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Tagebau in Brandenburg
Lausitzer blicken skeptisch in eine Zukunft ohne Kohle

Die Kohle-Kommission ist am 26. Juni erstmals zusammengetreten, um über die Zukunft der letzten beiden Kohlereviere am Rhein und in der Lausitz zu beraten. Anwohner sind jedoch skeptisch, ob der Strukturwandel gelingen kann. Sie fühlen sich von der Politik allein gelassen.

Von Vanja Budde | 26.06.2018
    Blick in den Braunkohletagebau Jänschwalde der LEAG (Lausitz Energie Bergbau AG) am 07.01.2018 unweit der Ortschaft Grießen (Brandenburg).
    Ab den 2040er-Jahren soll Schluss sein mit der Braunkohleförderung in der Lausitz (dpa / picture alliance / Patrick Pleul)
    Noch rumpeln sie: Die haushohen Kohlemühlen im Lausitzer Kraftwerk Jänschwalde. Strom für Millionen Haushalte, aber auch Millionen Tonnen CO2-Emissionen. In diesem und im nächsten Jahr müssen zwei der sechs Blöcke in Reserve gehen, um Klima und Umwelt zu schonen. Hunderte Jobs fallen dann weg allein in diesem Kraftwerk. Insgesamt hängen 8.000 Arbeitsplätze hier noch direkt an der Braunkohleindustrie. Sehr gut bezahlte Arbeitsplätze, schwer zu ersetzen.
    So klingt es, wenn ein Tagebau ausgekohlt ist und der letzte Kohlezug ins Kraftwerk fährt. Von einst 17 Gruben sind seit der Wende nur noch vier aktiv. Zehntausende Menschen verloren damals quasi über Nacht ihre Jobs. Doch der Rest der einst blühenden Industrie ist immer noch das wirtschaftliche Rückgrat der Region. Darum fordern auch junge Menschen in der Lausitz: Die Kohle muss noch möglichst lange bleiben.
    "Es wäre eigentlich Blödsinn, wenn wir als einziges Land verzichten würden auf unsere heimische Braunkohle. Ich weiß nicht, warum man eine Grundlast riskieren sollte und eigentlich eine sichere Stromversorgung riskiert, um nur ein Klimaziel zu erreichen."
    Das Ende der Braunkohle naht
    Doch dass das Ende naht, wird seit ein paar Jahren immer klarer. Auch den Kohle-Kumpeln. Auch dem Betreiber, dem Vattenfall-Nachfolger LEAG. Im aktuellen Revierkonzept ist von einer Förderung bis Anfang der 40er-Jahre dieses Jahrhunderts die Rede. Und diese Zeit des langsamen Überganges werde es auch brauchen, sagte Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke von der SPD im rbb:
    "Da kann man gegensteuern als Politik, da kann man entsprechende neue Dinge auf den Weg bringen. Ich habe gestern auch ein gutes Gespräch mit Herrn Altmaier gehabt in Schwarze Pumpe. Da gibt es eine ganze Menge von Vorschlägen, die auf dem Tisch liegen.
    Diesen Prozess können wir bewältigen, einen neuen Strukturbruch könnten wir nicht bewältigen."
    Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier von der CDU war gestern Gast des "Lausitzdialogs 2018": Vertreter von Wirtschaftsverbänden, Parteien, Kommunen, Kammern und Hochschulen berieten über die Zukunft der Region.
    "Wenn man jetzt hingeht und sagt: Wir machen erst mal alles dicht und dann fangen wir an, darüber nachzudenken, was da entstehen könnte – diesen Prozess haben wir in der Lausitz schon erlebt und wissen genau, dass das nicht funktionieren kann und dass die jungen Menschen dann alle in anderen Regionen des Landes ihre Perspektive suchen müssen. Das müssen wir um jeden Fall verhindern."
    Den Strukturwandel unterstützen
    Um den Strukturwandel zu unterstützen, will Woidke Forschungsinstitute ansiedeln, mehr Tempo bei Infrastrukturprojekten und ein 100-Millionen-Sofortprogramm des Bundes. Damit sollen erste Projekte gefördert werden, wie die große Akku-Fabrik für Elektrofahrzeuge, die Bundeswirtschaftsminister Altmaier in Aussicht stellte.
    Der Vorsitzende der oppositionellen CDU-Landtagsfraktion, Ingo Senftleben, warnte davor, die Arbeit der Kohle-Kommission mit einseitigen Forderungen zu blockieren. Die rot-rote Landesregierung habe viele Jahre ungenutzt verstreichen lassen, kritisiert Senftleben. Den Vorwurf der Untätigkeit – den erheben auch Anwohner der Lausitzer Tagebaue:
    "Das ist ja das eigentlich, was mich erschüttert, dass immer noch nach so vielen Jahren, also 20 Jahre redet man ja schon, ihr müsst einen Plan haben für die Zeit danach – interessierte keinen. Die Regierung ist planlos, total planlos und ziellos."
    Die Kohle-Kommission soll es nun richten: Bis Ende des Jahres soll das Gremium mit seinen 31 Mitgliedern einen Fahrplan für den Ausstieg vorlegen.