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Tagung an der Uni Passau
Amerika unter Donald Trump

Seit Jahrzehnten sind die USA ein gespaltenes Land. Weil das Vertrauen in die Kompetenzen der politischen Institutionen bei vielen Bürgern immer weiter abnimmt, halten manche Wissenschaftler die USA schon für eine "beschädigte Demokratie". Die Interessen von Reichen fielen bei politischen Entscheidungen mehr ins Gewicht als die von Mittel- und Unterschicht.

Von Ingeborg Breuer | 09.02.2017
    Wahlkabinen in Denver/Colorado am 8. November 2016
    Wahlkabinen in Denver/Colorado am 8. November 2016 (dpa / picture-alliance / Bob Pearson)
    Mit der Wahl Donald Trumps haben sich die "vergessenen Männer und Frauen" von denen Trump in seiner Antrittsrede sprach, mit Macht zurück gemeldet und damit den Aufstand gegen eine sich kosmopolitisch verstehende Moderne geprobt. Globalisierung – in ihrer ökonomischen, ihrer politischen und ebenso in ihrer multi-kulturellen Form wird nicht länger als alternativlos gesehen.
    "Es ist ja gute Tradition sich zu inszenieren als ein Mann des Volkes. Wir wissen, dass die Präsidentschaftskandidaten, dass jeder Mann und jede Frau im Kongress bis auf zwei Millionär ist. Sich da zu inszenieren als ganz normale Menschen ist relativ schwierig, die meisten tun‘s trotzdem."
    Sich zu inszenieren wie der "Everyday Jack", der Alltagsamerikaner also, hat im Weißen Haus Tradition, erläuterte Karsten Fitz, Prof. für Amerikanistik an der Uni Passau in seinem Vortrag. Präsidentenfrauen backen Cookies. Kinder spielen unter dem Schreibtisch von Kennedy. Und immer gibt es "home stories". Zum Beispiel über Michelle Obamas Geheimnisse einer "White House Mum". Menschen wie du und ich eben, so soll es scheinen. Nicht so bei Donald Trump. Er zeigt, dass er reich ist. Das Gold in seinem Trump-Tower, der edle Marmor, kristallbesetzte Türen; selbst die Gurtschnallen in seinem Privatjet sind vergoldet.
    "Obwohl ja Trump auf der einen Seite die Stimme sein will des einfachen Volkes, inszeniert er sich und zeigt auch seinen Reichtum, er hat nie versucht, sich bescheidener zu geben."
    "Cause I don’t need anybodies money … I am really rich."
    Unmut der Amerikaner unterschätzt
    Gerade sein Reichtum, so Trump, mache ihn unkorrumpierbar, denn niemand könne ihn kaufen. Und damit macht sich der 45. Präsident der Vereinigten Staaten zur Stimme des Volkes. Und beschimpft seine ebenfalls reichen Vorgänger als "Establishment". Eine kleine Elite habe von der Regierung profitiert, so Trump und das Volk habe die Kosten getragen und nichts von deren Reichtum gehabt.
    "For too long, a small group in our nation's capital has reaped the rewards of government while the people have borne the cost. Washington flourished, but the people did not share in its wealth."
    Die amerikanischen Wahlen seien anders verlaufen, als er und viele seiner Kollegen sich das vorgestellt hatten, gab der Veranstalter der Passauer Tagung, Prof. Winand Gellner in seiner Einführung zu. Weil sie den Unmut der Amerikaner gegenüber den herrschenden Eliten unterschätzt hatten? Weil sie das in ihren Augen politisch Erwünschte erwartet hatten – und nicht das, was zu erwarten war?
    "Ich war sicher da ein Außenseiter. Ich glaubte von Beginn an, dass die bislang schweigende Mehrheit der Weißen auf dem Land schwer unterschätzt ist und dass die Positionen, die Trump vertritt, sehr populär sind beim Everyday American, wie Hillary Clinton diese Figur dann genannt hat."
    Bernhard Stahl, Professor für Internationale Politik an der Uni Passau ist einer der wenigen, der den Wahlsieg Trumps prognostiziert hatte.
    "Und das hat mit dem "Elite-Mass-Split", zu tun, den wir in den USA haben, also dem Establishment auf der einen Seite und eine große Masse der Bevölkerung, insbesondere der weißen Bevölkerung, die sich immer mehr von diesem Elitenkonsensus entfernt hat."
    Großer Riss zwischen den Etablierten und den Massen
    Der "Elite-Mass-Split", der Riss zwischen den Etablierten und den Massen war deshalb immer wieder Thema auf der Passauer Tagung. Er sei mittlerweile so groß, so Christian Lammert, Professor für Innenpolitik Nordamerikas an der FU Berlin, dass er nach neuesten Untersuchungen sogar die amerikanische Demokratie beschädige:
    "Das sind verschiedene Analysen, die zeigen, dass in einigen Teilbereichen des demokratischen Systems in den USA Defekte vorhanden sind, die in der Gesamtbetrachtung dazu führen, dass man problematisieren kann, inwieweit man die USA noch als eine perfekte Demokratie bezeichnen kann."
    Jährlich veröffentlicht das Londoner Institut "Economist Intelligence Unit" einen sogenannten "Demokratie-Index". Das heißt: anhand von 60 Kriterien bewerten Wissenschaftler jedes Jahr den der Zustand von Demokratien in 167 Ländern. Und 2016 sind die USA auf der Skala des Instituts von einer "vollen Demokratie" zu einer sogenannten "flawed democracy", einer beschädigten Demokratie abgerutscht. Vor allem deshalb, so Christian Lammert, weil ein äußerst niedriges Vertrauen in die Kompetenzen der Regierung bestehe:
    "Ich würde sagen, das ist auf der einen Seite, was in der Studie des Economist deutlich geworden ist, das extrem gesunkene Vertrauen der Bevölkerung in die Lösungsfähigkeit politischer Institutionen. Das ist die mangelnde Responsivität der Regierung auf bestimmte Interessen von niedrigen Einkommen und der Mittelklasse. Das heißt, die hören nicht mehr zu, was Teile der Gesellschaft brauchen. Und das ist das Problem."
    Legitimationskrise des politischen Systems
    Der Vertrauensschwund in die Regierung wie auch in die gewählten Regierungsvertreter führe zu einer Legitimationskrise des politischen Systems, so der Berliner Politikwissenschaftler. Dies liege nicht zuletzt daran, dass die Interessen von Reichen bei politischen Entscheidungen eher berücksichtigt würden als die der Mittelschicht oder von Geringverdienern. Zahlen sprechen da für sich. Zwar sei zwischen 1979 und 2007 das durchschnittliche Haushaltseinkommen um 62 Prozent gestiegen. Bei dem oberen Prozent der Einkommen allerdings betrug die Einkommenssteigerung 275 Prozent bei dem unteren Fünftel dagegen nur 18 Prozent.
    "Hinter den Durchschnittswerten verbergen sich massive Ungleichheiten, die auch durch die Finanzkrise noch verschärft wurden. Das heißt, die Rettungsaktionen des Staates haben diese Ungleichheiten weiter verschärft."
    Dr. Josef Braml von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik:
    "Das heißt, sehr viele haben sehr wenig vom Kuchen, einige wenige leben sehr gut davon. Unterm Schnitt kommt dabei was Schönes raus, aber dahinter liegen soziale und ökonomische Verwerfungen, wenn sie sich den Drogenkonsum anschauen, die Selbstmordrate und vieles mehr."
    Viele US-Bürger schätzten die wirtschaftliche Lage deutlich schlechter ein, als dies die Obama-Regierung und die Statistiken darstellten. Zwei Drittel der Wähler, so ergaben repräsentative Umfragen nach den Wahlen im November, halten die aktuelle Wirtschaftslage für schlecht – und von denen wiederum wählten fast zwei Drittel Trump. Auch Josef Braml hält die offizielle Arbeitslosenzahl von 4,9 Prozent für eine Verzerrung der Realität:
    "Wenn nämlich ältere Arbeitnehmer keinen Job mehr finden und ihre Arbeitsplatzsuche aufgeben, dann fallen sie aus der Statistik. Und wenn Jüngere von der Uni kommen und keinen Job finden, dann gehen sie in ein weiteres Programm. Und all diese Menschen sind raus aus der Statistik."
    Interessen der Verbände und Unternehmen stehen im Vordergrund
    "Auf Kosten der Freiheit. Der Ausverkauf der amerikanischen Demokratie und ihre Folgen für Europa", heißt Josef Bramls 2016 erschienenes Buch. Auch in seinen Augen geht es im Washingtoner Polit-Betrieb nicht mehr um das Wohl der Bürger und die Entwicklung einer zukunftsfähigen Gesellschaft. Viel mehr stehen die Interessen der Verbände und Unternehmen, der Industriegiganten und vor allem der Banken im Vordergrund. Demokratie in den USA wird aus Bramls Sicht zunehmend durch eine "postdemokratische" Klientelpolitik ersetzt, bei der Lobbyisten die Politik zu ihren Zwecken instrumentalisieren. Die Masse der Bevölkerung sei politisch bedeutungslos, ihre Teilhabe an Wirtschaft und Politik marginal.
    "Trump hat die Probleme erkannt, hat die überzeichnet, hat für die Probleme in bester demagogischer Art Sündenböcke benannt. Das sind die Einwanderer, das sind die Chinesen, die Wettbewerber aus dem Ausland und bald werden es wohl auch die Deutschen sein."
    Doch neben der sozioökonomischen Spaltung der amerikanischen Gesellschaft, so Winand Gellner, Professor für Politikwissenschaften an der Universität in Passau, gebe es ebenso eine der eher kulturell-lebensweltlichen Art. Schließlich waren es nicht nur die entlassenen Stahlarbeiter im Trailerpark, die Trump gewählt haben. Sondern auch 49 Prozent der Wähler mit Einkommen über 100.000 Dollar wählten ihn. Und ebenso holte der zum dritten Mal verheiratete Immobilenmogul 80 Prozent der Stimmen der strenggläubigen evangelikalen Christen.
    "Im Herzen des Landes finden wir häufig sehr elementar fundamentalistisch geprägte Populationen, die mit diesen Formen, mit diesem Lifestyle der beiden Küstenregionen nichts anfangen können und die da aufeinanderprallen von unterschiedlichen Lebensentwürfen und Vorstellungen. Das ist das, was sich jetzt in der Spaltung manifestiert, das ist kaum mehr überbrückbar."
    Seit Jahrzehnten schwelen die "Culture Wars"
    Der einschneidende soziokulturelle Wandel, wie er sich durch die Protest- und Minderheitenbewegungen seit den 60er-Jahren in vielen westlichen Gesellschaften vollzog, habe bei Teilen der amerikanischen Bevölkerung eine Entfremdung und damit Abwendung vom politischen System ausgelöst. Seit Jahrzehnten bereits schwelen deshalb die "Culture Wars", ein immer wieder aufflackerndes Ringen um die moralische Überlegenheit ländlich-konservativer oder städtisch-progressiver Lebensweisen.
    "Es hängt auch damit zusammen, dass wir in Amerika seit Mitte der 60er-Jahre eine Bewegung sehen, die damals schon sich positioniert hatte gegen civil rights, gegen die ganzen Modernisierungsgeschichten. Wo es eine Grundskepsis gab gegenüber einem modernen emanzipierten Menschenbild, Frauenbild. Minderheitenbild. Und hier hat man damals schon begonnen, diese silent majority, wir sind die, die das Geld verdienen, und da sitzen die Studenten, die Minderheiten und denen schiebt man das Geld noch nach."
    Mark Lilla, Professor für Ideengeschichte an der Columbia University, New York entfachte nach Trumps Wahl eine Debatte, als er in der New York Times die "Identitätspolitik" der Demokraten kritisierte. In den letzten Jahren, schrieb Lilla dort, sei der amerikanische Linksliberalismus über den Fragen ethnischer, geschlechtlicher und sexueller Identität in eine Art "moralischer Panik" verfallen. Er habe sich zunehmend auf Fragen der "Diversität", also auf die Anerkennung von gruppen- und individuellen Merkmalen wie Alter, Kultur, Geschlecht oder sexuelle Orientierung fixiert. Und dies habe eine Generation von Linksliberalen hervorgebracht, die, so Lilla wörtlich, "in narzisstischer Blindheit gegenüber den Lebensrealitäten außerhalb ihrer eigenen Gruppe verharren und keinerlei Verpflichtung fühlen, sich auf Landsleute einzulassen, die anders denken und leben als sie".
    "Ich finde, die Demokraten haben es in der letzten Zeit auch, wennes um die Identitätspolitik und die Bürgerrechte geht, es ist so ein bisschen übertrieben und die Republikaner haben das gut aufgegriffen, kritisiert und gewendet."
    "Wir haben massive ökonomische Probleme, und wir diskutieren, wer auf welche Toilette gehen soll"
    Christian Lammert kann die Kritik von Mark Lilla verstehen.
    "Also, dass man dann über Bürgerrechte redet, inwieweit Transsexuelle Toiletten benutzen dürfen oder diese Kommunikation über machtfreie Räume an den Universitäten, wo man sich nicht mehr kritisieren kann, da hat sich der Average Joe gesagt, was ist denn hier los? Wir haben massive ökonomische Probleme, und wir diskutieren, wer auf welche Toilette gehen soll, das geht doch völlig an den wahren Problemen vorbei! Also sie haben das Problem der Anerkennung und Differenz zu hoch gehängt, die Demokraten und die ökonomisch-soziale Frage vernachlässigt. Und das ist ihnen um die Ohren geflogen."
    Wenn aber nicht mehr der Bürger, sondern Latinos, Schwarze, Schwule oder Transsexuelle zu Adressaten von Politik gemacht werden, dann könne am Ende, so Mark Lilla, die Gruppe der heterosexuellen, auf dem Land lebenden religiösen Weißen sich selbst als bedrohte Gruppe fühlen. Sie selbst fühlen sich in ihrer Identität missachtet. Und nun, mit der Wahl von Trump hat dieser "Average Joe", der Durchschnittsamerikaner, sich mit Macht zurück gemeldet. Und ihr Gegner ist genau jene politische Korrektheit, die von den herrschenden politischen Eliten kultiviert wird.
    "Viele Weiße insbesondere des Mittelstandes fühlen sich bedroht, das hat eine ökonomische Komponente, das hat auch eine Sicherheitskomponente, weil viele Amerikaner auf dem Land, in den Vorstädten automatisch diese Bedrohung mit Schwarzen assoziieren oder mit Hispanics oder Arabischstämmigen, weil sie sagen, das sind typische Drogendealer, das sind die, die von der Waffe Gebrauch machen, das sind die, vor denen ich aufpassen muss, meine Kinder beschützen muss."
    Donald Trump hat sich über Diskursverbote hinweggesetzt
    Bernhard Stahl sieht den Konflikt zwischen dem Anspruch der politischen Korrektheit, Minderheiten nicht zu beleidigen und zu diskriminieren und dem legitimen Bedürfnis der Menschen, ihre Ängste und Wahrnehmungen artikulieren zu dürfen. Und es gibt ja durchaus Fakten, die der politischen Korrektheit wiedersprechen. Zum Beispiel, dass der Anteil von Afroamerikanern, die im Gefängnis sitzen, höher ist als der aller anderen ethnischen Gruppen, was auch immer die Gründe dafür sind. Führt die politische Korrektheit also zu einer geistigen Enge, in der Positionen rechts von der Mitte kaum artikuliert werden dürfen? Donald Trump jedenfalls setzte sich über diese Diskursverbote hinweg. Und das hat offensichtlich vielen gefallen!
    "In Demokratien und Republiken haben wir ein Problem damit, Fehlverhalten an die Hautfarbe oder die ethnische Herkunft von Menschen zu binden. Wir gehen eigentlich davon aus, die Menschen sind gleich mit ihren Talenten Gutes und Böses zu tun. Das zeigt uns schon, dass hier etwas los ist, dass viele der Werte, die wir im Zuge der Aufklärung als Werte akzeptiert haben, von weiten Teilen unserer Bevölkerung nicht akzeptiert werden, zumindest nicht so einfach und in ihrer grundsätzlichen Form."
    "The forgotten men and women of our country will be forgotten no longer. Everyone is listening to you now.”
    Jeder werde ab sofort den vergessenen Männern und Frauen der USA zuhören, versprach Donald Trump in seiner Antrittsrede. Und in der Tat: immer vernehmbarer hört man die Stimme jener, die den Aufstand gegen eine kosmopolitisch sich verstehende Moderne proben. Ein Kampf zweier Narrative ist ausgebrochen. Auf der einen Seite das Narrativ, demnach Globalisierung – sowohl ökonomisch, als auch politisch und auch multi-kulturell –bereichernd und vor allem quasi alternativlos ist. Und jenes, das in der fortschreitenden Globalisierung eine Gefahr sieht – eine Bedrohung der eigenen Existenz.
    "Wir leben in einer sehr verflochtenen Welt, das hat man auch beim Brexit gesehen. Es ist nicht leicht zu entwirren, was da an Handelsverträgen existiert und Produktionsnetzwerken. Grundsätzlich zu sagen, es gibt verschiedene Optionen, ist nicht ganz verkehrt, Politik lebt auch von Alternativen. Ich glaube, wir sehen eine große Müdigkeit mit der Alternativlosigkeit. Menschen wollen Alternativen zu der Alternativlosigkeit, wie die nun aussehen, das ist die nächste Frage."
    Verlieren die kosmopolitischen Ideen der Aufklärung ihre Strahlkraft?
    Der Konsens, Globalisierung sei gewissermaßen ein Naturgesetz und somit unausweichlich, breche auf, so Boris Vormann, Professor für Politik am John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerikastudien der FU Berlin. Trump regiere vor, was rechte Parteien in Europa ebenso anstreben: Nationalismus, ökonomischen Protektionismus und homogenere, weniger ethnisch gemischte Länder. Und man solle, so Vormann, nicht annehmen, dass sich alles am Ende nur als "ein böser Traum" entpuppe und letztlich doch weitergehen werde wie gehabt. Das Szenarium, in vielen westlichen Ländern könnten sich neonationalistische, autoritative Regierungen mit protektionistischen Wirtschaftssystemen entwickeln, liege nahe. Die Frage sei, ob es den liberalen Kräften gelinge, einen zivilen Gegenentwurf zur nationalistischen Großmachtpolitik des amerikanischen Präsidenten finden. Christian Lammert:
    "Man muss sehen, ist man dazu in der Lage ein alternatives Narrativ zu Trump zu installieren? Und das muss ein Narrativ sein, was den Globalisierungsdiskurs auch sozial einbettet und nicht nur ökonomisch neoliberal deregulierend interpretiert."
    Doch "ein Narrativ etabliert man nicht, wie man mal eben eine Glühbirne in einem dunklen Zimmer einschraubt", hieß es unlängst in einem Artikel der WELT. Es muss sich bewähren, es muss funktionieren, damit es zur sinnstiftenden Erzählung werden kann, mit der sich Menschen identifizieren. Zur Frage steht also: Ob Donald Trump das Wieder-Aufstiegsversprechen, dass er der vergessenen Männern und Frauen Amerikas gab, einlösen kann? Ob er Amerika wieder groß machen kann? Ob die kosmopolitischen Ideen der Aufklärung am Ende ihre Strahlkraft verlieren? Solche Fragen beunruhigen zur Zeit viele, die sich den westlichen Werten verpflichtet fühlen. Die Politikwissenschaftler auf der Tagung in Passau waren mehrheitlich der Meinung, Trumps Politik werde scheitern. Die Checks und Balances des amerikanischen politischen Systems würden einem Machtmissbrauch zuvorkommen. Doch hatten viele von ihnen nicht auch gedacht, Trump selbst würde scheitern?
    "Trump ist der Ausdruck dieser Krise und der Defekte im politischen amerikanischen System. Aber er wird es nicht unbedingt schaffen, diese Defekte massiv zu verändern oder das demokratische System in ein autoritäres zu verändern. Da sind die Beharrungskräfte des amerikanischen politischen Systems schon stark genug."
    "Europa kann sich nur geschlossen schützen"
    Die Zukunft wird es zeigen. Ein Narrativ allerdings, so konnte man in Passau vernehmen, ändert sich in der Tat bereits heute: das nämlich von der transatlantischen Freundschaft. Mehr und mehr macht es bedauerlicherweise jenem Platz, dass die ehemalige Schutzmacht USA zunehmend als Bedrohung Europas zu verstehen ist.
    Josef Braml: "Wir können hier ein neues Narrativ in Stellung bringen, um auch mit Europa Wahlen zu gewinnen. Wir müssen uns europäisch besser aufstellen, um uns vor Bedrohungen von außen zu schützen, vor der Bedrohung aus dem Osten, Putin will Europa auseinandernehmen, auch Donald Trump, der Führer der ehemaligen Schutzmacht, will Europa auseinander nehmen. Europa kann sich nur geschlossen schützen. Das hat auch Tusk gesagt, gemeinsam stehen wir, einzeln werden wir fallen."