiv

Tag des Artenschutzes
"Sehr viele Arten sind nach wie vor bedroht"

Derzeit seien ein Viertel aller Tierarten bedroht, sagte Volker Homes vom Naturschutzverband WWF Deutschland im DLF. Anlässlich des internationalen Tages des Artenschutzes betonte er, dass Handlungsbedarf beim Erhalt von Lebensräumen und bei der Bekämpfung von Wilderei bestehe.

Volker Homes im Gespräch mit Stefan Römermann | 03.03.2015
    Volker Homes, Leiter Artenschutz WWF Deutschland, in seinem Büro in Berlin-Mitte.
    Volker Homes, Leiter Artenschutz WWF Deutschland, in seinem Büro in Berlin-Mitte. (imago/Lars Reimann)
    Stefan Römermann: Heute ist der 3. März und das ist offiziell der Tag des Artenschutzes, denn weltweit gelten inzwischen rund 20.000 Arten als bedroht, Tendenz steigend. Betroffen sind Vögel, Säugetiere, Reptilien, aber auch Pflanzen. Warum das so ist und was wir dagegen tun können, darüber möchte ich jetzt sprechen mit Volker Homes vom Naturschutzverband WWF Deutschland. Herr Homes, bei uns sieht das doch eigentlich gerade ganz gut aus in Sachen Artenvielfalt. Wölfe kommen zurück, Bären, Wisente. Oder trügt der Schein hier?
    Volker Homes: Guten Tag, Herr Römermann. Ja, ich glaube, da trügt der Schein. Wenn man sich generell in der Natur umtut, dann weiß man, dass das große Artensterben in Deutschland oder in Europa eigentlich schon 150 Jahre mindestens zurückliegt, seit dem Beginn der Industrialisierung, und dort Wälder verloren gingen und Moore, und sehr viele Arten sind nach wie vor bedroht. Natürlich freuen wir uns über die Rückkehr bestimmter Arten, aber der globale Trend, der geht wirklich dahin, dass sehr viele Arten bedroht sind, und man sollte sich von dieser Zahl 22.000 nicht so beeindrucken lassen. Das ist immerhin ein Viertel aller beschriebenen Arten, die man analysieren konnte. Wenn man generell sagt, die Artenvielfalt, ein Viertel ist hoch bedroht, dann finde ich das viel, viel beeindruckender als diese 22.000.
    Römermann: Der WWF schreibt, es sei das größte Artensterben seit dem Aussterben der Dinosaurier, was hier im Gange ist. Ist das nicht vielleicht doch trotzdem ein bisschen hochgestapelt?
    Homes: Nein. Ich glaube, da sind sich nicht nur die Wissenschaftler einig, sondern auch sehr viele Politiker, dass die Lebensraumverluste, der Verlust an Tropenwäldern, an marinen Ökosystemen, da wo wir unseren Fisch letztlich herkriegen, dass der so dramatisch ist, dass das gar nicht anders einzuschätzen ist. Die Weltorganisation, die der Dachverband ist und die bedrohten Arten ja analysiert und auch immer wieder veröffentlicht, die IUCN, die Weltnaturschutzunion, da sind sich wirklich alle einig, dass das ganz dramatisch ist, und wahrscheinlich werden zukünftige Generationen uns das vorwerfen, dass wir einfach nicht genug aufgepasst haben auf die Lebensräume, aber vor allem auf die Arten, auf die wir angewiesen sind.
    "Die Lebensräume müssen erhalten bleiben"
    Römermann: An welchen Stellen ist denn jetzt der größte Handlungsbedarf? Wo müsste man denn jetzt am schnellsten und am dringendsten ansetzen?
    Homes: Wir wissen genug. Das ist eigentlich bekannt. Die Lebensräume müssen erhalten bleiben. Die Riffe beispielsweise, das sind die Kinderstuben der Fische, die wir hinterher essen wollen. Oder auch die Tropenwälder, wo sich der Großteil der Artenvielfalt abspielt. Wir müssen die Lebensräume erhalten. Aber auch neue Phänomene wie die Wildereikrise, die nicht nur bei Elefanten und Nashörnern beispielsweise oder auch Tigern zuschlägt, die müssen wir bekämpfen. Da ist organisierte Kriminalität am Werk und die müssen wir bekämpfen.
    Römermann: Was steckt denn hinter dieser Wilderei? Das Fleisch wird ja vermutlich nicht verkauft.
    Homes: Nein. Es sind tatsächlich das Elfenbein und das Nashorn, und das sind Phänomene in einer globalisierten Welt. Die Abnehmer, die sind vor allem in Ostasien zu finden, in China beispielsweise, Vietnam oder Thailand. Das sind Phänomene, die wir vielleicht in den 50er-, 60er-Jahren bei uns in Europa hatten, als die Menschen Pelze trugen. Da sind wir Gott sei Dank drüber hinweg, dass das keine Bedrohung bei uns mehr ist, Pelze zu tragen. Und ich denke, dass es jetzt innerhalb kürzester Zeit dazu kommen muss, dass diese Märkte auch wieder geschlossen werden, so schnell wie sie gekommen sind.
    "Es fehlt an der Implementierung"
    Römermann: Besteht denn auch Gesetzgebungsbedarf? Müssen auch die Vorschriften irgendwo noch verschärft werden? Oder ist das jetzt durch dieses Washingtoner Artenschutzabkommen tatsächlich alles soweit in Ordnung?
    Homes: Die Vorschriften sind eigentlich weltweit, generell gesprochen, schon relativ gut. Es fehlt an der Implementierung, an dem, dass man diese Wildereikrise wirklich ernst nimmt und dass die Menschen, die diese organisierte Kriminalität begehen, tatsächlich lange hinter Schloss und Riegel kommen, dass das wirklich umgesetzt wird, das was man beschlossen hat, dass die Arten dadurch geschützt werden.
    Römermann: In welchen Ländern ist das tatsächlich ein großes Problem? In Deutschland, habe ich den Eindruck, wird ja doch relativ intensiv darauf geguckt.
    Homes: Ja, darauf wird intensiv geguckt und unsere Politik kann da wirklich sehr viel tun, und dadurch, dass Deutschland eben auch einer der großen Geber ist an Finanzhilfen, die vor allem dann Richtung Afrika gehen müssen, da wo die Tiere gewildert werden, beziehungsweise auch nach Asien, da wo die Abnehmermärkte sind, dass man dort vor Ort arbeitet und die Nachfrage auch reduziert.
    Römermann: Heute ist der 3. März, offizieller Tag des Artenschutzes. Informationen waren das von Volker Homes vom Naturschutzverband WWF Deutschland. Vielen Dank für das Gespräch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.